Die Fahne des proletarischen Klassenkampfs wieder hoch heben (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2013)

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Die Fahne des proletarischen Klassenkampfs wieder hoch heben
Dezember 2013

(Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2013 angenommen)

Es ist nutzlos, sich in Hypothesen über die Wirklichkeit eines eventuellen Umschwungs der wirtschaftlichen Situation oder die eines beginnenden Aufschwungs zu verlieren. Behauptungen in diesem Sinne werden jedoch seitens der sich an der Macht befindenden Politiker seit einigen Wochen immer häufiger. Aber diese Leute haben nicht nur fast keinen Einfluss auf das Funktionieren der Wirtschaft, aber ihre Reden haben viele andere Ziele, als die Wirklichkeit zu bezeichnen. Und wenn das schon für alle Regierungen richtig ist, ist es noch mehr für eine Regierung der Sozialistischen Partei. Das einzige Argument, das nämlich die letztere bei der Bourgeoisie, der sie genauso treu wie die Rechte dient, glaubwürdig macht (ist nicht ihre wirtschaftliche Kompetenz), sondern dass sie mehr als die Rechte dazu, mit der Komplizenschaft der Gewerkschaftsführer, fähig ist, die Arbeitenden dazu zu bringen, Maßnahmen, die sich ihren Interessen widersetzen, zu akzeptieren.

Das was man zitiert, um die Wirklichkeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs zu illustrieren, wie zum Beispiel die Wiederbelebung des Geschäfts in den Vereinigten Staaten, ins besondere im Immobiliengeschäft und der neue Start des Wirtschaftswachstums in China nach einem Senken, und so weiter, ist kaum von Bedeutung neben dem unhaltbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit, neben dem Stagnieren der industriellen Produktion und neben dem Rückgang des internationalen Handels. Trotz Sogar die Kommentatoren, die einen hemmungslosen Enthusiasmus haben, müssen zugeben, dass die vorgegebenen Zahlen, mit denen sie ihr Szenario des Beginns eines wirtschaftlichen Aufschwungs rechtfertigen, schwach und zufallsbedingt sind. Und dazu lastet das Finanzwesen mit seinen spekulativen Bewegungen, deren erratischer Charakter die Weltwirtschaft mit neuen Zusammenbrüchen bedroht, mehr und mehr auf die Wirtschaft.

Die Bedrohung durch das Finanzwesen

Während den letzten zwanzig Jahren kannte die kapitalistische Wirtschaft eine Anzahl von mehr oder minder allgemeinen und mehr oder minder folgenschweren, finanziellen Schwankungen. Die letzte von ihnen, die von der Affäre der Subprimes in den Jahren 2007 und 2008 ausgelöst wurde, drückte sich fast durch einen allgemeinen Bankenkrach aus, der für das wirtschaftliche Leben unberechenbare Konsequenzen hätte haben können. Aber dieser Zusammensturz fand nicht statt. Durch massive Interventionen der Staaten und durch Währungspolitik, vermied die Weltwirtschaft so einen Zusammenbruch wie im Jahre 1929 mit allen seinen Folgen.

Die zur Kontrolle der Katastrophe verwendeten Mittel erweiterten aber die Finanzialisierung der Wirtschaft und gefährdeten noch mehr die Zukunft. Sie ließen das Schmarotzertum des Großkapitals noch größer werden und verschlechterten vor allem die Situation der Arbeiterklasse.

Die Krise brachte eine größere Konzentration des Geldkapitals mit sich: Die mächtigsten Kapitalisten eigneten sich immer mehr den Rest der Wirtschaft an. Diese Konzentration schaltete zwar eine Anzahl von unrentablen Unternehmen aus aber die Profitrate blieb im Allgemeinen doch global hoch, und die Rate der verteilten Dividenden ebenfalls. Und deshalb beklagt sich das Großbürgertum für den Moment nicht besonders über die Krise. Wenn sich die Kapitalisten überhaupt um die Interessen ihrer Klasse und nicht nur individuell um ihren Geldschrank kümmern, so können sie sich doch noch in relativ optimistischen Illusionen wiegen und bessere Tagen einer wirtschaftlichen Wiederbelebung erhoffen.

Die Wirtschaftszeitung Les Échos vom 13. und 14. September 2013 verkündete deshalb auch triumphierend auf ihrer Schlagseite: "Börse: 5 Jahre genügten, um die Krise des Jahrhunderts auszumerzen" (seine Sensationsgier reißt den Redakteur soweit mit sich, dass er die Tatsache, dass das Jahrhundert momentan doch nur 13 Jahre zählt, vergisst!). Die Tageszeitung konstatierte dann: "Der CAC 40 (Indiz der französischen Börse) erreicht wieder sein Niveau vom September 2008, zum Zeitpunkt des Konkurses der Lehman Brothers" und "in etwas mehr als einem Jahr stieg er um 40 Prozent und liegt über den 4.000 Punkten".

Diese sprunghafte Zunahme der Aktienwerte gibt aber nur ein sehr approximatives Bild der wirtschaftlichen Situation. Angesichts der Geldmengen, die permanent durch die Staaten in die Wirtschaft eingeführt werden, wird die wirkliche Situation immer mehr durch die Spekulation verfälscht.

Wenn das Steigen der Börsenkurse wahrscheinlich die Tatsache widerspiegelt, dass das Großkapital einen wirtschaftlichen Aufschwung erhofft, bleibt letzterer aber eine Hypothese. Trotz der steigenden Zahlen der finanziellen Sphäre, deren Profite doch in letzter Linie aus der Ausbeutung, also aus der produktiven Wirtschaft entstehen, können doch "die Bäume nicht bis zum Himmel wachsen" wie es die Börsenmakler selbst sagen. Ein zu starker Gegensatz zwischen der produktiven Wirtschaft und den Börsenprognosen kann nicht allzu lang andauern und die erstere wird sich den Kapitalisten doch immer wieder in Erinnerung wieder bringen.

Der besorgte Optimismus der Bourgeoisie

Die Tatsache ist jedoch, dass diese übertriebene Siegessicherheit, was die Zukunft betrifft, illustriert nur den gegenwärtigen Optimismus der Bourgeoisie und ihre Hoffnung, dass die Profite der Unternehmen, die durch die immer intensiv werdende Ausbeutung der Arbeiterklasse während der Krise erlaubt wurden, weiter florieren werden. Solange nämlich die heutigen Profite ihr die Hoffnung auf zukünftige höhere Profite geben, gilt für die Bourgeoisie das Motto: "Zum Teufel damit, was in späteren Jahren passieren wird!".

Es bleibt, dass Les Échos, in ihrer Ausgabe vom 13. und 14. September auf ihren inneren Seiten schon weniger optimistisch erklärt: "die Großfinanz findet zwar wieder große Profite vor aber ein gesundes und solides Wachstum fehlt immer noch." Und einige Zeilen weiter steht: "Die Finanz verbleibt ihrem Wesen nach ein Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft."

Und Jean-Claude Trichet, der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), der von der Rolle der Leiter der Zentralbanken und von seiner eigenen bei der Rettung der Wirtschaft, im Jahre 2008 und nachher, durch Hunderte von Tausenden von Euro, überzeugt ist, fügt jedoch hinzu: "Wir sind noch in einer gefährlichen Situation." Er ruft die Staaten und die Banken dazu auf, Ordnung in ihre Angelegenheiten einzuführen, sagt aber: "Wenn das nicht geschieht, wird die aktuelle Periode nur dazu dienen, die nächste Krise vorzubereiten."

Seit seiner Rettung durch die Staaten 2008 bekommt tatsächlich das Bankensystem Geldinfusionen. 85 Milliarden Dollar pro Monat werden nur allein von der amerikanischen Zentralbank verwendet, um Schatzwechsel, Staatsanleihen und Hypothekarkredite, aufzukaufen, was bedeutet, dass die Banknotenpresse rollt. Aber diese Infusion dient nicht einmal dazu, die Krankheit der Wirtschaft zu vermindern. Sie trägt vielmehr zur Spekulation bei. Und in diesem Jahr erhöhte sich allein die Spekulation mit Devisenkursen um 35 Prozent.

Die Führer der amerikanischen Wirtschaft befürchten auch sehr, dass eine Unterbrechung der Infusion, im Falle eines wirtschaftlichen Aufschwungs, den finanziellen Krach bewirken könnte, den sie im Jahre 2008 so mühevoll vermeiden wollten.

Die weit blickenden Wortführer der Bourgeoisie wie Trichet, hüten sich sehr vor allem übertriebenen Optimismus. Aber ihre warnenden Worte wollen auch der Bevölkerung nahe legen, dass die Zeit des Opferbringens für diese nicht zu Ende ist.

"So lange der Kapitalismus nicht von der proletarischen Revolution zerschmettert sein wird, wird er in Zyklen fortleben: auf und ab. Die Krisen und Prosperitätsperioden waren dem Kapitalismus schon seit seiner Geburt eigen; sie werden ihn bis ans Grab geleiten.", schrieb Trotzki als Kommentar zur Krise der Jahre 1920-1921.

Wenn wir Marxisten die Frequenz der kapitalistischen wirtschaftlichen Zyklen analysieren, ziehen wir daraus nicht die Schlussfolgerung, dass eine Krise zum direkten Zusammensturz des Kapitalismus führen könnte und dass die Perspektive einer sozialen Revolution mit diesem Zusammensturz verbunden ist.

Die Herrschaft der Bourgeoisie über die heutige Gesellschaft wird nur durch die bewusste Aktion der revolutionären Klasse, das heißt der Klasse der Zukunft, also durch die des Proletariats, vernichtet werden.

Daher haben die Marxisten ebenso wenig wie irgendjemand die Gabe, die Entwicklung der Wirtschaft vorauszusehen und können nicht erraten, ob es wieder zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kommen wird oder nicht. Aber es sind die Wortführer der Bourgeoisie selbst, die die Schwäche der Wirtschaft und die durch die Finanzialisierung entstehende Bedrohung konstatieren. Sie selbst lassen uns an dem kleinen Beginn eines wirtschaftlichen Aufschwungs zweifeln und bringen uns dazu, zu denken, dass dieser nirgends anderswo wurzelt als im beruflichen Optimismus der politischen Leiter.

Ein hypothetischer Aufschwung wird auf jeden Fall nicht der Offensive der Bourgeoisie gegen die Ausgebeuteten ein Ende setzen

Über die müßige Diskussion hinaus, ob es wirklich bald zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kommen wird, ist es wichtig, zu verstehen, dass das Andauern der Krise und erst recht eine neue Finanzkrise, die sich durch einen brutalen Zusammenbruch der Produktion ausdrücken könnte, katastrophale Folgen für die Arbeiterklasse wie für die ganze Gesellschaft haben werden.

Es ist aber genauso wichtig, im Auge zu behalten, dass ein Beginn eines wirtschaftlichen Aufschwungs absolut nicht das Ende der Offensive der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse bedeuten wird.

Das Großkapital profitierte von der Krise, um das Kräfteverhältnis gegenüber der Arbeiterklasse zu seinen Gunsten zu verstärken.

Auf der materiellen Ebene ist das völlig klar. Die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse verschlechterten sich unaufhörlich im Verlauf der Krise. Der katastrophalste Aspekt dieser Verschlechterung ist sicher die Arbeitslosigkeit, die einen immer größer werdenden Anteil der Arbeiterklasse von der produktiven Tätigkeit entfernt und ihr jedes regelmäßige Gehalt entzieht. Die immer unsicher werdenden Arbeitsverhältnisse und das Verschlechtern der Sozialversicherung kommen zur Arbeitslosigkeit hinzu und treiben die gesamte Arbeiterklasse in die Verarmung.

Die Situation des verarmten Teils des Proletariats lastet auf der gesamten Arbeiterklasse. Durch die kontinuierliche Verschlechterung ihrer Situation verwandeln sich viele Arbeitenden in Langzeitarbeitslose und verlieren jede Hoffnung, eines Tages wieder eine Arbeitsstelle zu finden.

Die Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat widerspiegelt sich in der Tatsache, dass die Bourgeoisie in diesen Krisenjahren ihren Anteil am Sozialprodukt zum Nachteil der Arbeiterklasse beträchtlich erhöhte. Sie widerspiegelt sich auch noch viel mehr in der bei der Arbeiterklasse vorherrschenden Stimmung und in seinem Bewusstsein. Trotz der Krise des Kapitalismus triumphiert die Bourgeoisie und das demoralisiert die Arbeiterklasse, so dass sie nicht mehr an die Zukunft glaubt.

Diese Situation ist ein wesentliches Element des Kräfteverhältnisses. Gegenüber der Herrschaft des Kapitals in der schmarotzerischen und widerlichsten Form der Vorherrschaft des Finanzkapitals, fühlt sich die Arbeiterklasse wehrlos.

Dem Großkapital gelang es, aus der Krise seiner Wirtschaft eine wirksame Waffe im Krieg gegen die Arbeiterklasse zu machen. Es erobert alle Zugeständnisse zurück, die es hatte machen müssen, als es in der Vergangenheit mit den Kämpfen der Arbeiterklasse direkt konfrontiert war oder zumindest Angst davor hatte, dass solche Kämpfe voraus stünden.

Sogar im Fall eines wirtschaftlichen Aufschwungs hat die Bourgeoisie sicherlich nicht die Absicht, all das rückgängig zu machen, was sie dem Proletariat aus dem entstandenen Kräfteverhältnis aufzwang. Politisch hat sie daran kein Interesse. Sie ist sich sehr des Kräfteverhältnisses gegenüber der Arbeiterklasse bewusst, denn die Fortdauer der Ausbeutung und der Betrag ihrer Profite hängen davon ab. Und das ist besonders in dieser Krisenperiode offensichtlich. Wenn die Finanzialisierung der Wirtschaft die Karten in Bezug auf die Profitabilität der verschiedenen Kapitalformen neu verteilt - und zwar vor allem innerhalb der finanziellen Kapitalanlagen, die viel mehr und viel kurzfristiger rentabel sind als die produktiven Kapitalinvestitionen - , kommt die kapitalistische Klasse doch auch als Ganzes bis jetzt nicht schlecht mit der Krise zurande, da es ihr gelang, den Mehrwert, den sie der Arbeiterklasse entzog, zu erhöhen, das heißt, die letztere zu einer erhöhten Ausbeutung zu zwingen. Und diese verstärkte Ausbeutung ist mit dem Kräfteverhältnis verbunden.

Klassenbewusstsein und Kräfteverhältnis

Das globale Kräfteverhältnis zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat ist von subjektiven Elementen, wie dem Bewusstseinsgrad des Proletariats und dem Zustand der organisierten Arbeiterbewegung, die es verkörpert, untrennbar. Und hier findet man die schwersten Schäden der aktuellen Krise der kapitalistischen Wirtschaft und aller ihren Folgen.

Wenn man den Rückgang des Klassenbewusstseins des Proletariats schon seit langem feststellen konnte, trieb die gegenwärtige Krise einen schon lange bestehenden Rückschritt weiter voran! Seit Jahrzehnten veränderte und verfälschte der sozialdemokratische Reformismus, vom Stalinismus abgelöst und verschlimmert, die Natur der revolutionären Ideen, deren Träger das Proletariat war. Sie entschärften sie und taten alles um in progressiver oder brutaler Weise die Idee des Klassenkampfes und die geschichtlichen Perspektiven des Proletariats vergessen zu lassen.

In der gegenwärtigen Krise empfindet die Bourgeoisie nicht einmal mehr die Notwendigkeit, ihre Interessen zu verbergen, was sie früher doch in den besänftigenden und lügnerischen Reden der politischen Führer tat, wenn diese sich in leeren Worten zum Sozialismus und Kommunismus bekannten. Sie setzt, dieses Mal offen ihre Werte durch, indem sie so tut, als ob diese den Interessen der ganzen Gesellschaft entsprechen würden. Auch der Ausdruck "Arbeiterklasse" verschwindet aus dem Vokabular und wird durch "Mittelklasse" ersetzt.

Einer der fühlbaren Zeichen dieser Entwicklung ist natürlich, in Frankreich, der Anstieg der Nationalen Front (NF). Wobei dieser sich, für den Moment, im Wesentlichen auf dem Wahlterrain abspielt. Wenn dieser Anstieg in den kleinbürgerlichen Milieus eine schwerwiegende Bedrohung ebenso für die Arbeiterklasse als für die ganze Gesellschaft darstellt, indem er die Mobilisierung des Kleinbürgertums auf einer reaktionären und den Arbeitern feindlichen Ebene erleichtert, ist doch für den Moment diese Bedrohung nur potentiell und der Entwicklung der allgemeinen Situation und der Krise untergeordnet. Was jedoch am meisten besorgniserregend ist, ist die Anziehung die die Nationale Front auf den am meisten demoralisierten und verwirrten Teil der Arbeiterklasse ausübt.

Im Gegensatz dazu, was Dummköpfe und "linksradikalen" Aktivisten glauben, kann man den Einfluss der NF auf dem Wahlterrain unter den Arbeitern und Angestellten nicht mit Mottos in der Art von "Der Faschismus wird niemals siegen!" bekämpfen oder indem man einige Fausthiebe mit den Aktivisten der extremen Rechten wechselt. Es ist vielmehr grundsätzlich notwendig, dass die Arbeiterklasse wieder mit der Klassenperspektive und den Werten der Arbeiterbewegung anknüpft.

Der Anstieg der Religiosität, der des Einflusses von politischen islamistischen Organisationen, die kommunitaristische Abkapselung drücken, über tief gehende Unterschiede hinaus, dieselbe reaktionäre Entwicklung aus wie die des ansteigenden Einflusses der Nationalen Front. Ein großer Teil der Arbeiterklasse in Frankreich, und im besonderen in ihrem am meisten ausgebeuteten Kern, in der Industrie und im Bauwesen, stellt sich nämlich aus Arbeitenden mit maghrebinischen und allgemeiner gesehen afrikanischen Herkunft zusammen.

Die Verantwortung der früheren Arbeiterparteien und der Gewerkschaftsbürokratien

Die große, geschichtliche Verantwortung dieser Situation findet ihren Ursprung in den reformistischen Strömungen der Arbeiterbewegung, die sich schon seit langem in linken Parteien der Bourgeoisie verwandelten. Diese verschleuderten und entarteten die Werte der Arbeiterbewegung. Als sie aufhörten, den Kapitalismus zu bekämpfen und ärger noch, wenn sie ihm offen an der Regierung dienten, nahmen sie die Verantwortung für alle seine Mangel auf sich und, was die französische Sozialistische Partei betrifft, nimmt sie sie heute noch auf sich. Und sie tut das besonders und sehr direkt in der Arbeiterwelt.

Der eindringende Einfluss der NF beruht, ebenso wie der der reaktionären islamistischen Strömungen, wenn diese auch in einem anderen Zusammenhang entstanden, darauf, dass die Arbeitenden immer weniger davon bewusst sind, dass sie einer einzigen und gleichen sozialen Klasse, über ihre Herkunft, ihren Beruf und ihre Staatsangehörigkeit hinaus, angehören. Der Individualismus, die Ideologie des "Jeder ist sich selbst der Nächste" ersetzen weitgehend den Sinn für das gemeinsame Interesse; die individuelle Lebenstüchtigkeit ersetzt die gemeinsame Aktion und die Klassensolidarität.

Das Lumpenproletariat und sein ätzender Einfluss sind ebenso alt wie das Proletariat selbst und die bewusste Arbeiterbewegung hatte sie immer zu bekämpfen. Aber eben die Verehrung des schnellen Geldes und das kapitalistische Gesetz des Dschungels dringen heutzutage umso leichter in die Arbeiterviertel ein, als es auf der anderen Seite keine solide, bewusste Arbeiterbewegung gibt, die auf ihre Werte und auf ihre Kämpfe stolz, und dazu fähig, ihre Werte, insbesondere in der Jugend, zu propagieren, ist.

Dieses Bewusstsein, das seine objektiven Wurzeln in den gleichen materiellen Interessen des ausgebeuteten Proletariats hat, war das Resultat der jahrzehntelangen Tätigkeit der bewussten Arbeiterbewegung. Diese ihres Ziels bewusste Aktivität wurde zuerst entartet und dann aufgegeben.

Die Führungen der großen Parteien, die historische Verbindungen zu der Arbeiterklasse hatten, ebenso wie die Führungen der Gewerkschaften, übernahmen die Ideen, die Begründungen und sogar die Ausdrucksweise der Bourgeoisie, was die notwendige Konkurrenzfähigkeit, die Pflicht, die Schuld der Staaten den Banken zurückzuzahlen und das nationale Interesse betrifft... Diese Parteien so wie diese Gewerkschaften empfinden sogar nicht mehr das Bedürfnis, eine gewisse Ausdrucksweise, die sie aus der Vergangenheit und aus dem Klassenkampf erbten, zu verwenden. Sie finden es nicht einmal mehr notwendig den Arbeitenden zu verhehlen, dass sie im Dienst der Interessen der Bourgeoisie stehen.

Nur ein Beispiel: Schon seit dem Anbruch der politischen Arbeiterbewegung warnte Marx die Proletarier seiner Zeit davor, in ihre Reihen bürgerliche Ideen, wie zum Beispiel die der Konkurrenzfähigkeit, eindringen zu lassen.

Heute akzeptieren die früheren Arbeiterparteien und die Gewerkschaftsführer ohne jede Scham das Wort und das Konzept der Konkurrenzfähigkeit, als ob diese selbstverständlich wären.

Im "Übergangsprogramm", erklärte Trotzki dass "Die historische Krise der Menschheit auf die Krise der revolutionären Führung zurückzuführen" ist und er stellte den revolutionären Kommunisten seiner Zeit die Aufgabe "das Proletariat von der alten Führung zu befreien, deren Konservatismus der katastrophalen Lage des niedergehenden Kapitalismus völlig widerspricht und das stärkste Hindernis für den geschichtlichen Fortschritt bildet ".

Dieses Programm wurde 1938 geschrieben, in einer Zeit, wo die Krise des Jahres 1929 und ihre Folgen große, soziale Wirren bewirkt hatten und wo sich objektiv die Frage stellte, wer die Gesellschaft führen sollte: die Bourgeoisie oder das Proletariat. Zu dieser Zeit war die Arbeiterklasse auf der politischen Szene anwesend, mit einer großen Zahl von disziplinierten und organisierten Aktivisten. Die Unfähigkeit der Führer des Proletariats, dieses bis zum Ziel seines Kampfes zu leiten, führte jedoch das Proletariat, mit der Politik der Volksfronten, in eine Sackgasse insbesondere in Frankreich und noch mehr in Spanien und mündete im zweiten imperialistischen Weltkrieg.

Die Mahnrufe von Trotzki im Übergangsprogramm waren nicht nur die Feststellung des Verrats der stalinistischen und sozialdemokratischen Führer aber sie wollten auch seine Überzeugung ausdrücken, dass die Arbeiterklasse sich wieder aufrichten wird.

In der heutigen Krise beschränkt sich aber die Krise des Proletariats nicht nur auf seine Führung sondern sie drückt sich auch durch die Abschwächung der Zahl der Aktivisten, die in der Arbeiterklasse existierten, aus.

Die Geschichte der Arbeiterbewegung kannte jedoch viele mehr oder minder lange Zeitspannen, wo besonders nach einer empfundenen Niederlage, die Arbeiterklasse kollektiv wieder Mut fasste. Einer der Aspekte dieses erneuten Selbstvertrauens, war immer die Tatsache, dass das Proletariat dazu fähig war, innerhalb seiner Reihen, wieder neue Generationen von Aktivisten hervorzubringen.

Wenn Trotzki von der demotivierenden und kriminellen Rolle des Stalinismus in Deutschland in den Jahren vor der faschistischen Machtergreifung sprach, sagte er, dass "das deutsche Proletariat sich wieder aufrichten wird, der Stalinismus - niemals!".

Die Arbeiterklasse wird den Kopf wieder hoch tragen

Im Falle des Verstärkens der Krise oder vielleicht noch wahrscheinlicher im Falle eines wirtschaftlichen Aufschwungs, wird die Arbeiterklasse ihren Kampfgeist wieder finden. Sehr oft, in der Vergangenheit, begonnen gerade in der Zeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs die Kämpfe der Arbeiterklasse mit Kraft wieder. Und in diesem Wiederaufstieg des Kampfgeistes wird den neuen Generationen, die nicht die Enttäuschungen der Vergangenheit gekannt haben, eine wichtige Rolle zustehen.

Die Zukunft wird sagen, um welche Forderungen der neue Aufschwung der Arbeiterklasse geschehen wird und um welche Ideen ihre besten Aktivisten sich versammeln werden.

Die aus der Vergangenheit geerbten eingerosteten reformistischen Apparate werden sicher einen gewissen Vorteil daraus ziehen, dass sie schon seit langem in der Arbeiterwelt existieren. Es ist nämlich zu erwarten, dass das Erwachen der Arbeiterklasse sich zunächst durch das Flottmachen der alten reformistischen, nur oberflächlich rot angepinselten Organisationen ausdrückt, vielleicht um neue "höhere Wesen", denen es gelingen wird.

Wenn solche Organisationen die einzigen, die eine Politik für die Wiedergeburt der Arbeiterbewegung bleiben würden, würde das unvermeidlich zu neuem Verrat führen.

Es ist also lebenswichtig, und besonders noch mehr in dieser Rückgangsperiode, die revolutionär-kommunistische Perspektive zu verteidigen.

Deshalb handelt es sich weder darum, der reformistischen Redeart ein wenig rote Farbe hinzuzufügen, noch darum, neue Rekrutierungterrains zu finden, die den Interessen des Kleinbürgertums entsprechen, aber darum, sich so klar wie möglich zu dem proletarischen Klassenkampf mit seiner entscheidenden Perspektive zu bekennen, nämlich dem Entreißen der Macht aus den Händen der Bourgeoisie und der totalen Veränderung der gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Organisation.

Nur das Wiederanwachsen der Arbeiterkämpfe wird diesen Ideen Kraft und Glaubwürdigkeit verleihen. Die revolutionären Kommunisten haben nicht selbst die Fähigkeit diesen Aufschwung hervorzurufen, da er aus dem molekularen Bewusstwerden von Hunderttausenden, von Millionen Proletarier entsteht. Aber sie müssen alle politischen Gelegenheiten wahrnehmen und, was die unmittelbare oder voraussehbare Zukunft betrifft, die nächsten Wahltermine sind eine Gelegenheit, die Fahne der sozialen Emanzipierung zu erheben.

Die revolutionären-kommunistischen Ideen zu beteuern bedeutet in der gegenwärtigen Periode, gegen den Strom schwimmen. Im Kontext des Triumphs der Werte der Bourgeoisie, der Entmutigung und des Zurückgehens des Bewusstseins der Arbeiterklasse, impliziert die Verteidigung der revolutionär-kommunistischen Ideen, dazu fähig zu sein, der Feindlichkeit oder vielleicht noch ärger der Gleichgültigkeit die Stirn zu bieten.

Ist es notwendig, dass wir es uns ins Gedächtnis zurückrufen? In der Zeit, wo die Nazibarbarei und die Stalinismus die Welt in die schwärzesten Reaktionen stürzten, zur Zeit der "Mitternacht im Jahrhundert", erhielt unsere Strömung die Fahne des revolutionären Kommunismus in viel schwierigeren Bedingungen aufrecht. Der Einfluss des Stalinismus auf die Arbeiterbewegung, auch hier in Frankreich, und die Verfolgung der revolutionären Kommunisten dauerten lange noch nach dem Tod von Stalin an.

Die objektive Wirklichkeit fällt sicher viel mehr ins Gewicht als die Tätigkeit der revolutionären Kommunisten, auf jeden Fall bis eine Wende in der geistigen Verfassung der Arbeiterklasse stattfinde. Der Rückgang des Bewusstseins wird die Wundermacher begünstigen, also die Leute, die behaupten, dass sie neue Wege entdeckten, wo sie doch nur die vorherigen vergaßen.

Aber diese gegenwärtige Periode hat wenigstens einen Vorteil, den man wahrnehmen muss, nämlich dass sie sogar kleine Organisationen nach außen hin sichtbar machen kann. Vor dem Hintergrund von Teilnahmslosigkeit und angesichts des Rückgangs der Präsenz von Aktivisten in der Arbeiterklasse sind diejenigen sichtbarer, die nicht demoralisiert sind und die ihre militanten Fähigkeiten und vor allem ihre Ideen und ihr Vertrauen in die Fähigkeit der Arbeiterklasse behalten, eines Tages den Weg des Kampfes wieder zu finden und auch mit ihrer historischen Rolle wieder anzuknüpfen.

Man wird ihnen in der ersten Zeit nicht nachfolgen? Sicherlich. Aber am Tag, an dem die Arbeiterklasse beginnen wird, Lösungen zu suchen, wenn die ersten Frauen, die ersten Männer und die Jugendlichen wieder Lust dazu haben werden, politisch aktiv zu sein, werden die heute isolierten Aktivisten Dutzende oder Hunderte von anderen Kämpfern um sich scharen.

Niemand kann vorhersagen, wann und wie eine solche Situation sich ereignen wird. Als Marxisten sind wir davon tief überzeugt, dass der revolutionäre Kommunismus "der bewusste Ausdruck eines unbewussten Prozesses" ist. Das Proletariat ist dazu fähig, die Ideen des Klassenkampfs zu übernehmen, und allein kann es diese Ideen bis zum letzten Ende treiben, das heißt bis zum Sturz der Macht der Bourgeoisie. Diese Ideen sind das Resultat der Bewegung der Gesellschaft selbst, der Bewegung der Geschichte. Früher oder später werden sie triumphieren.

19. september 2013