Fünfzig Jahre nach der Gründung der Vierten Internationale: Welche Aussichten haben die revolutionären Internationalisten heute? (Vortrag des Leo Trotzki-Kreises (Paris) vom 30. September 1988)
Am 3. September 1938 fand in einer Scheune am Grundstück Alfred Rosmers, einem alten französischen Freund Leo Trotzkis, in einem Pariser Vorort eine Versammlung statt, in der 25 Delegierte aus 11 Ländern fast im Geheimen die Vierte Internationale ausriefen.
Das Jahr 1938 bedeutete für die Arbeiterklasse schwere Rückstöße. Beinahe überall war das Proletariat geschlagen, demoralisiert oder wurde in den Krieg einberufen. Jene wenigen, die gemeinsam mit Trotzki die Ereignisse unter dem Blickwinkel revolutionärer Kritik betrachteten, kämpften, um das Proletariat dem Einfluss der II. und III. Internationale zu entreißen. Unter diesen Umständen war die Vierte Internationale bei ihrer Gründung sehr schwach.
Trotzki, der an mehreren Revolutionen aktiv teilgenommen hatte, Führer revolutionärer Massen und Räte gewesen war, und auch jener der Roten Armee, die er für den Kampf gegen die imperialistischen Mächte gegründet und gestärkt hatte, fand sich nun als von seinen Truppen abgeschnittener Revolutionsführer wieder. Stalin hatte Trotzki ausgebootet wie die Bürokratie die Weltrevolution, aber Trotski setzte seinen revolutionären Kampf fort und nahm 1933 den Aufbau einer neuen Internationale in Angriff.
Im Juli 1933 schrieb er über die stalinistisch geführte Internationale: "Eine Organisation, die der Donner des Faschismus nicht geweckt hat, und die sich demütig von der Bürokratie verhöhnen lässt, zeigt, dass sie tot ist und nichts sie wiederauferstehen lassen kann. Dieses laut und deutlich zu sagen, das ist unsere unbedingte Pflicht gegenüber dem Proletariat und seiner Zukunft".
Unter den Anhängern Trotzkis bekrittelte man unterdessen die Rechtfertigung der Gründung dieser neuen Internationale. Trotski antwortete: "Die Ausrufung der Vierten Internationalen ist verfrüht? Dann wäre auch der Klassenkampf verfrüht! Die Aufgabe ist zu gewaltig für unsere schwachen Kräfte? Die Geschichte gewährt keinen Aufschub, nur weil wir schwach sind! Wir müssen uns Zeit lassen? Das ist die sicherste Art zu verlieren!"
Trotzki wurde nicht wirklich verstanden, aber das irritierte ihn nicht weiter. Schon im April 1917, zu Beginn der russischen Revolution, hatte es auf der bolschewistischen Konferenz für Lenins Vorschlag, die Dritte Internationale auszurufen, nur eine einzige Stimme gegeben: jene Trotzkis. In den dreißiger Jahren stand nun Trotzki allein dieser großartigen Aufgabe gegenüber.
In seinem "Tagebuch im Exil" schrieb er am 25. März 1935: "Und doch glaube ich, dass meine gegenwärtige Arbeit, so ungenügend und fragmentarisch sie auch sein mag, die bedeutendste Leistung meines Lebens darstellt, wichtiger als meine Tätigkeit im Jahre 1917, wichtiger als die Arbeit in der Zeit des Bürgerkriegs usw. (...). MDagegen ist meine gegenwärtige Arbeit im wahren Sinne des Wortes ,unersetzlich'.
Dieser Gedanke enthält auch nicht eine Spur von Hochmut: Der Zusammenbruch zweier Internationalen hat ein Problem entstehen lassen, zu dessen Lösung keine einziger Führer dieser Internationalen auch nur im Geringsten geeignet ist. Im Vollbesitz schwerschwiegender Erfahrungen, bin ich durch die besonderen Umstände meines persönlichen Schicksals mit diesem Problem konfrontiert. Gegenwärtig gibt es niemanden außer mir, der die Aufgabe erfüllen konnte, die neue Generation mit der Kenntnis der Methode der Revolution über die Köpfe der Führer der Zweiten und Dritten Internationale auszurüsten."
Er fügte hinzu: "Und ich stimme mit Lenin (eigentlich mit Turgenjew) darin voll überein, dass es des größte Laster ist, älter als 55 Jahre zu sein. Zur Gewährleistung der Kontinuität brauche ich noch mindestens fünf Jahre ununterbrochener Arbeit".
1 - Trotzkis Ziele bei der Gründung der Vierten Internationale
Welche revolutionäre Methode wollte Trotzki der neuen Generation übermitteln? Es handelte sich dabei um sein "Handwerk", das er durch langjährige Erfahrung erworben hatte. Vor allem wollte er die Kunst und Lust zum Erfolg vermitteln, gleichzeitig aber die Fähigkeit, soziale Kräfte und ihrer revolutionären Macht einzusetzen, um die Gesellschaft zu erschüttern. Das hatten die russischen Revolutionäre 1917 unter Lenins Führung begonnen.
Die revolutionäre Welle verebbte unerwartet schnell und dramatisch und im Namen des Kommunismus traten die Stalinisten den Rückzug an. Es musste jedoch ein Weg gefunden werden, erneut den Kurs der Dinge zu beeinflussen und mit Hilfe der Mittel der Arbeiterbewegung den Lauf der Geschichte zu ändern.
Und eine neue Arbeiter- bzw. kommunistische Generation stand zur Verfügung. Obwohl sie sich nicht für die Revolution engagiert und als Manövermasse einem Unheil erschreckenden "Vater des Volkes" gedient hatte, folgte sie jetzt dem Weg zur Katastrophe, ohne dies zu erkennen. Eine kommunistische Generation, von der Trotzki hoffte, sie werde sich durch die revolutionären Krisen mit der IV. Internationale verbinden.
Eine kommunistische Generation, von der Trotzki erwartete, sie werde im Laufe der zukommenden revolutionären Krisen in die Vierte Internationale eintreten
Zu dieser Epoche hatte die Arbeiterbewegung trotz aller Enttäuschungen und brutaler Rückschläge noch die Mittel, die Welt weitgehend zu verändern - und das sogar mehrmals.
Die Generation, die um die Jahrhundertwende zur Welt kam, hatte - mit unterschiedlichen Resultaten - Streiks, Aufstände und Revolutionen geleitet. Sie hatte das Beste der Sozialdemokratie und des Kommunismus zur Verfügung: Die revolutionäre Begeisterung des Bolschewismus.
Im Laufe des revolutionären Aufschwungs wurde diese Generation durch einen Kampf, der unter der gleichen Flagge und im selben Lager, aber in verschiedenen Ländern geführt wurde, zutiefst internationalistisch. Das geschah auch 1919 mit der Gründung der Dritten Internationale, obwohl der formelle Beitritt zu einer neuen Organisation und ihrem Programm nicht sofort jenes tief greifende Verstehen der "neuen revolutionären Methode" zur Folge hatte, auf das sich Trotzki bezog.
Aber im gleichen Schwung entdeckte diese Generation zahlreiche legale und illegale Organisationsformen, die entweder auf Propaganda oder auf Intervention ausgerichtet waren. Im Zentrum der bürgerlichen Gesellschaft selbst hatte diese Generation seit den zwanziger Jahren ein weites Netz politischer oder militärischer kommunistischer Zellen und Kerne aufgebaut, das auf kommunistischer Solidarität und Moral basierte. Diese Generation wurde damit zur Triebfeder der Revolution gegen die bürgerliche Ordnung.
Die energischsten und aufgrund ihrer Erfahrung begabtesten Truppen befanden sich in der UdSSR. Gegen Ende der zwanziger Jahre wurde die Abnützung und Demoralisierung der alten bolschewistischen Generation, die langsam vor der stalinistischen Bürokratie kapitulierte, immer deutlicher. Aber eine jüngere Generation stand bereit und sie war es, die nach der Deportation und Verbannung Trotzkis in den Jahren zwischen 1927 und 1929 das Gerüst der trotzkistischen Opposition in der UdSSR und anschließend der Internationalen Linken Opposition bildete.
Diese Generation trug dazu bei, Aktivisten der Sektionen der Kommunistischen Internationale in der ganzen Welt zu überzeugen, dass es sich beim Stalinismus um einen großen Irrtum handelte. Sie kam im Ausland mit ihnen in Kontakt, etwa im Rahmen diplomatischer Missionen, oder auch in Moskau selbst anlässlich eines Kongresses oder einer Reise in die UdSSR kommen. Auf diese Weise wurden Aktivisten beeinflusst, bewegt und formell für die neue Richtung gewonnen.
Ende der zwangziger Jahre verstärkte die zwar noch unsichere, aber zunehmend beunruhigte stalinistische Diktatur ihre Position: Menschen wurden verhaftet und vertrieben. Es mag sein, dass die junge Generation, deren Arbeit Trotzki nicht mehr selbst leiten konnte, im Gegensatz zur älteren weniger schnell vor Stalin zurückgewichen war. Jedoch fand sie in Gefängnissen und Lagern ein nicht minder grauenvolles Ende: Von März bis Mai 1938 wurden zwei- bis dreitausend trotzkistische Regimegegner in kleinen Gruppen systematisch hingerichtet.
Die Diskussionen und Wortgefechte in der UdSSR gingen indessen weiter, doch nun im Privaten und Geheimen. 1937 schloss sich Ignaz Reiss, ein wichtiger Agent der GPU, der Vierten Internationale an und kritisierte heftig und relevant die Politik Stalins, was seine sofortige Ermordung durch einen Agenten derselben GPU zur Folge hat. Er war wahrscheinlich nicht der einzige, der am Ende einer mit Verzichten und Niedrigkeiten gefüllten Laufbahn ein ehrwürdiges Ende vorzog. Er war sich bewusst, dass auch unterwürfige Regimetreue keine Lebensgarantie darstellte.
Auf der Wende von den zwanziger zu den dreißiger Jahren zählte die UdSSR vermutlich noch Zehntausende Aktivisten, die für eine Internationale äußerst wertvoll gewesen wären. Sogar unter den Mitgliedern des Geheimdiensts stieß man häufig auf ehemalige kommunistische Aktivisten. Die stalinistische Repression schirmte diese Personen jedoch eine Zeit lang von Trotzki ab und dieser zählte nun verstärkt auf die Arbeiterbewegung in der restlichen Welt, dessen riesiges Potential noch immer bereitstand.
Zur Gründung einer neuen Internationalen und damit einer weltweiten Partei mit dem Ziel der sozialistischen Revolution berief sich Trotzki auf die Werte und Methoden des Kommunismus, die politische Erbschaft von Marx und Engels sowie des Bolschewismus. Gleichzeitig jedoch zählte er auf das unersetzliche menschliche Erbe, das die zehntausenden, wenn nicht hunderttausenden kommunistischen Aktivisten und die Arbeiterschaft, die mit sich zu reißen sie im Stande waren, darstellten.
Gewiss fand man unter ihnen auch durch das stalinistische Unwesen "verdorbene" und nicht reformierbare Elemente, aber es sind im Allgemeinen genau diese, die Stalin in der Leitung seiner Parteien und der Internationale einsetzte. Trotzki glaubte, die Führung über diese Generation von Aktivisten zurückgewinnen zu können.
Als er 1933 endgültig mit der Dritten Internationale brach, handelte es sich dabei um eine Annäherung an diese Arbeiterbewegung, besonders an die deutsche kommunistische Arbeiterbewegung, die er so verzweifelt suchte.
Die Aktivisten der Kommunistischen Partei Deutschlands
Bei der KPD handelte es sich einerseits um eine Massenpartei, die bei den Wahlen 1932 beinahe 6 Millionen Stimmen erhielt, gleichzeitig jedoch um eine Arbeiterpartei. Die KPD war die Partei einer Arbeiterklasse, die seit dem Ende des Ersten Weltkrieges Elend, Arbeitslosigkeit und gnadenlosen Kämpfen ausgesetzt war: Streiks, Demonstrationen, Aufstände und Revolutionen waren gekrönt von Schießereien, Verhaftungen und politischen Verboten; außerdem tauchten zahlreiche Menschen in den Untergrund ab.
Die Kommunistische Partei Deutschlands hatte ungeheure Kampfkraft, die sich in zahlreichen Streiks und sozialen Bewegungen der vergangenen Jahre entwickelt hatte. Gleichzeitig verfügte sie über ein enormes politisches Gewissen und politische Kultur - viele Aktivisten hatten das Beste der sozialdemokratischen Traditionen behalten und dazu hatten sich im Laufe der Zeit die neuen Werte des Kommunismus gesellt. Es handelte sich dabei besonders um politische und militärische Organisationsfähigkeit.
Während des Weltkrieges war diese Generation 15 bis 20 Jahre alt gewesen und hatte in den Jahren zwischen 1914 und 1923 sowohl mit Gefängnissen als auch dem Untergrund Erfahrungen gemacht. Repression und Verbot jeglicher kommunistischer Tätigkeit waren an der Tagesordnung, etwa 1919 in Folge des fehlgeschlagenen Aufstands in Berlin und Bayern, 1921 nach dem Märzaufstand oder schließlich im Jahr der Revolution 1923. Die damaligen Kommunisten befanden sich darüber hinaus in einem ständigen, illusionslosen Kampf gegen das Bürgertum, denn sie standen sowohl den sozialdemokratischen Wächtern des Imperialismus als auch den reaktionären Kräften gegenüber.
Der Großteil der aus der Arbeiterklasse oder dem Kleinbürgertum stammenden jungen Kommunisten erklomm 1917 und 1918 die Mauern der Kasernen, um Antikriegsliteratur zu vertreiben und lernte dafür die Gefängnisse kennen. Andere wurden festgenommen, weil sie die Einberufung verweigert oder desertiert hatten oder weil sie an den Soldatenaufständen beteiligt gewesen waren, die das Jahr 1918 prägten.
Der Großteil nahm schon im Alter von 20 Jahren an Streiks teil oder leitete sie sogar, etwa jenen der Matrosen oder der großen Berliner Rüstungsfabriken. Dies geschah vor allem zur Zeit der Brester Verhandlungen im März 1917, um Trotzki zu unterstützen.
Zur Selbstverteidigung und zur Vorbereitung auf den Angriff rief die Kommunistische Partei sehr rasch einen militärischen Apparat, eine der 21 Bedingungen zum Beitritt der Kommunistischen Internationalen Lenins, ins Leben und die Partei und die kämpferische Arbeiterbewegung erlernten langsam den Klassenkampf.
Die Kommunistische Partei Deutschlands verfügte also über eine große Zahl revolutionärer Aktivisten und deswegen war es für Trotzki auch so wichtig sich ihr anzunähern. Diese Aktivisten hatten zwar auch ihre Nachteile, waren aber aufgrund ihrer Aktivitäten in einer kommunistischen Massenpartei geeignet, entweder jene "Kontaktpunkte" mit der Massenbewegung herzustellen, auf die Trotzki in den zukünftigen Kämpfen angewiesen sein würde, oder jedoch eine revolutionäre Führung zu errichten, die dazu im Stande wäre.
Doch in den Jahren zwischen 1920 und 1930 verfügte die Arbeiterbewegung nicht über die Anführer, die sie verdient hätte. Besonders für Deutschland traf das schmerzlich zu. Das Bürgertum hatte die Bewegung ihrer Leiter beraubt: Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Leo Jogisches waren hingerichtet worden (nicht Stalin hatte die politische "Reinigung" erfunden) und die Methoden der stalinistischen Internationale taten das ihre. Jeder willkürliche politische Schwenk Moskaus, jeder Fehler, den die Internationale sich anzuerkennen weigerte, hatte die Auslöschung einer ganzen Mannschaft von Führern zur Folge.
Stalins Politik konnte man beinahe als: "Politik ändern heißt, die Führer austauschen" bezeichnen. Das ging so weit, dass sich an der Spitze der Kommunistischen Partei Deutschlands keine autonome Führung mit eigener Richtung bilden konnte - das heißt, eine Führung, die langsam reifen, ihre Befähigung zeigen, sich abhärten und dabei ein Maximum vergangener Erfahrung integrieren konnte. Das Gegenteil war der Fall: Die Organisation wurde jedes Mal mit einem neuen "Gehirn" ausgestattet, das nichts mehr wusste von den früheren Missgeschicken.
Unter der Obhut kleiner Korporäle und Hauptamtlichen in Moskau, die "links, rechts" sagten, dies aber zum jeweils ungünstigsten Augenblick, sah die Kommunistische Partei Deutschlands an ihrer Spitze eine beeindruckende Anzahl von Führern und Führungsmannschaften vorüberziehen: zuerst Levi, Brandler und Thalheimer, gefolgt von Fischer und Maslow, anschließend Neumann und Thälmann, dann Thälmann ohne Neumann und so weiter. Der Verlust jeglicher Leitung war das Ergebnis dieser stalinistischen Praktiken. Zu guter Letzt blieb lediglich Thälmann als Marionette und er war unfähig, die abrupten Schwenkungen zu erfassen, auf sie zu reagieren und in Krisenzeiten eine revolutionäre Partei zu führen.
Im März 1933 war Hitler seit einem Monat an der Macht, die Wohnungen Tausender kommunistischer Aktivisten waren nach dem Brand des Reichstages durchsucht und geplündert, ihre Bücher aus dem Fenster und sie selbst ins Gefängnis geworfen worden. Tausende waren in den Untergrund abgetaucht, schliefen in Korridoren und auf Türschwellen. Und dennoch: Die Kommunistische Partei erzielte bei den letzten von Hitler durchgeführten Wahlen fünf Millionen Stimmen. Das waren zwar einige tausend Stimmen weniger als zuvor; angesichts der Umstände handelte es sich allerdings um ein beeindruckendes Ergebnis.
Unglücklicherweise entwickelten sich die bolschewistischen Traditionen und die Methoden des Klassenkampfes just zu jener Zeit, als der stalinistische Kasernenhofgeist in der UdSSR dem deutschen Kommunismus all seine politische Lebenskraft raubte und er schließlich zur Karikatur wurde: Ein Apparat Zehntausender sich aufopfernder Aktivisten, jederzeit zu allem bereit - aber auch so sehr zu allem bereit, dass der Großteil zu Abenteurern, Linksradikalen oder Putschisten wurde.
Tatsächlich bildete die ,kommunistische Internationale in ganzem Zentraleuropa viele solche Aktivisten aus, die für die meisten unbekannt geblieben sind.
Im Deutschland von 1919, 1921 und 1923 war es an der Tagesordnung, nach jedem Verbot der Partei und der Verfolgung ihrer Mitglieder das zerstörte Netz im Geheimen wieder aufzubauen. Es war nichts Besonderes, im Untergrund Texte zu verfassen und sie zu vertreiben und sehr bald würde es auch wieder dazugehören, ins Exil zu gehen und sich dort weiter politisch zu betätigen, wie das für eine ganze bolschewistische Generation der Fall war.
Die Aktivisten der anderen kommunistischen Parteien Europas
Mit ihren Tritten gegen den militanten Ameisenhaufen Europas hatten die italienischen, deutschen und spanischen Faschisten riesige Schäden angerichtet. Trotzdem waren diese schwarzen oder braunen Diktaturen nicht verantwortlich für die Vernichtung der Hoffnung und der Traditionen. Ohne jegliche Führung war die Arbeiterbewegung sich selbst überlassen und schlimmen Verwüstungen ausgesetzt.
Der Naziterror hielt jedoch die ausdauerndsten, überzeugtesten und abgehärtetsten kommunistischen Aktivisten nicht davon ab, auf lokaler Ebene Organisationen zu schaffen. Er konnte nicht verhindern, dass von neuem kommunistische Slogans an den Wänden sprossen, darunter zur Zeit der stalinistischen Säuberungen in Berlin sogar "Es lebe Trotzki, es lebe die Rote Armee!."
Genauso wenig konnte das Naziregime die heimliche Verbreitung einer Oppositionsliteratur verhindern, einen vor allem kommunistischen Samisdat ... Genauso wie früher fehlte jedoch diesen Aktivisten deutlich eine Politik, die die politisch tote Komintern von Stalin schon seit langem nicht mehr bieten konnte.
Trotz der Energie und des Wissens ihrer Mitglieder waren diese Organisationen daher meist orientierungslos und zerbrechlich. Jedes Land, jede Sektion der Kommunistischen Internationale war ein besonderer Fall, aber fast überall gab es Aktivisten, die trotz aller Umstände kämpften, damit ihr Ideal nicht untergeht.
Das traf auch für die Kommunisten zu, die im Italien Mussolinis, das im Umgang mit Aktivisten weniger hart war, auf Lokalebene und auf der Basis einer ihnen geeignet scheinenden kommunistischen Politik eine kleine Untergrundorganisation führten. Nach Kriegsende brachte ihnen das seitens der offiziellen stalinistischen Führung - welche Moskau zu einer Allianz mit dem König ermunterte! - die Bezeichnung "Bordigo-Faschisten" oder "Bordigo-Trotzkisten" ein.
Ähnliches geschah in Spanien, wo Francos Sieg für manche Aktivisten kein Hindernis darstellte, den politischen Kampf weiterzuführen. Quinones, mittlerer Parteikader und Aktivist russisch-rumänischer Herkunft, kam 1931 als Ausbilder der Kommunistischen Internationalen nach Spanien, wo er 1941 die erste nationale Führung der Kommunistischen Partei Spaniens im Untergrund ins Leben rief. Seine Vergangenheit als Gefangener infolge der Niederlage der republikanischen Truppen sowie seine politischen und verschwörerischen Kenntnisse verschafften ihm das Vertrauen seiner Genossen und er konnte eine "innerer Leitung der Kommunistischen Partei Spaniens" um sich sammeln, die Boten in die verschiedenen Provinzen sendete, um die zerstreuten Kräfte zu einen.
Jedoch nicht alle kommunistischen Aktivisten waren Trotzkisten - auch Stalinisten befanden sich unter ihnen. Diese wussten nichts von der Vierten Internationale oder verachteten und hassten sie. Trotz der politischen Irrwege ihrer Führung aber blieben sie treue und wertvolle Kommunisten. Die Existenz dieser zehn Tausenden Aktivisten ermöglichte es Trotzki, eine neue Internationale zu gründen. Er rechnete fest damit, dass die verräterische und katastrophale Politik der stalinistischen Bürokratie diesen Menschen - ganz gleich, was sie zu jener Zeit fühlen mochten - eines Tages die Augen öffnen würde. Um ihnen eine Perspektive zu bieten, wenn es soweit sein würde, wollte Trotzki die Fahne einer neuen Internationale hissen.
Der Anlauf der amerikanischen Arbeiterbewegung und die Notwendigkeit, einen Weg zu den Aktivisten der Kommunistischen Partei der USA zu finden
Diese damalige Arbeiterbewegung, an welche Trotzki seine Hoffnung des Wiederaufbaus einer Internationale anknüpfte, das war auch, auf der anderen Seite des Atlantiks und in einem ganz anderen Zusammenhang, die neue Generation amerikanischer Aktivisten: Es handelte sich um Pioniere, professionelle gewerkschaftliche und politische Aufhetzer, Propagandisten des Klassenkampfs.
Während die Arbeiterbewegung des alten Europa dabei war, ihr Netz im Untergrund wiederaufzubauen, agierte jene des jungen, ebenfalls krisengeschüttelten Amerikas in aller Öffentlichkeit und in großem Maßstab.
In den USA erhielt der zunehmende Einfluss der Gewerkschaften angesichts der Wirtschaftskrise einen politischen Charakter. Die zahlreichen Kämpfe waren offensiv und überschwänglich, wie etwa der Generalstreik der Textilindustrie im Süden, der 400.000 Arbeiter mit sich zog: Ein energischer Aktivist hatte die Technik der "fliegenden Streikposten" perfektioniert. Die Streikenden zogen von Fabrik zu Fabrik und sobald sie die Schließung eines Betriebes erreicht hatten, sprangen sie in ihre alten Wagen, um das nächste Textilzentrum einzunehmen, bevor die Polizei sich organisieren und die Einrichtung von Streikposten verhindern konnte.
Zwischen 1934 und 1936 spielten Kommunisten, Stalinisten und Trotzkisten, eine wichtige Rolle in der Flut der Streiks für die Anerkennung des CIO (Congress for Industrial Organizations), einer neuen Arbeitergewerkschaft, welche der alten Zentrale AFL (American Federation of Labor) gegenüberstand. Der amerikanische Kommunismus härtete sich in den Klassenkämpfen ab.
In manchen dieser Kämpfe sah Trotzki eine Basis für ein revolutionäres Gewissen und die Aktionen der amerikanischen trotzkistischen Sektion, die für viele Intellektuelle zu sehr von der Arbeiterbewegung abgetrennt war. Er schlug ihnen vor:
"Die Genossen (die nicht durch ihre Arbeit an einen bestimmten Ort gebunden sind) könnten über die ganze Provinz hinweg in den industriellen Zentren verteilt werden. Am besten wäre es, so scheint mir, diese Kameraden in zwei oder drei 'Spezialbrigaden' einzuteilen und diese auf die ,Eroberung' einer Stadt oder eines Industriezweigs dieser Stadt anzusetzen".
1939 versuchte Trotzki vor allem, die Arbeit seiner amerikanischen Genossen zu lenken und diskutierte intensiv über die unbedingte Notwendigkeit, einen Weg zu den Aktivisten der Kommunistischen Partei zu finden.
Die lange Liste der Schwierigkeiten, mit denen solch ein Projekt konfrontiert war, beeindruckte Trotzki nicht im Geringsten. Er wusste, womit zu rechnen war und hätte die Liste noch ergänzen können. Seine Ausführungen waren unveränderlich: Für ihn war die Arbeiterbewegung der Dritten Internationale das einzig mögliche und bestimmende Umfeld für die Schaffung einer Vierten Internationale, wie sie ihm vorschwebte.
Natürlich handelte es sich um ein schwieriges Unterfangen und das gleich auf doppelte Weise: "Die erste Aufgabe", so Trotzki, "besteht darin, die Führung dieser Partei in den Augen ihrer Mitglieder in Verruf zu bringen [...] die Zweite setzt sich zum Ziel, so viele Mitglieder wie möglich aus den Reihen dieser Partei zu gewinnen".
Aber dies müsse geschehen, ohne sich zu entmutigen oder aufzugeben, im ständigen Bewusstsein, dass "ein Arbeiter, der von einer Organisation aufgeweckt wird, dieser immerwährende Dankbarkeit entgegenbringt" und dass "es ihm nicht leicht fällt, mit ihr zu brechen, besonders wenn sich ihm kein anderer Weg bietet. Wir betrachten ihn verfrüht als verloren. Das ist nicht angemessen".
Genauso wie sich die Dritte Internationale aus der Zweiten entwickelt hatte, konnte Trotzkis Vierte Internationale nur aus der Dritten entstehen, indem sie die besten Aktivisten, unter ihnen sogar die früheren Anführer, und breiten Masse in ihr Lager zog. Wo sonst hätte man Aktivisten finden können? Folglich war es unerlässlich, Zugang zu den Mitgliedern der Dritten Internationale zu erlangen, die als einzige kommunistisches Ideal sowie Kompetenz bewahrt hatten.
Trotzkis Perspektive im Vorfeld des Krieges
1938 erwartete Trotzki keine sofortige Kristallisation rund um eine neue Internationale oder eine unmittelbare revolutionäre Woge mehr. Unter den zahlreichen Hypothesen bezüglich ihrer Gründung fand sich auch jene, in der er in Betracht zog, dass eine solche Bewegung sich erst viel später formen könnte, "in vielen Jahren, inmitten von Trümmern und Ruinen, den Ergebnissen von Krieg und Faschismus".
Trotzki war sich 1938 bewusst, dass Krieg unvermeidlich war: die Generation der Dritten Internationale war nicht in der Lage gewesen, den revolutionären Weg wieder zu finden. Sobald aber das Proletariat besiegt oder neutralisiert wäre, könnten die Imperialisten untereinander ihre Rechnungen begleichen und damit die Proletarier auf das Kampffeld führen.
Einen zusätzlichen Umsturzfaktor sah Trotzki in der unvermeidlichen Verwicklung der UdSSR in den Zweiten Weltkrieg. Weder das eine noch das andere imperialistische Lager könnten es sich leisten, die UdSSR nicht einzubinden und folglich schwächer werden zu lassen, während sie selbst sich verstärkten. Wäre die UdSSR ein Jahr, nachdem Stalin die Rote Armee geköpft hatte, in den Krieg eingetreten, so wäre sie geschwächt und unter dem Einfluss eventueller Niederlagen zum Schauplatz sozialer Explosionen geworden.
Natürlich hätten die bürgerlichen Kräfte die Gelegenheit nützen und es der Arbeiterklasse mit der Unterstützung eines der imperialistischen Lager heimzahlen können; gleichzeitig hätte aber auch die Arbeiterklasse Lust verspüren können, gegen die Bürokratie Vergeltung zu üben. Mittels eines baldigen Krieges würde das russische revolutionäre Proletariat für Trotzki wieder zugänglich.
Um für diesen Fall vorbereitet zu sein, schuf Trotzki die IV. Internationale.
Die IV. Internationale zur Zeit ihrer Gründung
Bei ihrer Gründung hatte die neue Internationale ein Programm, das aus einer riesigen zusammenhängenden Menge von Analysen, Perspektiven und Kampfstrategien bestand.
Sogar Leopold Trepper, Anführer des "Roten Orchesters", eines der wichtigsten Informationsnetze des Zweiten Weltkrieges (und Instrument der stalinistischen Bürokratie, das auch den imperialistischen Alliierten zur Verfügung stand), zog in seinen Memoiren den Hut vor den Trotzkisten: "Sie bekämpften den Stalinismus mit aller nur denkbaren Energie und sie waren die einzigen ...". Gleichzeitig jedoch "darf nicht vergessen werden, dass sie uns gegenüber den riesigen Vorteil hatten, über ein zusammenhängendes politisches System zu verfügen, das den Stalinismus ersetzen hätte können ...".
Natürlich vergessen die Trotzkisten nicht und sie wissen, dass es ungeheuer ist. Aber es ist ihnen auch bewusst, dass gerechtfertigte Ideen und sogar zusammenhängende Programme nicht ausreichen, um zu überzeugen.
Als die IV. Internationale 1938 ausgerufen wurde, war sie sehr schwach. Trotzki versuchte nicht, dieses zu verbergen und erklärte, dass "die weltpolitische Situation in ihrer Gesamtheit vor allem durch die historische Krise der Führung des Proletariats gekennzeichnet ist". Es war dies der erste Satz des Übergangsprogramms, das die Gründungserklärung der IV. Internationale darstellte.
Eine weltweite Partei, die für die sozialistische Revolution kämpfte, gab es nicht und Trotzki war wahrscheinlich nie zuvor so isoliert gewesen wie jetzt. Es war ihm weder gelungen, eine Führungsmannschaft zu bilden, noch hatte er eine bedeutende Gruppe der Arbeiterbewegung für sich gewinnen können. Genauso wenig schaffte er es, der Leitung der II. und III. Internationale und der Gewerkschaftsbewegung Aktivisten abzuwerben.
Was die Zahl der Mitglieder betraf, war die neue Internationale also sehr klein, auch wenn weltweit schon vielerorts Anhänger oder Gruppen existierten. An der ersten Konferenz der IV. Internationale, die 1936 in Paris stattfand, nahmen Vertreter der Gruppen aus Frankreich, Belgien, Holland, Großbritannien, der Schweiz, Deutschland, Italien, der UdSSR und den USA teil. Weitere 22 Länder verfügten über Gruppen, die jedoch nicht anwesend sein konnten.
Bei manchen der Abwesenden lag die Ursache in äußeren Umständen, etwa Diktatur und Unterdrückung in ihrem Land. Beim Großteil jedoch handelte es sich nur um ein weiteres Zeichen der extremen Schwäche der jeweiligen Gruppen. Trotzdem gab es bereits auf allen fünf Kontinenten Trotzkisten.
Aber nicht die geringe Zahl an Mitgliedern war die größte Schwäche der neuen Internationale, sondern das politische Profil der Aktivisten, ihre soziale und politische Herkunft und Vergangenheit sowie ihre Verbindungen mit der Arbeiterklasse und der Arbeiterbewegung.
James Cannon, einer der Gründer der amerikanischen Kommunistischen Partei, der 1928 zum Trotzkismus übergegangen war, stellt eine Ausnahme dar.
Chen Duxiu, Gründer der Kommunistischen Partei Chinas, der nach dem Scheitern der Revolution 1937 zum Trotzkismus übertrat, hätte eine weitere Ausnahme sein können, doch er wurde von Tschiang Kai-schek verhaftet und saß anschließend in dem von den Japanern besetzten China fest, wo er bald sterben sollte. Er war demzufolge von der neuen Internationalen isoliert und stellte keinen Nutzen für sie dar.
Die meisten Aktivisten waren Intellektuelle und kamen, sofern sie überhaupt über eine politische Vergangenheit verfügten, von der Sozialdemokratie und nicht von den Kommunistischen Parteien der III. Internationale. Im günstigsten Fall hatten sie einen kurzen Aufenthalt in einer Kommunistischen Partei hinter sich, jedoch zu einem Zeitpunkt, als diese Parteien bereits von der stalinistischen Bürokratie geführt wurden. Das Quäntchen Politik, das sie dort gelernt hatten, hatte mit Leninismus oder Bolschewismus nichts mehr zu tun.
Viele Aktivisten, die einige Jahre zuvor in der III. Internationale zur Linken Opposition übergewechselt hatten, waren schon nicht mehr da. Nur diese hätten die wirklichen revolutionären Traditionen des Bolschewismus und der Dritten Internationale überliefern können.
Die Russen, etwa Sedow, der Sohn Trotzkis, oder der Deutsche Klement waren von den Handlangern Stalins oder Hitlers getötet worden. Andere waren nach rechts gedriftet, wie zum Beispiel Andres Nin in Spanien.
Die Kräfte der IV. Internationale übertrafen daher 1938 nicht jene, über welche die Linke Opposition 1933 verfügte. Zusätzlich hatten drei Viertel der Oppositionsmitglieder von 1933 fünf Jahre später bereits mit dem Trotzkismus gebrochen.
Trotzki war sich der Natur der Menschen, die er in der IV. Internationale um sich sammelte, bewusst und kam unzählige Male darauf zu sprechen. 1939 bemerkte er:
"Diese Stimmung ist charakteristisch für alle Gruppen, die sich unter unserer Fahne sammeln. Es gibt unter ihnen, mutige Elemente, die nicht mit dem Strom schwimmen wollen: Das ist ihr Charakter. Andere sind intelligent und haben einen schlechten Charakter. Sie sind undiszipliniert und ständig auf der Suche nach einer immer radikaleren und unabhängigeren Tendenz: Dabei sind sie auf uns gestoßen. Aber sowohl die einen als auch die anderen sind mehr oder weniger Außenseiter, abseits der allgemeinen Tendenz der Arbeiterbewegung. Ihr großer Wert hat seine Nachteile, denn wer gegen den Strom schwimmt, kann sich nicht mit den Massen verbinden. Zu ihnen gehören eine große Zahl an Intellektuellen oder Emigranten, die also auch abseits stehen. Eine revolutionäre Bewegung setzt sich während ihrer Konstruktion nicht vorwiegend aus Arbeitern zusammen. Natürlich sehen wir uns verpflichtet, die soziale Zusammensetzung unserer Organisation zu kritisieren und zu verändern, doch müssen wir verstehen, dass diese nicht einfach vom Himmel gefallen ist, sondern aus einer objektiv gegebenen Situation und unserer historischen Mission zu eben jener Zeit entstanden ist."
Zweifellos erklärten die äußeren Umstände die soziale und politische Zusammensetzung der entstehenden IV. Internationale: seit zehn oder fünfzehn Jahren befanden sich Arbeiter- und revolutionäre Bewegung auf dem Rückzug. Den Worten Trotzkis zufolge "folgte eine Niederlage der anderen, breitete sich der Faschismus über die ganze Welt aus und nahm der offizielle Marxismus die Gestalt einer kolossalen Täuschungsmaschine der Arbeiter an."
Zur Zeit der Gründung der IV. Internationale war es dem Stalinismus bereits gelungen, die revolutionäre marxistische Bewegung von der allgemeinen Arbeiterbewegung abzutrennen. Dies geschah zuerst auf physischer Ebene: die besten ihrer Generation wurden durch Gefangenschaft und Mord ausgeschaltet. Auf politischer Ebene präsentierte sich das Regime den Massen weiterhin als Nachfolger der russischen Revolution und des Bolschewismus.
Denn in den entscheidenden Jahren des Kampfes der Linken Opposition in der III. Internationale hatten die Stalinisten den ultralinken Kurs der dritten Periode eingeschlagen. Es handelte sich dabei um eine zeitlich begrenzte und nur scheinbar radikale Richtung, deren Aufgabe es war, die nächste ultra-opportunistische Periode vorzubereiten, also die der Volksfrontpolitik. Aber dieser Kurs erlaubte dem Stalinismus, radikaler als die Linke Opposition zu erscheinen und trug zu deren Isolierung bei.
Die objektiven Verhältnisse erklärten die Situation der revolutionären Bewegung hinreichend. Aber die alleinige Feststellung der Tatsachen war nicht ausreichend und die Revolutionäre sahen sich nun gezwungen, die äußeren Umstände zu verändern, was auch Trotzki selbst betonte. Dies jedoch gelang ihnen nicht - weder damals noch in den folgenden fünfzig Jahren, aus welchen Gründen auch immer.
Es war vor allem dieser Zustand der IV. Internationale, der Trotzkis Ermordung zu einer wahren Tragödie werden ließ. Nicht nur die Tiefe seines Denkens machte ihn zu einem außergewöhnlichen Führer und seinen Verlust zu einer Katastrophe für die Bewegung, sondern als praktisch einziger verkörperte er in dieser IV. Internationale die revolutionäre Tradition. Andere Mitglieder mochten zwar wertvoll sein, doch fehlte ihnen diese Tradition. Trotzki war, neben seinen intellektuellen Fähigkeiten, der einzige, der über ausreichende Erfahrung verfügte, auf welche die Bewegung aufbauen konnte. Zusätzlich hatte er genug Einfluss und Prestige, um die Aktivistengenerationen der III. Internationale während des Weltkrieges von seiner Politik zu überzeugen.
Trotzki war außerdem der einzige, der die Erfahrung der proletarischen revolutionären Bewegung - besonders die des Bolschewismus und des Leninismus- überliefern konnte. Mit seinem Tod riss eines der wichtigsten Bänder zu alledem. Das war der Grund, warum er am 21. August 1940 in Coyoacan ermordet wurde.
2 - Das Missgeschick der IV. Internationale nach dem Tod Trotzkis
Mit Trotzkis Tod riss der menschliche Faden, der die Aktivisten der IV. Internationale mit der revolutionären Generation der 20er Jahre verband.
Die Führer der IV. Internationale, die offiziellen Testamentsvollstrecker Trotzkis, waren nicht in der Lage, das organisatorische Erbe und die revolutionäre Praxis der besten Jahre der III. Internationale zu vermitteln und noch weniger, sie zum Gedeihen zu bringen.
Diejenigen, die dem Trotzkismus treu blieben, garantierten bestenfalls die Weitergabe der revolutionären Theorie, des revolutionären Programms. Angesichts der Tatsache, dass viele anderen sogar diese theoretischen Grundsätze über kurz oder lang fallen ließen, war das schon sehr viel. Ihnen verdanken wir, dass es heute trotzkistische Aktivisten und Gruppen gibt - Menschen, die sich für den revolutionären Kommunismus und die weltweite proletarische Revolution einsetzen. Doch für die Schaffung einer neuen Partei mit dem Ziel einer weltweiten proletarischen Revolution, für welche die IV. Internationale kämpfte, war das bei weitem nicht ausreichend.
In den Jahren nach Trotzkis Tod sahen sich die Organisationen und Aktivisten der IV. Internationale mit der Tragödie und den Schwierigkeiten des Weltkrieges konfrontiert. Doch das erklärte nicht alles und war auch kein Grund für ihre Wirkungslosigkeit in der Nachkriegszeit - die IV. Internationale war genau für solche Perspektiven gegründet worden.
Die Geschichte der IV. Internationalen und der trotzkistischen Bewegung nach dem Tod Trotzkis ist jene einer ideo1ogischen Bewegung, die über Anhänger in der ganzen Welt verfügt. Diese sind jedoch zahlenmäßig schwach und praktisch ohne Einfluss auf die Arbeiterklasse und -bewegung; es bestehen nur wenige Verbindungen.
Eine Kluft trennt sie vom wirklichen Klassenkampf, der weitergeht, obwohl die revolutionäre marxistische Bewegung praktisch keine Rolle mehr spielt. Aber diese Kluft lässt die trotzkistische Bewegung wie eine lächerliche machtlose Sekte erscheinen, was ihre Gegner nur zu gern hervorheben, um glauben zu machen, dass der Trotzkismus überholt ist.
Und tatsächlich könnte die Geschichte der IV. Internationale, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen, oft auf eine Unmenge von Streits über Definitionen oder Slogans und die daraus folgenden Aufspaltungen reduziert werden, was unsere Feinde erfreut und von unseren Freunde tief bedauert wird.
Aktivisten, die weder Einfluss auf den wirklichen Kassenkampf, noch Verbindungen zur wirklichen Arbeiterbewegung haben, neigen dazu, sich mit Wörtern zu berauschen, da sie nicht handeln können. Es ist einfach, viel zu sagen und nichts zu tun, sich aufzuspalten, wenn die gemeinsame Kraft sowieso nicht größer ist als die der einzelnen Gruppierungen.
Aber das Schlimmste ist, dass nach Trotzkis Tod die IV. Internationale sowie die meisten ihrer Gruppen und die Splittergruppen politischen Linien folgten, die nur Irrgänge der bestehenden Hauptströmungen waren. Diese Änderungen wurden durch angeblich erhöhte Effizienz gerechtfertigt. In manchen Fällen wurde diese Politik lediglich als Strategie präsentiert, in anderen entstanden daraus politische Theorien.
Immer jedoch wurde der Kern der revolutionären kommunistischen Politik mehr oder weniger in Frage gestellt bzw. vollständig aufgegeben: Die Notwendigkeit, in allen nur möglichen politischen Umständen und lang- und kurzfristigen Verbindungen die politische und organisatorische Unabhängigkeit des Proletariats zu bewahren, zu verteidigen oder aufzubauen. Ebenso unerlässlich war es in der Folge, die politische und organisatorische Unabhängigkeit der revolutionären Arbeiterpartei, jener der kommunistischen Proletarier, zu gewährleisten.
Im Gegensatz dazu folgten viele Gruppierungen politischen Tendenzen, durch welche die Arbeiterklasse nicht oder nicht mehr vertreten war, was zu einer gegen die Arbeiterklasse gerichteten Politik der trotzkistischen Splittergruppen führte.
Während des Zweiten Weltkrieges und des Widerstandes etwa traten mehrere französische trotzkistische Gruppen für die Widerstandsbewegung ein, d.h. sie verbanden sich mit stalinistischen und gaullistischen Nationalisten.
Um 1950 schlug Michel Pablo der IV. Internationale vor, sich in die stalinistischen oder sozialdemokratischen Organisationen einzugliedern, da diese allein in der Lage wären, in den nächsten Jahren (und sogar in den nächsten "Jahrhunderten", schreibt er) eine revolutionäre Rolle zu spielen, wenn auch wider Willen. Es handelte sich hierbei nicht um eine bloße Panikreaktion angesichts der schwierigen Umstände während des Kalten Krieges - Pablo wollte die seit zehn Jahren vorherrschende Politik bis zum Äußersten führen und diese Überlegung stand ganz in ihrem Sinne.
In den folgenden Jahren sollte das Vereinigte Sekretariat der IV. Internationale und auch Pablo selbst schrittweise von ihrer Politik, vor allem jener der 50er Jahre, abkommen. Fortgesetzt wurde jedoch die systematische Suche nach politischen Kräften, die sowohl das revolutionäre Proletariat als auch die revolutionäre kommunistische Partei ersetzen konnten. Auch wenn noch immer von einer solchen kommunistischen Partei die Rede war, hatte man in Wirklichkeit schon aufgegeben.
Daher folgten die Trotzkisten der Reihe nach zuerst Tito, dann Mao, später der algerischen FLN, Castro, Ho Chi Minh, Arafat, dem südafrikanischen ANC, Tjibaou (Unabhängigkeitskämpfer der 80er Jahre, Neukaledonien) usw.
Jede dieser Entscheidungen wurde von einem Teil der trotzkistischen Bewegung bekämpft. Leider geschah dies meistens im Namen von Kurswechseln, die nicht besser und genauso opportunistisch waren. In den 50er Jahren etwa existierten in Frankreich zwei Fraktionen der Internationalen Kommunistischen Partei, Vorgänger der heutigen LCR und PCI (die heutige PT, Partei der Arbeitenden), die sich entschlossen gegenüberstanden. Die LCR hatte sich entschieden, die algerische FLN zu unterstützen, während die PCI für die MNA eintrat. Weder die eine noch die andere nationalistische Bewegung waren jedoch sozialistisch oder proletarisch.
Das erklärt, warum die Bilanz 50 Jahre nach der Gründung der IV. Internationale so gering ist - ihr Einfluss auf die Arbeiterklasse, ihr Eingreifen in den Klassenkampf sind nicht größer geworden, genauso wenig wie die Zahl ihrer Anhänger. In der Tat hat sich die trotzkistische Bewegung weiter aufgespaltet.
Zu Gunsten der Trotzkisten sei jedoch erwähnt, dass ihre Bewegung die einzige war, die sich ohne Unterbrechung links des Stalinismus hielt - Beweis für die Gültigkeit des trotzkistischen Programms und die Qualität der Aktivisten, die es trotz irriger Politik und unter schwierigen Umständen verteidigten.
Lutte Ouvrière hat sich unabhängig von den anderen Organisationen entwickelt, die sich auf die IV. Internationale berufen, um frei eine Politik führen und verteidigen zu können, die jeglichen Kompromiss bezüglich der Grundfragen politischer und organisatorischer Unabhängigkeit des Proletariats ablehnt.
Lutte Ouvrière wurde aber auf der Grundlage des trotzkistischen Programms und - trotz tiefgehender Differenzen - in der Beziehung zur trotzkistischen Bewegung begründet. Das bedeutet, dass die Existenz von Aktivisten und Gruppen, die in Frankreich und weltweit das trotzkistische Programm vertraten - auch wenn sie eine Politik führten, die in Widerspruch zu jenem stand - eine Rolle gespielt und uns geholfen hat. Wir sind uns dessen bewusst und erkennen es an. Aus diesen Gründen ordnen wir uns der trotzkistischen Bewegung zu und fühlen uns trotz ihrer Schwächen (oder dem, was wir dafür halten) mit ihr solidarisch.
Deshalb sind wir Trotzkisten - vollkommen und bedingungslos!
3 - Worauf beruht die Hoffnung der Revolutionären Internationalisten heute?
Das ist also die Bilanz der Vergangenheit und des Passivs.
Zu unserer Entlastung sei gesagt, dass es nicht leicht ist, revolutionäre Organisationen aufzubauen und Aktivisten auszubilden, wenn die historischen Verhältnisse insgesamt nicht revo1utionär sind.
Das bedeutet nicht, dass es im Verlauf der letzten Jahrzehnte keine Umstände gegeben hätte, die in einer revolutionären Situation hätten münden können, hier wie überall auf der Welt. Hat man einmal die Gelegenheit verpasst, bietet sich innerhalb kurzer Zeit kaum eine zweite oder dritte Chance.
Aber vielleicht ist es gerade das, was sich seit Anfang der 80er Jahre weltweit zu ändern im Begriff ist. Die lange Atempause für den Imperialismus, die auf den letzten Weltkrieg folgte und durch den Schock der Revolutionen gegen die Kolonialherrschaft nicht untergraben wurde, endete wahrscheinlich mit dem Anfang der Wirtschaftskrise. Dies geschah zu einer Zeit, als sich die Marktwirtschaft rasender als je zuvor in der Welt verbreitete.
In der Tat führt die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft zu günstigen Bedingungen für die Wiedergeburt der internationalen revolutionären proletarischen Bewegung, etwa zur Erneuerung einer Internationale, die ihren Namen verdient.
Die objektiven Verhältnisse der kapitalistischen Gesellschaft werden vielleicht bald sehr günstig sein für die Wiederauferstehung einer weltweiten revolutionären proletarischen Bewegung und die Entwick1ung einer wirklichen Internationale.
Die Dritte Welt verliert ihren ländlichen Charakter
Während der letzten 30 Jahre konnten wir in der gesamten Dritten Welt eine urbane Revolution beobachten. Das trifft für die Länder zu, die man "die neuen Industrieländer" nennt, aber auch für jene, deren Wirtschaft weit zurückgeblieben ist. Diese urbane Explosion, welche die Lebensbedingungen der Bevölkerung erschüttert, ist jedoch nicht nur eine industrielle Revolution, wie sie im Europa des 19. Jahrhunderts stattgefunden hat. Betroffen sind jetzt zehn bis hundert Mal mehr Menschen als im letzten Jahrhundert und das in nur einem Drittel der Zeit.
Es ist noch nicht sehr lange her, als London und New York die größten Agglomerationen der Welt darstellten. Diese urbanen Auswucherungen mit ihren riesigen proletarischen Vororten schienen in den imperialistischen Ländern ihre maximale Ausdehnung erreicht zu haben.
Heute, im Jahre 1988, haben Kairo, Jakarta, Buenos Aires, Seoul und Kalkutta die 10-Millionen-Grenze überschritten. Knapp dahinter liegen Manila, Teheran, Istanbul und sogar Bogota in Kolumbien, dem kleinen Land der Hochebenen und Berge mit seinen stets wiederkehrenden Bauernaufständen. Bald werden diese Städte 10 Millionen Einwohner zählen, so wie Moskau, Chikago und Paris.
Und dabei ist das alles nichts im Vergleich zu den neuen städtischen Galaxien wie Rio de Janeiro, Peking und Schanghai mit 15 Millionen Einwohnern oder Sao Paulo und Mexiko-Stadt, deren Bevölkerung jetzt wie jene Tokio-Yokohamas die 20 Millionen-Grenze übersteigt.
Das Angesicht unseres Planeten wurde dadurch merklich verändert. Einige Beispiele verdeutlichen dieses Phänomen: vor nicht einmal 20 Jahren zählte zwar der größte Teil der weltweiten urbanen Bevölkerung zu den Industrienationen. Damit lagen sie jedoch nur mehr um 3 Millionen vor der Zahl der Entwicklungsländer.
Das ist vorbei. Seit 1985 hat sich die Situation ins Gegenteil gekehrt: die Länder der Dritten Welt zählen heute 300 Millionen mehr Städter als die Industrieländer. Laut UNO-Statistiken wird die urbane Bevölkerung der armen Länder am Ende des Jahrtausends (in nur 12 Jahren) doppelt so groß sein wie jene der industrialisierten Welt. Bei diesen prozentuellen Berechnungen ist allerdings zu beachten, dass auch die urbane Bevölkerung der reichen Länder stetig wächst.
In 50 Jahren wird der vorwiegend ländliche Charakter der Dritten Welt verschwunden sein.
Die objektiven Bedingungen für die proletarische Revolution sind nicht verkommen, sondern noch reifer geworden
Jahrelang haben viele Trotzkisten Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution zermartert und ihr blutleer und kraftlos die Aussage abgepresst, dass die Zukunft des Planeten nicht mehr dem Proletariat, sondern den Bauernmassen der armen Länder gehöre. Das alles, um den Theoretikern der Dritte-Welt-Bewegung nacheifern und in allen theoretischen Ehren unter die Fahnen der nationalistischen Führer eilen zu können.
Wir haben gesehen, dass die Kolonialrevolutionen und ihre nationalistischen Führer die Hoffnungen und die Versprechen, die sie in der westlichen linksradikalen Intelligenz geweckt hatten, nicht gehalten haben. Ein nach dem anderen sind ihre Regime zu Diktaturen geworden. Die neugewonnene Unabhängigkeit bedeutete für sie lediglich die Unabhängigkeit von den Massen, die an vorderster Front für sie gekämpft hatten. In Wirklichkeit aber unterwarfen sie sich mehr als jemals zuvor dem politischen und wirtschaftlichen Diktat der westlichen Wucherer.
Wie sollte man sich am besten an die Bauernmassen wenden? Welches wären die magischen Formeln, mit deren Hilfe man den Bauernstand der armen Länder und seine nationalistischen Führer dazu bringen könnte, die proletarische Revolution zu verwirklichen, - und das, ohne es zu wissen, ohne es zu wollen und sie sogar zu bekämpfen?
Die linksradikalen Strategen waren um eine Antwort verlegen, nicht aber der Imperialismus selbst. Seine Antwort war genauso wild wie endgültig: die Gesetze des weltweiten kapitalistischen Markts, die den Regimes der Dritten Welt im Guten oder im Bösen aufgezwungen wurden, fegten Berge und Dörfer leer und die Landbevölkerung vergrößerte - mit oder ohne Arbeit - das riesige städtische Proletariat der neuen Megapolen.
Mit Lenins bolschewistischer Revolution fand 1917 die Geschichte in dem gewaltigen Bauernland, das Russland damals darstellte, einen kürzeren Weg.
Die Permanente Revolution bedeutete, dass es möglich war, unter der Führung eines jungen und gesammelten Proletariats die Etappe der bürgerlichen Revolution überspringen zu können. Das geschah zum Teil in der UdSSR, wo die Entwicklung anschließend rückwärts verlief. In China kam es jedoch 10 Jahre später aufgrund des Stalinismus nie zu einem solchen Sprung. Mit dem Zweiten Weltkrieg hätte die europäische Revolution Antrieb der Entwicklung der Länder, die man später Dritte Welt genannt hat, sein können. Aber auch dazu kam es nicht.
Ist es heute, nach all diesen verratenen, besiegten oder verunglückten Revolutionen, nicht zu spät? Sind die objektiven Verhältnisse der proletarischen Revolution verkommen? Nein - denn letzten Endes hat der Imperia1ismus mit seinen brutalen Methoden und historischen Umwegen in diesen Ländern die bürgerliche Revolution vollzogen: Er hat sich der Entkolonialisierung angepasst, hat dabei aber die Dritte Welt massiv verstädtert.
Diese Verstädterung hatte keine wirklich industrialisierte Wirtschaft zur Folge, aber sie hat zur Entwicklung eines Proletariats beigetragen, das mächtiger als die Bourgeoisie jener Länder ist. In diesem Sinn kann man behaupten, dass die objektiven Verhältnisse der proletarischen Revolution noch lange nicht verkommen, sondern, ganz im Gegenteil, gereift sind.
Heute ist es also nicht mehr notwendig, die bürgerliche Revolution zu überholen. Was das Proletariat der armen Länder sowie jenes der kapitalistischen Industrienationen betrifft, so ist es in der Lage, die Macht zu übernehmen und im Herzen der Metropolen, in denen es konzentriert ist, die proletarische Demokratie auszuüben.
Zu jenem Zeitpunkt, als die Hochburgen des westlichen Imperialismus ihre 1973 beginnende Wirtschaftskrise in die Länder der Dritten Welt und des Ostblocks exportierten, kam es in allen Staaten dieser Dritten Welt zu einer massiven und raschen Proletarisierung.
Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten.
Es war kein Zufall, dass in einem Land wie den Philippinen vor zwei Jahren 500.000 Menschen in Manila auf die Straße gingen und die amerikanische Armee dazu brachten, den alten Diktator Marcos fallen zu lassen - der achtzehnjährige Kampf der kommunistischen Guerilla in den Bergen hatte nie das Regime zum Wanken gebracht.
Genauso wenig war es Zufall, dass es im Sommer letzten Jahres in Südkorea zu einer Streikwelle der Arbeiter kam, die einen Monat lang das ganze Land in Atem hielt. Dieses im Kalten Krieg geborene halbe Land, Standpunkt einer der wichtigsten US-amerikanischen Militärstützpunkte, sollte in Asien unbezwingbarer Vorposten des Westens gegenüber dem so genannten "kommunistischen" Lager sein.
Diese Arbeiter, deren Fügsamkeit und niedrige Löhne von französischen Unternehmern gelobt wurden, fanden sich auf einen Schlag in der dynamischsten Arbeiterbewegung der Welt wieder. Sie können uns jetzt als Vorbild dienen, wenn auch nicht in dem von den Arbeitgebern erhofften Sinn.
Diese Ereignisse sind untrennbar verbunden mit dem Anstieg der städtischen Bevölkerung, die sich von 1965 bis 1985 genau verdoppelt hat: ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg von 30% auf 60% und ist heute wahrscheinlich noch höher. Parallel dazu wuchs das Proletariat.
Das alles erinnert uns an das, was vor 90 Jahren im zaristischen Russland geschehen ist, wo der Arbeiteraufstand - von Streiks bis zur revolutionären Arbeiterbewegung - der Entwicklung des russischen Kapitalismus auf den Fuß folgte. Damals strömten tausende Muschiks in die industriellen Zentren und schlossen sich der Arbeiterbewegung an, der sie bis zu ersten Revolution 1905 folgten. Auf diese Weise leiteten sie die spontane und massive Streikwelle ein, die die Mitglieder der damaligen europäischen Arbeiterparteien so tief beeindruckte.
Der einzige Unterschied ist, dass dieses Phänomen heute in zahlreichen Ländern und in einem weitaus größeren Ausmaß existiert.
Aber nicht nur in Lateinamerika, Afrika und Asien kam es zu einer raschen Verstädterung und Proletarisierung. Das gleiche geschah auch in der UdSSR und den Ländern des Ostblocks.
Es handelte sich dabei um Staaten wie Rumänien, dessen städtische Bevölkerung sich ebenfalls innerhalb von 20 Jahren verdoppelt hatte und wo es trotz des Ceaucescu-Regimes seit einigen Jahren zu Streikwellen der Arbeiter kommt, vor denen die Regierung bereits mehrmals kapitulieren musste. Das traf etwa letztes Jahr für den Arbeiterstreik in Random zu, der einen beinahe aufständischen Charakter annahm.
Dasselbe gilt für Polen, das früher als Rumänien industrialisiert wurde, aber dessen städtische Bevölkerung trotzdem in den letzten 20 Jahren von 50 auf 60% angewachsen ist. Das hatte jene politischen und sozialen Auswirkungen zur Folge, die wir bereits kennen.
Auch in der UdSSR selbst, wo die Diktatur der Bürokratie eine scheinbar hoffnungslose Stabilität angenommen hatte, war die Situation ähnlich: innerhalb von 20 Jahren wurden mehr als 1.000 neue Städte mit genauso vielen Industriezentren gegründet. Die bereits bestehenden Städte wuchsen weiter. Heute leben 70% der Russen in Städten, gegenüber lediglich 50% vor 20 Jahren.
Sogar Armenien und Aserbaidschan sind zu hoch industrialisierten Regionen mit gewaltigen Produktionseinheiten geworden - eine Fabrik mit 3.000 Arbeitern gilt dort als klein. Dabei spricht man aber über die "nationale Frage Berg-Karabachs" heute noch genauso wie vor 150 oder 100 Jahren, als der Kaukasus in genauso viele Guerillas geteilt war als es Bergvölker gab.
Nicht die alten nationalistischen Parolen, die die Führer der armenischen Massen der demokratischen Bewegung aufgezwungen haben, sorgen Gorbatschow. Schließlich könnten sich alle Arbeiter Russlands, die der Willkür der Lokalbürokraten ausgesetzt sind, demokratischen Forderungen anschließen. Was die russische Führung fürchtet ist vielmehr die spezifisch proletarische Waffe, die eingesetzt wird, um diesen Forderungen Nachdruck zu geben: Streik. Gorbatschow fürchtet, dass sich diese Streiks in der russischen Arbeiterklasse ausbreiten.
Natürlich kann man einwenden, dass die fortschreitende Verstädterung nicht überall mit einer industriellen Proletarisierung der Bevölkerung einhergeht, so wie das in der UdSSR, im europäischen Ostblock und in Korea der Fall war - das neue, großteils arbeitslose Proletariat der Elendsviertel kommt eher einem Unter-Proletariat gleich.
Das Proletariat der Dritten Welt ist Teil des Weltproletariats
Aber ist das Proletariat der Dritten Welt, das die neue industrielle Reservearmee bildet, wirklich marginalisiert und unterpolitisiert?
Es ist nicht mehr und nicht weniger marginalisiert und unterpolitisiert als die Arbeiterklasse, die Engels 1843 in England beschrieb und die Marx zu Das Kapital inspirierte und in der er den Totengräber der Bourgeoisie sah. Doch angesichts der aktuellen Weltwirtschaftskrise und des Fortbestands des Imperialismus mit seinen Widersprüchen ist die Verstädterung der armen Bevölkerung brisanter geworden. Es genügt sich umzusehen: zwischen den Proletariern aus Pariser Vororten und jenen aus den Armenvierteln Dakars, Abidschans, Casablancas oder Algiers gibt es keine moralische, politische und kulturelle Kluft - kein Wunder, es sind oft die gleichen!
Ein marokkanischer Arbeiter, der nach 10 oder 15 Jahren Beschäftigung bei Citroën oder Renault seine Familie in Casablanca besucht, erkennt sein altes Viertel genauso wenig wieder wie ein französischer Arbeiter, der in seinen Geburtsort zurückkehrt. Die Pariser Vorort-Baracken, die man hinter sich lässt, findet man in Dakar wieder - dieses Mal ohne Strom und Abfluss, aber mit der gleichen Mentalität. Fernsehen empfängt man mittels illegaler Anschlüsse, denn für Elektrizität benötigt man zuerst einmal Geld. In den Schwarzenghettos von Los Angeles, Chikago oder Washington stapelt man den Müll ebenfalls am Dach, weil die Stadt nicht genug Geld hat, um die Straßenreinigung zu bezahlen und man eine Rattenplage verhindern will.
Die kulturelle Kluft ist nicht mehr das, was sie einmal war.
In diesen Elendsvierteln lernt man in wenigen Jahren mehr als in einem ganzen Leben im alten Dorf, denn unter anderem verkehrt man hier mit Arbeitern Dutzender Nationalitäten, die alle auf Arbeitssuche sind.
Als Marx im vergangenen Jahrhundert die unvermeidlichen Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft analysierte, handelte es sich lediglich um eine kühne theoretische Vorausnahme, die mit dem Ersten imperialistischen Weltkrieg zur unmittelbaren Realität wurde und sich seither tragisch bestätigt sieht. Aber jedes Mal hat die Niederlage des Proletariats der kapitalistischen Gesellschaft eine weitere Galgenfrist ermöglicht.
Der ungeheure Fortschritt - ausgehend von industrieller Produktion und Verstädterung, modernen Kommunikations- und Verkehrsmitteln sowie Radio und Fernsehen - hat unseren Planeten verkleinert, obwohl gleichzeitig die Bevölkerung drastisch gestiegen ist.
Die Voraussagen von Marx sind mehr als je greifbare Wirklichkeit geworden.
Eine Zeit der sozialen Krisen und Revolutionen entgegen
Die armen Länder haben die erste Rechnung der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise bezahlt und es fanden Anfang der 80er-Jahre von Kairo, über Rio de Janeiro und Sao Paulo bis Tunis und Casablanca eine Reihe von Hungeraufständen statt. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Seitdem hat sich die Lage weiter verschlechtert und in manchen Ländern kam es zu regelrechten sozialen Unruhen. Auf Haiti, den Philippinen, in Korea oder Birma wurde so direkt das Problem einer sozialen Revolution gestellt, ähnlich wie 1905 und 1917 in Russland. Innerhalb Europas nahmen die Streiks in den empfindlichsten Ländern zu, etwa in Rumänien, Polen oder Jugoslawien und sogar in England.
Aber bereits seit 5 oder 6 Jahren befinden wir uns in einer neuen Weltwirtschaftskrise und die Regierungen der imperialistischen Bourgeoisie unter amerikanischer Führung haben beschlossen, auch diese Rechnung von den armen Ländern und der armen Bevölkerung der reichen Länder begleichen zu lassen.
Während sie die Arbeitslosigkeit ausnützt, führt die Bourgeoisie der verschiedenen westlichen Staaten einen abgekarteten Wirtschaftskrieg gegen ihr eigenes Proletariat: dieses soll allmählich jene Lebensbedingungen annehmen, die bis jetzt nur in der Dritten Welt herrschten - unsichere Arbeitsplätze, kleine Jobs, niedrige Löhne, Verminderung bzw. Abschaffung der Arbeitslosenunterstützung und anderer sozialer Schutzmaßnahmen.
Wie so oft kann Nordamerika als Vorbild gelten: Dort behauptet man, die Arbeitslosigkeit eingebremst zu haben. In Wirklichkeit hat man jedoch lediglich erreicht, dass inzwischen nicht nur die arbeitslose Bevölkerung arm und obdachlos ist, sondern auch die Menschen, die Arbeit haben. Sehr arm zu sein, obwohl man über einen Arbeitsplatz verfügt, ist heute in den USA keine Seltenheit mehr.
Die Streiks und beginnenden Revolutionen, die 1.000 oder 10.000 Kilometer weit weg stattfinden und die wir über das Fernsehen erleben, könnten bald auch für die Arbeiterklasse der reichen Länder Wirklichkeit werden. Diese Staaten verfügen über drei Viertel der weltweiten Wirtschaftsmacht, obwohl ihre Bevölkerungszahl bei weitem niedriger ist als jene der Dritten Welt.
Die lange Zeit der sozialen Ruhe und Unterwerfung der westlichen Arbeiterklasse auf Kosten der Bevölkerung der Dritten Welt ist dabei abzulaufen.
Die Höflichkeiten, die Reagan und Gorbatschow austauschen, brauchen niemanden zu täuschen - die aktuelle Entspannung der Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR bedeutet zweifellos nichts anderes als ein politisches und soziales Jalta, mit dem möglichen Explosionen vorgebeugt werden sollte. Es handelte sich um einen Versicherungsvertrag, in dem sich beide Seiten verpflichteten, sich nicht in die Belange einzumischen, die das Einflussgebiet des Partners betrafen.
Das ist jedoch nur möglich, solange beide Mächte auf soziale Stabilität bauen können - wie lange wird das noch der Fall sein?
Die Übermittlung des internationalistischen proletarischen Erbes an die kämpfende Generation, die sich heute in den Reihen der Ausgebeuteten entwickelt
In der ganzen Welt existiert heute eine junge Generation von Aktivisten aus dem städtischen Proletariat, die sich in Umständen, die zu einer Revolutionen geführt haben oder führen könnten, geformt hat.
Es ist dies eine kämpferische Generation, die sich aus Hunderttausenden jungen Proletariern und entwurzelten Jugendlichen zusammensetzt und bereit ist, in den protestas ihr Leben zu lassen. Das gilt auch für die Streiks und Demonstrationen von Kapstadt und Johannesburg bis Manila, Seoul und Rangun sowie für die Aufstände im Westjordanland und im Gaza-Streifen.
Diese jungen Kämpfer sind auch Aktivisten, die wissen, dass das Leben und der Mut anderer von ihrem eigenen Leben und Mut abhängt und sie nicht das Recht haben Angst zu zeigen. Zweifellos sind sie zu allen revolutionären Opfern bereit.
Aber diese junge Generation ist von militärisch-politischen Apparaten auf der Basis stalinistischer Methoden gebildet worden. Diese Methoden wurden in der Nachkriegszeit von den verschiedenen Nationalismusbewegungen adaptiert.
Sie scharen sich um die Fahne des Nationalismus und "bewaffneter Kampf" oder "Terrorismus" sind ihr Stolz.
Die Generation, die zu Lebzeiten Trotzkis existierte und von der wir vormals gesprochen haben, hatte trotz stalinistischer Führung großteils die revolutionären Wirren nach dem Ersten Weltkrieg miterlebt, war durch sie abgehärtet worden und hatte vor allem unter der Führung Lenins und Trotzkis direkt am Aufbau der Kommunistischen Internationale teilgenommen.
Wirklich dramatisch war jedoch, dass die Zehntausende Arbeiter der III. Internationale - zum Großteil unbekannt gebliebene, aber äußerst kompetente Aktivisten - von der stalinistischen Bürokratie und im Namen eines verkauften Marxismus gebraucht wurden, wobei die traditionellen leninistischen Methoden zu Karikaturen verunglimpft wurden.
Ebenso dramatisch war auch die völlige Unfähigkeit von dieser politisch orientierungslosen revolutionären Generation mit ihren irregeführten Praktiken, das revolutionäre Erbe der III. Internationale an die folgende Generation weiterzugeben.
Seitdem ist die Geschichte ihren Lauf gegangen und der Klassenkampf hat nicht aufgehört. Beinahe auf der ganzen Welt sind sich andere aktivistischen Generationen gefolgt, aber ihr politisches Niveau ist dabei jedes Mal um eine Stufe gesunken, indem ihre Führer von Jahr zu Jahr ihre kommunistischen in nationalistischen Positionen, ihre proletarischen in bürgerlichen Positionen verwandelten, bis sie keine klassenbewussten Positionen mehr hatten.
Der Faschismus auf der einen Seite, der Stalinismus auf der anderen, der eine von außen, der andere - noch wirksamer - von innen, und dann die Vernichtungswelle des zweiten imperialistischen Weltkrieges haben ihre historische Funktion letztendlich größtenteils erfüllt: Zwischen den Generationen haben sie ein No Man's Land geschaffen, in dem sich die Erfahrungen der Vorgänger verlieren.
Die Generation, die heute in Chile, Südafrika, Argentinien, Polen, Aserbaidschan, Armenien oder auf den Philippinen die verschiedenen politischen und sozialen Kämpfe führt, setzt sich zwar zu einem wesentlichen Teil aus Proletariern zusammen, hat jedoch jegliche Erinnerung an einen proletarischen Internationalismus verloren, sogar als abstrakte Referenz.
Die revolutionäre geschichtliche Erfahrung ist gänzlich aus dem Bewusstsein der heutigen Generation verschwunden. Aus dieser Sicht ist die internationale Arbeiterbewegung auf eine niedrigere politische Stufe als vor 50 Jahren zurückgefallen.
In Wahrheit ist der Nationalismus der aktuellen Generation politischer Aktivisten weder natürlicher noch spontaner als die proletarische Bewusstseinsbildung. Nur wenn die nationalistischen Intellektuellen die einzigen sind, die eine Richtung vorschlagen, oder wenn jene Intellektuellen, die sich auf den proletarischen Internationalismus berufen, aufhören ihre Ideen zu verteidigen, da diese Leute angeblich "vertrauenswürdig" sind, folgen ihnen die Aktivisten.
Auf diese Weise konnte ein Jean-Marie Tjibaou mit dem französischen Imperialismus einen Vertrag über einen Volksentscheid abschließen, der hinter dem Rücken des kanakischen Volks in Frankreich stattfand und seine Sache verriet. In Neukaledonien selbst hatte nie jemand offen die Menschen vor einem Nationalisten wie Tjibaou gewarnt, nicht einmal die Trotzkisten der LCR, die doch einmal behauptet hatten, privilegierte Beziehungen zu den Aktivisten der FLNKS Tjibaous zu unterhalten.
Nicht etwa die Lebensbedingungen in den Ghettos oder Elendsvierteln machen die aufgebrachten Jugendlichen besonders anfällig für nationalistische Forderungen, die ihren Horizont auf die Grenzen ihres Geburtslandes oder jenes ihre Eltern beschränken.
Vor 25 Jahren sagte Malcolm X: "Der furchterregendste Schwarze Amerikas ist jener der Ghettos, denn er hat keine Religion, keine moralischen Vorstellungen, keine Staatsgesinnung. Er hat vor nichts Angst. Er ist ewig frustriert, ein fieberhaftes Wesen, ungeduldig zu handeln. Was immer er anpackt, er engagiert sich bis zum Äußersten."
Malcolm X, schwarzer nationalistischer Aktivist, vermutete vielleicht nicht, dass seine Beschreibung der Schwarzen in den Ghettos großteils mit jener übereinstimmte, die Marx vom Proletariat gegeben hatte.
Denn warum sollten gerade diese Proletarier der Elendsviertel und Ghettos, diese Proletarier im eigentlichen Sinne des Wortes, denen man alles weggenommen hat, einschließlich Religion, Moral und die Illusion über das staatsbürgerliche Leben, und die sich voll und ganz engagieren, sich als Vaterlandslose, als Menschen, die nur ihre Ketten zu verlieren und eine Welt zu gewinnen haben, nicht zum Internationalismus bekennen.
Warum also wären sie empfänglicher für Nationalismus als für Internationalismus?
Warum würden die Schwarzen in Südafrikas Townships glauben, dass ihre Befreiung sich lediglich innerhalb der Grenzen Azanias (wie Südafrika von den schwarzen Nationalisten genannt wird) abspielen könnte, als ob die Verwandlung Südafrikas in Azania die Probleme von Armut, Elend und sogar weißer Herrschaft lösen könnte. Dabei sehen die schwarzen Südafrikaner, wie es den schwarzen Nationalisten im ganz nahe gelegenen ehemaligen Rhodesien nicht gelungen ist, diese Probleme zu lösen - auch wenn sie es geschafft haben, Rhodesien in Zimbabwe umzuwandeln.
Wenn etwa der Bund, die Bolschewiki oder die Polnische Sozialistische Partei 1903 in einem Elendsviertel Warschaus einen jungen jüdischen Proletarier, der ungebildet und die meiste Zeit arbeitslos war, wegen seines herausragenden Mutes und seiner Aufopferung für die Revolution bemerkten, ließ man ihn ganz natürlich an Kursen oder Konferenzen, die der politischen Erziehung dienten und von allen politischen Gruppen in den von ihnen beeinflussten Gewerkschaft abgehalten wurden, teilnehmen. Der Kampf um Einfluss auf die Gewerkschaften war erbittert.
Dort legte man Wert darauf, den Aktivisten das Leben sozialistischer Organisationen in anderen Ländern nahe zu bringen und sprach viel von Internationalismus. Dies war Bestandteil der aktivistischen Moral der Epoche, zu welcher die Arbeiter möglichst rasch erzogen werden mussten. Aktivisten zu verdächtigen, nicht internationalistisch gesinnt zu sein, grenzte an Beleidigung. Sich auf Internationalismus zu berufen, war der Stolz aller Aktivisten.
Den Rest seiner Ausbildung erfuhr der junge sozialistische Arbeiter im Allgemeinen unter sehr wechselhaften Bedingungen im Gefängnis. Dort besuchte man die "revolutionäre Universität", wie es damals hieß.
Einmal aus der Haft entlassen, war es schwierig die Untergrundarbeit wieder aufzunehmen und es konnte vorkommen, dass die Partei den Aktivisten half, in die Emigration zu entkommen.
Man schickte ihn, je nach Möglichkeiten und Kontakten, über die man verfügte, nach Frankreich, England, Deutschland oder in die Schweiz. Dort kam es dann auf den jeweils einzelnen an. Aber wenn er nur wollte, hatte der revolutionäre Arbeiter die Möglichkeit, seine politische Lehrzeit zu beenden und sich mit den legalen Organisationen im restlichen Europa zu verbinden. Nachdem er äußerste Armut gekannt hatte, war er manchmal verwirrt und beobachtete anfangs mit gemischten Gefühlen die Versammlungen der deutschen Aktivisten, die, zumindest in den Augen der polnischen Aktivisten, wie Bourgeois gekleidet waren.
Nach der ersten Überraschung profitierte man von den gebotenen Möglichkeiten und versuchte, in den öffentlichen Versammlungen und Wahlkampagnen ein Maximum an Wissen und Können aufzunehmen.
Natürlich gab es Phasen von Demoralisierung oder Isolation, wie das bei allen politischen Emigrationen der Fall ist. Aber im Allgemeinen hatte sich das politische Kapital der Aktivisten erheblich angereichert, wenn sie schließlich nach Polen oder Russland zurückkehrten. Und wie Trotzki meinte: Der Internationalismus wurde zur treibenden Kraft ihres Lebens.
Aber wie steht es heute um die jungen Revolutionäre in den nationalistischen Organisationen?
Auch heute kommt es vor - sogar in Südafrika -, dass Gefängnisse zu revolutionären Universitäten werden. Man lernt dort nicht das gleiche, wie die sozialdemokratischen Revolutionäre zu Beginn des Jahrhunderts, aber das ist der einzige Unterschied. Die amerikanische Schwarzenbewegung der 70er-Jahre rekrutierte sogar einen Teil ihrer Aktivisten in den Gefängnissen, indem sie jungen Schwarzen, die wegen Verstoß gegen das gemeine Recht inhaftiert waren, zu politischer Kultur verhalf.
Der Unterschied liegt anderswo: Wenn ein junger Schwarzer, der als gewerkschaftlicher Aktivist in einem armen Viertel Johannesburgs unter Polizeiüberwachung steht und somit halb in den Untergrund gedrängt wird, nach einer Demonstration, die schlecht gelaufen ist, der Polizei entkommt und ins Exil geht, so verläuft sein Leben dort ganz anders als jenes der Revolutionäre am Anfang des Jahrhunderts.
Nachdem er für seine Flucht die Hilfe des Untergrundnetzes einer politischen Organisation in Anspruch genommen hat, ist sein einziger Ausweg, in Botswana, Angola oder Zimbabwe in einem Lager der ANC oder einer anderen Organisation, die von der UdSSR, China, der Tschechoslowakei oder Kuba finanziell und militärisch unterstützt wird, eine militärische Ausbildung zu absolvieren. Die Lage der palästinensischen Aktivisten ist ähnlich.
Auch den jungen Kaledoniern, deren Führungskräfte 1968 an der Sorbonne linksgerichtete Ideen kennen gelernt hatten, standen 1984 lediglich Gaddafis Trainingscamps als Schule einer weltweiten Revolution zur Verfügung. Es ist richtig, das manche von ihnen zusätzliche Ratschläge der LCR zukamen, die zweifelsohne den Aktivisten der FLNKS, mit denen sie Kontakt hatte, eine Menge Dinge lehrte... außer der besseren Art, Tschibaou und Seinengleichen zu misstrauen
Diese Erfahrung der politischen Emigration in den militärischen Ausbildungslagern der Nationalisten hat sicherlich nicht die geringste Chance, die jungen Leute aus aller Herren Länder zu wirklichen Internationalisten zu machen.
Das ist aber auch nicht das Ziel ihrer Ausbilder - 1988 haben wir es mit Bürokraten und internationalen Berufssoldaten des bewaffneten Kampfes zu tun, die internationale Revolution selbst jedoch ist aus den revolutionären Idealen verschwunden.
Wie viele wir auch sein mögen - heute liegt es an uns Trotzkisten, die Verbindung zwischen den alten revolutionären Erfahrungen, dem internationalistischen proletarischen Können, und der jungen Generation der Aktivisten herzustellen, um die weltweite Arbeiterbewegung auf einer bessern politischen Basis als in den 30er-Jahren wieder in Schwung zu bringen.
Bei dem politischen Erbe, das uns Trotzki vor seiner Ermordung vermacht hat und aus dem die verschiedenen trotzkistischen Gruppen seitdem mehr oder weniger schöpfen, handelt es sich nicht einfach um eine Doktrin oder ein Programm mit vorgefertigten Formeln, die nur noch der herrschenden Mode angepasst werden müssen.
Laut Trotzki ist der Bolschewismus "keine Doktrin, sondern ein System revolutionärer Erziehung zum proletarischen Umsturz". Dies trifft auch für den Trotzkismus zu. Aber genau das ist der springende Punkt: werden wir Trotzkisten den Willen, die Härte, die geistige und politische Dreistigkeit sowie die menschliche Ausdauer besitzen, um dieses revolutionäre Ausbildungssystem, von dem Trotzki sprach, durch aktivistische Tätigkeit und revolutionäre Aktion wieder zu beleben und an die kampfbereite Generation zu übergeben, die heute aus den Reihen der Unterdrückten hervortritt ?
4 - Die Herausforderung annehmen
Wir heutigen internationalistischen Revolutionäre müssen die folgende Herausforderung annehmen: Wir müssen die kampfbereite Generation, die trotz der Geschichtsprobe und der irregeführten nationalen Revolutionen künstlich eine neue Tradition erworben hat, die Nationalismus als progressiv betrachtet, für unser internationalistisches Gedankengut begeistern.
Zur Zeit der II. und III. Internationale übermittelten die Arbeiterorganisationen Internationalismus und Klassenbewusstsein. Heute dagegen lehnen die militärischen und bürokratischen Apparate, die die Massen leiten oder sich an ihre Spitze setzen wollen, den Internationalismus mehr denn je ab.
Dieses Problem ist nicht wirklich neu. Schon vor Beginn des Jahrhunderts war Lenin gezwungen gewesen, die Politik dieser "mit Bomben bewaffneten Liberalen", wie er diese dem Proletariat fremden Aktivisten nannte, die sich als Sozialrevolutionäre bezeichneten, weil es gerade modern war, und dem Volk ohne sein Einverständnis zum Glück verhelfen wollten, zu bekämpfen.
Dort, wo die Revolution heute in vielen Ländern an der Tagesordnung ist, müssen wir die Politik genau dieser liberalen Bourgeoisie bekämpfen. Sie ist inzwischen nicht nur mit Bomben bewaffnet, sondern verfügt auch über kleine militärische und bürokratische Apparate. Stehen ihr jene Apparate noch nicht zur Verfügung, so verfügt sie zumindest über die notwendigen Methoden, um die Massen zu leiten, ohne dass diese ausbrechen.
Unsere Aufgabe ist es, uns die genau entgegen gesetzten Methoden anzueignen. "Die Befreiung der Arbeiter muss das Werk der Arbeiter selbst sein". Diese tiefe Überzeugung muss unsere politischen und aktivistischen Eingriffe leiten, wo immer wir auch sein mögen, auch in den bescheidensten Klassenkämpfen, so wie hier.
Eine unserer Aufgaben ist, es den Massen zu ermöglichen, aus den reformistischen oder nationalistischen Apparaten auszubrechen oder einfach jene zu verlassen, die sich an ihre Spitze gestellt haben. Dies muss geschehen, sobald sie sich in Bewegung setzen, was in vielen Ländern der Fall ist und auch hier passieren wird.
Denn ohne Ausnahme und in allen Fällen erklären ihnen diese angeblichen Führer irgendwann, dass sie, im Namen eines angeblich höheren Interesses, etwa der Nation, der Nationalwirtschaft oder der Nationalreligion, zur - natürlich bourgeoisen - Ordnung zurückkehren müssen.
Angesichts der schwachen Kräfte der Trotzkisten scheint diese Aufgabe ungeheuer und nicht alle Aktivisten sind sich ihrer Schwierigkeit bewusst. Jedoch ihrer Verwirklichung sind wir vielleicht heute näher als jemals zuvor - die objektiven Umstände sind nicht ungünstig, ganz im Gegenteil: Sie sind mindestens so günstig, wie sie 1902 für Lenin waren.
Unter gewissen Umständen ist nicht die Zahl der Aktivisten das Problem, sondern unsere Präsenz im Herzen unserer Klasse. Außerdem ist es unerlässlich zu wissen, was wir wollen.
Nehmen wir jene Streiks als Beispiel, die im August in Polen stattgefunden haben.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Walesa im Kampf gegen das Jaruzelski-Regime über das vollständige Vertrauen der Arbeiterklasse verfügt. Später konnte man beobachten, wie er, den Feuerlöscher in der Hand, bestreikte Baustellen, Zechen und Fabriken abschritt, um die Arbeiter zur Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu bewegen. Nicht lange hatte er gebraucht, um sich die Lehren der westlichen Arbeiterbürokratie zu Eigen zu machen.
In Polen gab es noch mindestens 20.000 Streikende, von denen Walesa selbst gesagt hatte, dass sie fest entschlossen wären. Es handelte sich dabei hauptsächlich um junge Leute um die 20, die, wie Walesa einige Tage zuvor gemeint hatte, um vieles kämpferischer waren als jene von 1980. An der Sachlage hat diese Aussage nichts geändert: Walesa ist es schließlich gelungen, die Arbeiter zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit zu bringen - und das ohne irgendwelche Zugeständnisse, wie für alle ersichtlich war.
Doch nicht, weil ihr Vertrauen in Walesa noch erhalten war, sind die Streikenden zu ihrer Arbeit zurückgekehrt. Im Gegenteil: überall, wo Walesa hinkam, empfing ihn bestenfalls eisige Stille. Meist begrüßten ihn Proteste, Beleidigungen, feindliche Stille, Wut und Verratsanschuldigungen.
Aber wie es so oft geschieht: Sogar mit Tränen der Wut in den Augen haben die polnischen Arbeiter ihren Streik beendet. Ihr populärster Anführer hatte sie verraten und sie verfügten über keinen anderen, der ihnen näher gestanden wäre, den sie besser kontrolliert hätten und der die weitere Führung des Streiks übernehmen hätte können.
In Gdansk gab es sicherlich Hunderte junge Streikende, die zu allem bereit waren. Aber es fehlte jenes Dutzend zusammengeschweißter und organisierter junger Arbeiter, die vor einer möglichen Kehrtwendung Walesas gewarnt und durch ihr proletarisches Gedankengut verbunden gewesen wären und die bei ihren Arbeitskollegen für ihre Ideen und ihre Kritik an der Führung der Solidarnosc bekannt gewesen wären.
Kurz: Diese Leute gab es nicht, als sich Walesa gegen die Basis wandte - es war niemand da, der nach vorne treten hätte können, um die Führung des Streiks zu übernehmen und zu sagen: "Wir schlagen ein neues Streikkomitee für die Fortsetzung des Streiks vor und rufen alle Kameraden in den anderen Fabriken dazu auf, wie 1980 ihre Vertreter in dieses neue Streikkomitee zu entsenden".
Es gab keine solchen Menschen, weil in Polen - sei es auch nur in der Minderheit - keine proletarische revolutionäre Organisation existierte, welche dem kämpferischsten und dem sich ihrer Aufgabe bewussten Vorhut unterweisen hätte können. Die polnischen Streikenden haben also ihre Arbeit wieder aufgenommen, denn sie haben in ihren Reihen keine neue Führung gefunden. Wenn es jedoch jemanden gegeben hätte - sämtlicher Einfluss, den die Solidarnosc-Führung auf ihre 5 Millionen Mitglieder hatte, hätte sich innerhalb weniger Tage in Luft aufgelöst...
Die Geschichte ist immer die gleiche: Wenn die Arbeiter stark sind, so wie sie es in Polen noch im August waren, sind sie der größten Gefahr ausgesetzt, verraten zu werden.
Aber das ist dann auch die Chance der Revolutionäre, wenn sie bis dahin - auch wenn sie lange in der Minderheit bleiben - diese Kraft der mobilisierten und entschlossenen Arbeiter zu nutzen und diese Kraft mit Krallen und Klauen zu schützen wissen, indem sie ihnen Ziele setzen, mit denen sie siegen können und ihnen jene zu erkennen geben, die ihre Kraft zerschlagen wollen. Auch das gehört ein wenig zur Kunst, an der Spitze der Massen und mit den Massen die Macht zu ergreifen.
Unsere Aufgabe kann uns im Hinblick auf die Kraft der reformistischen Apparate wie auch auf das Gewicht ihrer Führer manchmal ungeheuer erscheinen. Aber der Augenblick kommt immer, wo das Ziel greifbar wird, weil die Kraft der in den Kampf tretenden Arbeiter die der Apparate übertrifft. Diejenigen, die in der Arbeiterklasse aktiv sind und solche Gelegenheiten nicht greifen können, haben noch nicht wirklich die Arbeit eines Revolutionären erlernt.
Das alles geschah natürlich in Polen. Aber was in Polen passiert ist, kann morgen auch in Frankreich geschehen.
Auch hier können wie in Polen Streiks über Löhne ausbrechen, sie können sich ausbreiten und den Unternehmern und ihrem politischen Personal Schrecken einjagen. Auch hier wird es einen Krasucki, Maire, Bergeron oder einen ihrer Nachfolger geben, die wie Walesa sagen werden, dass Streik nach reiflicher Überlegung nicht die beste Lösung ist. Auch hier wird man "Verrat" schreien und Gewerkschaftsbücher wegwerfen. Aber das wird nicht genug sein.
Im Gegensatz zu dem, was in Polen geschehen ist, werden auch die Revolutionäre selbst den Willen haben müssen, zu führen, nach vorne zu gehen, vor ihren Arbeitskollegen ihre Verantwortungen zu übernehmen. Unter genau diesen Umständen erlauben uns unsere Ideen, alle Möglichkeiten völlig auszunutzen und bis ans Ende zu gehen.
Das ist möglich, wenn wir genug Vertrauen in unsere eigenen Ideen haben, wenn wir, wie Marx es uns gelehrt hat, überzeugt sind, dass Ideen zur Macht werden, wenn die Massen sie ergreifen. Aber um diese Kettenreaktion zu ermöglichen, ist es unerlässlich, dass diejenigen, die diese Ideen haben, sie auf gar keinen Fall aufgeben.
Daher sollen wir erstens um jeden Preis an unseren Ideen festhalten:
* Nur das Proletariat kann der Handwerker der sozialistischen kommunistischen Revolution sein.
* Die Arbeiterklasse, die Klasse der Proletarier, die Klasse derjenigen, die nichts zu verlieren haben, die kein Vaterland, kein Eigentum zu verteidigen haben, ist die einzige revolutionäre Klasse.
* Das Proletariat wird sich sicher mit anderen gesellschaftlichen Klassen verbinden müssen, um zu siegen, aber es darf sich auch im gemeinsamen Kampf nicht in den Schlepptau nehmen lassen.
* Die sozialistische Revolution kann zwar in einem einzigen Land ausbrechen, aber kein Land kann allein leben. Die historische Rolle der Bourgeoisie - ihre einzige fortschrittliche Rolle - ist es, eine grenzüberschreitende Wirtschaft gegründet zu haben.
* Und der Sozialismus, der innerhalb gewisser Grenzen überleben will, sei es in den Grenzen der riesigen UdSSR, des chinesischen Kontinents oder des winzigen Kuba - dieser Sozialismus kann nur ein Sozialismus des Elends und letzten Endes eine reaktionäre Utopie sein.
* Seit bereits einem Jahrhundert taumelt der Kapitalismus, der die imperialistische Phase erreicht hat, von einer Krise in die andere, von einem Weltkrieg zum anderen, ohne jedoch einen einzigen seiner Widersprüche lösen zu können.
Seit der Jahrhundertwende ist die Krise des Kapitalismus mehr oder weniger permanent. Es ist heute vielleicht schöner, in Berlin zu leben als in Mexiko-Stadt, aber zwischen 1914 und 1945 war zweifellos Mexiko-Stadt ein angenehmerer Aufenthaltsort. Kein Ort in der Welt bleibt verschont, auch nicht die Falkland-Inseln am Ende der Welt, wie wir vor kurzem gesehen haben.
Keine Flucht ist möglich.
* Alle proletarischen Forderungen bleiben an der Tagesordnung. Nur das weltweite Proletariat wird in der Lage sein, die Ketten der nationalen Grenzen zu sprengen.
* Nur eine weltweite Planwirtschaft auf der Basis der fortschrittlichsten Technologie wird der Menschheit die Möglichkeit geben, eine neue Etappe in der Beherrschung ihrer Geschichte und Entwicklung zurückzulegen. Das wird bedeuten, dass nicht mehr für den Profit von einigen wenigen produziert wird, sondern für die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen. Ein Gleichgewicht muss gefunden werden zwischen den materiellen Bedürfnissen und der Nutzung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten. Außerdem muss die uneingeschränkte Entwicklung der intellektuellen und künstlerischen Bedürfnisse aller Menschen gewährleistet sein.
Die imperialistische Gesellschaft kann nur Überfluss auf der einen und Elend auf der anderen Seite schaffen: So steht etwa die Hungersnot im Sudan brachliegenden Felder in Europa gegenüber; eine Trockenzeit in den USA ist der Ursprung des Vermögens einiger argentinischer Kornexporthändler, während in Argentinien selbst das Elend mit einer erneuten Geldabwertung Einzug hält, die auf mehrere Jahre galoppierende Inflation folgt.
Alle diese Ungleichheiten, diese Ungerechtigkeiten: Tafeln und Spenden für die medizinische Forschung einerseits, aber andererseits Steuern, um Diktatoren schwere Waffen zu liefern, damit sich ihre Völker bekämpfen und gegenseitig töten können. Die nationalen Grenzen, die in manchen Fällen die Völker ins Mittelalter zurückwerfen, haben wir bereits erwähnt. Aber das alles wird nicht ewig andauern. Es kann nicht andauern.
Und hier kann die Rolle der Einzelnen, einiger zehntausender Individuen auf der Erde, ausschlaggebend sein. Denn eine revolutionäre Partei kann keine Massenpartei sein. Nur in einer Revolution kann sie es sein. Außerhalb solcher revolutionären Krisen ist die Rolle der Individuen, der Aktivisten, der Willenskraft, wichtig und ausschlaggebende. Die herrschenden Klassen wissen das: Sie haben immer versucht, sich in den entscheidenden Momenten vor dieser revolutionären Minderheit zu schützen.
Eine revolutionäre Partei, eine Internationale, ist eine Organisation, die aus einigen Zehntausenden Individuen besteht. Es sind dies nicht irgendwelche Menschen, sondern solche, die sich im Leben ein wirkliches Ziel gesteckt haben. Kurz gesagt: Es handelt sich um eine Organisation, die, wenn sie zu einer Massenorganisation wird, dort in der Lage ist zu siegen, wo andere verfallen sind.
Das ist unser Streben!
Es lebe die Internationale des Proletariats! Es lebe die IV. Internationale!