1917/2017 - Die Russische Revolution: Um die Welt zu verändern - die Arbeitenden an die Macht!

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1917/2017 - Die Russische Revolution: Um die Welt zu verändern – die Arbeitenden an die Macht!
Oktober 2017

Vortrag des Leo-Trotzki-Zirkels vom 25. Oktober 2017 in Paris

 

Einleitung von Arlette Laguiller

Ich habe mich 1962, also vor 55 Jahren, im revolutionären Kampf engagiert, mit der Überzeugung, dass die Arbeitenden, die Ausgebeuteten sich gegen die Verhältnisse erheben und die Gesellschaft ändern werden. Ich schloss mich damit der revolutionären kommunistischen Strömung an, die nach Marx, Lenin und Trotzki diese Perspektive zu der ihren gemacht hatte.

Unser politisches Kapital wurde gespeist aus der Geschichte der Arbeiterkämpfe und aus dieser außergewöhnlichen Revolution - der russischen Revolution - deren hundertsten Geburtstag wir heute feiern.

Einige sind vielleicht skeptisch, wenn wir heute darüber sprechen. In 100 Jahren hat sich schließlich viel verändert, in Russland und in der ganzen Welt. Doch die Welt wird immer noch vom Kapitalismus beherrscht. Und der Krieg, der Hungersnot und die Ausbeutung, die die Ursachen für die russische Revolution waren, sind heute noch immer noch da. Die heutige Gesellschaft versinkt immer weiter in der wirtschaftlichen Krise, in wachsender sozialer Ungleichheit, in Kriegen auf allen Kontinenten, in wachsendem Nationalismus und Rassismus. Und deshalb ist die Perspektive, die Welt von Grund auf zu verändern, weiterhin die unsere.

Die Arbeiterbewegung hat viele Niederlagen erlitten und ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Viele sagen deshalb, dass es nicht mehr möglich sei, die Dinge zu ändern. Ist die Arbeiterklasse noch in der Lage, sich zu erheben und einen solchen Kampf zu beginnen? Kann es eine neue Revolution geben? Diese Fragen haben sich auch 1917 in Russland viele Frauen und Männer gestellt. Und was hörten sie von ihren Arbeitskollegen oder Regimentskameraden? Dass ihre Revolutionsideen nichts anderes wären als eine Utopie.

Doch im Oktober 1917 ergriffen sie die Macht. Im Oktober 1917 ergriff unsere Klasse - die Arbeitenden, junge und nicht mehr so junge wie ihr und ich die Macht. Für uns ist dies ein unschätzbares Ereignis. Es beweist, dass wir dazu in der Lage sind.

Die Revolution von 1917 entartete am Ende in der stalinistischen Diktatur. Viele nutzen dies, um zu "beweisen", dass der Kampf aussichtslos und von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Aber der Stalinismus ist nicht die Fortsetzung der Revolution, sondern ihre Negation. Stalin und die Bürokratie haben die internationalen Perspektiven der Revolution von 1917 verraten und die bolschewistischen Aktivisten liquidiert, die deren Zugpferd waren.

Aber dank der Aktivisten, die mit der trotzkistischen Bewegung Widerstand geleistet haben, sind wir heute hier. Dank ihnen können wir das Erbe der Generationen vor uns weitergeben, das Erbe von Generationen, die von der Revolution geträumt haben und denen, die sie gemacht haben.

 

Vortrag von Nathalie Arthaud

Die Russische Revolution: Die Arbeiterklasse an der Macht

1848 machten Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest als erste auf die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse aufmerksam. Die Perspektive, die sie dort aufzeigten - die Perspektive einer höheren Gesellschaftsform als der kapitalistischen, einer Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne Privateigentum an Produktionsmitteln und ohne soziale Klassen - war damals eine theoretische Schlussfolgerung, eine Antizipation der künftigen Entwicklung. Sie war das Ergebnis ihrer Schlussfolgerungen, die auf der Entwicklung der Gesellschaftsformen, der Analyse des Kapitalismus und der Beobachtung der ersten Arbeiterkämpfe beruhten.

Die russische Revolution von 1917 setzte diese Perspektive in die Tat um. Vor hundert Jahren, am 25. Oktober 1917, stürzten die russischen Arbeiter und Bauern die bürgerliche Regierung und ergriffen die Macht.

Dies war bei weitem nicht die erste Arbeiterrevolution! Im März 1871 gab es die phantastische Erfahrung der Pariser Kommune: Das einfache Volk, das fast aus Versehen an die Macht gelangt war, nahm damals die Gesellschaft in ihre Hände und organisierte sie auf ihre Art, im Interesse der Ärmsten. Die Kommunarden erfanden eine Verwaltung und einen Staat auf ihre eigene Art: Die gewählten Vertreter stammten aus dem einfachen Volk, waren Arbeiter, Handwerker ... Sie waren jederzeit abwählbar und erhielten als Bezahlung nur einen durchschnittlichen Arbeiterlohn. Aber die revolutionäre Erfahrung der Kommune beschränkte sich auf Paris und dauerte nur drei Monate.

1917 in Russland gelang es den Ausgebeuteten, die Macht zu übernehmen und sie in einem riesigen Land mit 160 Millionen Einwohnern zu behalten. Zum ersten Mal hisste eine Staatsmacht die Fahne des weltweiten Umsturzes des Kapitalismus und setzte sich für den Aufbau einer rationell funktionieren, geplanten Wirtschaft, die in der Lage ist, die Bedürfnisse der ganzen Menschheit zu erfüllen: eine kommunistische Gesellschaft.

Diese Revolution ist für uns weit mehr als nur ein begeisterndes Kapitel der Geschichte. Sie ist der lebende Beweis, dass die Unterdrückten in der Lage sind, die Macht zu ergreifen. Und dass sie, einmal an der Macht, die Gesellschaft von Grund auf umwälzen und ein neues Zeitalter in der Geschichte der Menschheit eröffnen können.

Alle, die heute die Welt verändern wollen, können darin Bestätigung und Kraft finden.

Die Februar-Revolution: Ein revolutionärer Aufschwung in der Arbeiterklasse

Anders als die Verleumder der Revolution behaupten, war die Oktoberevolution 1917 kein Staatsstreich der bolschewistischen Partei oder ein Putsch Lenins. Sie war im Gegenteil der Höhepunkt eines ungeheuren Befreiungsdrangs der Arbeiter und Bauern, der im Februar 1917 entstand.

Kehren wir also etwas zurück. Alles begann am 23. Februar 1917, dem 8. März nach westlichem Kalender, in der Hauptstadt des zaristischen Russlands, heute Sankt Petersburg. Seit über einem Monat nahm die Unruhe in den verschiedenen Fabriken der Hauptstadt zu. Die Arbeiter waren nach drei Jahren Krieg und Entbehrungen am Ende.

Am 23. Februar, dem Internationalen Frauentag, begann ein Streik der Textilarbeiterinnen, um gegen neue Brotrationierungen zu protestieren. Sie rissen die Metallarbeiter benachbarter Betriebe mit. Es gab keinerlei Streikaufruf für diesen Tag. Trotzdem aber gab es 90.000 Streikende sowie Demonstrationen und Versammlungen in den wichtigsten Arbeitervierteln. Das war der Beginn der Revolution.

Während der folgenden vier Tage gab es immer mehr und mehr Streiks, Demonstrationen und Straßenschlachten. Die Bewegung verwandelte sich in einen politischen Volksaufstand. Die Arbeiter forderten nicht mehr nur Brot, sie verlangten das Ende dieses fürchterlichen Krieges, der für die imperialistischen Absichten des Zaren und seiner Verbündeten geführt wurde. Sie verlangten das Ende des zaristischen Regimes.

Die Arbeiter bewaffneten sich gegen die Polizei, die in die Menge schoss. Sie nahmen Kontakt zu den in der Stadt einquartierten Soldaten auf, um sie davon zu überzeugen, nicht auf ihre Brüder zu schießen und schließlich schlossen auch sie sich der Revolution an. Am 27. Februar befand sich die Stadt unter der Kontrolle der Arbeiter und meuternden Soldaten. Nach einigen Tagen folgten erst Moskau und dann die Städte der Provinz dem Beispiel, und am 3. März dankte der Zar ab. Einige Tage reichten aus, um Nikolaus den II., der seit 20 Jahren an der Macht war und die Dynastie, die seit drei Jahrhunderten an der Macht war, zu stürzen.

Die Sowjets, die Fabrikkomitees

Der Sturz der Romanow-Dynastie war ein Donnerschlag für ganz Europa. Seit der französischen Revolution war der Zarismus der Schutzwall der Reaktion in Europa. Er war der Schlächter zahlreicher Volksaufstände, nicht nur in Russland, sondern auch in Polen und Ungarn.

Und in Russland schien in vielerlei Hinsicht die Zeit stehen geblieben zu sein. Noch 1917 gab der Zar vor, seine Macht von Gott erhalten zu haben. Die Adeligen und Großgrundbesitzer verfügten über Titel und Privilegien, die ihnen quasi Macht über Leben und Tod der Bauernschaft und des einfachen Volkes verliehen. Das russische Imperium mit dem Beinamen "Gefängnis der Völker" regierte mit eiserner Faust über zahlreiche Nationalitäten: Polen, Juden, Ukrainer, Balten, Armenier. Es war berühmt für seine politische Polizei, die seine Widersacher bis in das Herz Londons, Brüssels und Paris verfolgte.

Der Sturz des Zaren und seines Regimes beseitigte den Knebel, der die Arbeiter und Soldaten erstickte und wurde Ausgangspunkt eines mächtigen revolutionären Aufschwungs. Innerhalb weniger Wochen gab es überall im Land Fabrikkomitees, Gewerkschaften und Sowjets.

Diese Arbeiterräte waren nicht aus dem Nichts entstanden. Schon 1905 hatte die russische Arbeiterklasse eine Revolution erlebt. Die Streikenden von damals hatten die Notwendigkeit empfunden, ihre Aktionen zu organisieren und zu koordinieren. Fabrik für Fabrik, Viertel für Viertel hatten sie Delegierte gewählt, die beauftragt waren, in Arbeiterversammlungen der Stadt zu tagen. Diese Räte - russisch Sowjets - existierten in ca. 50 Städten und wurden im Laufe der Ereignisse die einzige Autorität, der die Arbeiter vertrauten. Diese Ereignisse 1905 waren die Generalprobe.

Denn im Februar 1917 waren diese Erfahrungen nicht vergessen, und die Sowjets wurden im ganzen Land gegründet. Sie verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Die Fabrikarbeiter, aber auch die Soldaten in den Garnisonen und an der Front organisierten ihre eigenen Wahlen, um ihre Vertreter zum Sowjet zu schicken. Und vom Zeitpunkt an, als der Petrograder Sowjet gegründet wurde, wurde er das organisatorische Zentrum der Revolution.

Der amerikanische Journalist Rhys Williams erzählt als Zeuge der Ereignisse: "die Sowjets waren also zusammengesetzt, nicht aus schwatzenden und unwissenden Politikern, sondern aus Männern die ihren Beruf kannten. Bergarbeiter, die wussten was ein Bergwerk ist, Mechaniker, die wussten was eine Maschine ist, Bauern, die wussten was Ackerboden ist, Soldaten, die wussten, was Krieg ist, Lehrer, die wussten was Kinder sind".

Da der Petrograder Sowjet aus Soldaten, Bergleuten und Mechanikern zusammengesetzt war, beschloss er direkt bei seinen ersten Sitzungen eine Serie von revolutionären Maßnahmen.

Für die Armee - und das mitten im Krieg - erließ er die "Charta der Freiheiten": alle Truppen-Kontingente mussten ihr Komitee wählen, die Waffen mussten sich unter der Kontrolle der Kompanie- oder Bataillons-Komitees befinden und "unter keinen Umständen den Offizieren ausgehändigt" werden; außerhalb des Dienstes waren der militärische Gruß und die Dienstränge abgeschafft; es war den Offizieren verboten, die Soldaten grob zu behandeln, insbesondere sie zu duzen...

Für die Verpflegung der Bevölkerung der Städte wählte der Sowjet eine Kommission mit der Aufgabe, die Belieferung zu überwachen und die Spekulanten und den Schwarzmarkt zu verfolgen. Und da das Geld der "Nerv des Krieges" ist sandte er Überwachungstrupps, um die Reichsbank, das Schatzamt und die Notenbank zu besetzen. Ob er es wollte oder nicht, der Sowjet handelte vom ersten Tag an wie eine Regierung.

Und das ist nicht alles! Die Arbeiter warteten nicht tatenlos, dass der Sowjet alle Probleme an ihrer Stelle lösen würde. Zurück in den Fabriken Petrograds versammelten sich die Arbeiter und organisierten sich in Komitees. Sie verlangten die Entlassung derjenigen Chefs und Führungskräfte, die sich wie Tyrannen benommen hatten, die ihre Autorität missbraucht, die Bestechungsgelder erhalten oder sich in den Dienst der Polizei gestellt hatten.

Manchmal wurden die Direktoren einfach vor die Tür gesetzt. In anderen Fällen - wie in den Putilow-Werken, der größten Fabrik Petrograds mit 25.000 Arbeitern - wurden der Direktor und sein Stellvertreter getötet. In der Baranowski-Fabrik wurden 25 Mitglieder der Direktion von den Arbeitern entlassen und 18 wurden auf einem Karren zur Schau gestellt, weil sie sich wie Despoten verhalten hatten. In der Fabrik Triangle traf mehrere Vorarbeiter, die Werkzeuge versteckt und die Produktion durcheinandergebracht hatten, das gleiche Schicksal...

Diese Fabrikkomitees schossen in den staatlichen und privaten Betrieben wie Pilze aus dem Boden. In einer Fabrik nahm sich das Komitee das Recht, eine regelrechte Untersuchung bei der Werksleitung vorzunehmen und die Konten zu überprüfen. In einer anderen Fabrik wählten sie eine neue Leitung. In einer Dritten kontrollierte das Komitee die Einstellungen und Entlassungen.

Manche Fabrikkomitees beschränkten sich auf gewerkschaftliche Funktionen, andere gingen soweit, die Unternehmen unter ihrer Kontrolle zu leiten. Überall erzwangen die Arbeiter den 8-Stunden-Tag, Gehaltserhöhungen und Arbeitssicherheit.

Über Sowjets und Fabrikkomitees hinaus brachten die Arbeiter überall die Gewerkschaften in Schwung. In den größten Fabriken schufen sie sich sogar selbst eine bewaffnete Miliz, um ihre Macht zu sichern.

In nur wenigen Wochen verwandelten die Arbeiter Russland aus einem Gefängnis in ein Land, wo die Arbeiterdemokratie wie nirgendwo sonst in der Welt funktionierte. Nicht in allen Fabriken brachten die Arbeiter ihre eigenen Gesetze zur Geltung, aber sie machten es in vielen Fabriken, angefangen bei den größten Fabriken.

Die Revolution verwandelt die Menschen, die sie machen

Es ist nun 100 Jahre her, dass diese Ereignisse passiert sind, und sie berühren uns noch heute, denn den Klassenkampf erleben wir noch immer. Allerdings scheint es unmöglich sich vorzustellen, dass die Arbeiter schon morgen ihre Chefs kontrollieren, sie absetzen und an deren Stelle selbst entscheiden könnten, so wie es Millionen Arbeiter in Russland getan haben.

Weil heute die Diktatur der Unternehmer herrscht, ohne dass es einen kollektiven Widerstand gibt, sagen Manche, die Arbeiter seien zu solchen Kämpfen nicht mehr fähig.

Aber die Kampfbereitschaft und das Klassenbewusstsein sind nicht angeboren. Die Unterdrückten verbringen den größten Teil ihrer Zeit damit, sich unterzuordnen: sie sind daran gewöhnt und erkennen nicht die Möglichkeiten, die in ihnen stecken, um etwas zu ändern und die ganze Gesellschaft in ihre Hände zu nehmen.

Die Macht der herrschenden Klassen beruht auf materiellen Grundlagen und vor allem auf einem ganzen Arsenal an Repressalien: Gesetze, Polizei, Gefängnisse, einem Staatsapparat, der den Respekt der bestehenden Ordnung, so wie sie ist, erzwingt. Sie beruht auch auf der Beherrschung des Bewusstseins und der Gedanken.

Erziehung, Kultur, die täglich - durch die meist dem Großkapital gehörenden - Medien verbreiteten Informationen verbreiten die Wertvorstellungen des Bürgertums: den individuellen Erfolg und individuellen Verdienst, die Herrschaft des Geldes, den sozialen Konformismus und die Akzeptanz der bestehenden Ordnung.

Man erklärt uns, die Ausbeutung sei ganz normal. Manche behaupten sogar, sie wäre ein Bestandteil der angeblich menschlichen Natur. Oder man sagt uns, die kapitalistische Gesellschaft sei vielleicht nicht gerade die ideale Gesellschaft, aber sie sei die am wenigsten schlechte. Tatsächlich ist die Ausbeutung gesellschaftlich akzeptiert, und die Momente der Revolte sind zwangsläufig Ausnahmen.

Wenn man die Kampfbereitschaft und das Klassenbewusstsein der Arbeitenden heute mit dem vergleicht, was in den ersten Wochen der Revolution passierte, dann scheinen sie weit, sehr weit von dem der russischen Arbeiter 1917 entfernt zu sein. Aber in Wirklichkeit kann man es nicht miteinander vergleichen. Soziale Revolutionen sind sehr seltene Ereignisse, wenn sie aber einmal in Gang gekommen sind, verwandeln sie die Menschen, die sie machen.

Es ist natürlich für uns schwer, sich das vorzustellen. Aber diejenigen unter uns, die bedeutende Streiks miterlebten, können davon eine Vorstellung haben, denn sie haben gesehen, wie sich vor ihren Augen Arbeitskollegen im Kampf veränderten. Sie haben gesehen, wie diejenigen, die zuvor Schläge der Chefs mit zusammengebissenen Zähnen eingesteckt hatten, ihrer Wut freien Lauf ließen und zu den Entschlossensten des Kampfes wurden.

Sie haben gesehen, wie Arbeiter mit rassistischen und chauvinistischen Vorurteilen plötzlich Seite an Seite mit Arbeiterinnen und Immigranten kämpften. Sie haben gesehen, wie die Schweigsamen in den Vollversammlungen das Wort ergriffen. Sie haben gesehen, wie diejenigen, die sich niemals "um Gewerkschaft oder um Politik" kümmerten, in den Streikkomitees aktiv wurden, den Polizeikräften und den Handlangern der Unternehmer die Stirn boten, und bereit waren, die Fabrik Tag und Nacht zu besetzen.

Stellt euch also vor, was im Kopf der Arbeiter passieren kann, wenn sie sich darüber klar werden, dass sie Millionen sind, die bereit sind, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen. Sie sehen die Dinge dann nicht mehr auf dieselbe Art. Die Gesellschaft ist dann nicht mehr das unabwendbare Schicksal, das uns erdrückt, sie wird zu einer Wirklichkeit, auf die man reagieren kann.

Eine unterdrückte Arbeiterklasse...

Alle Massenerhebungen bezeugen es: dieselben Männer und Frauen, die bis dahin angesichts der Ungerechtigkeiten passiv und erstarrt blieben, beweisen von dem Moment an, wo sie sich in den Kampf stürzen, einen Wagemut, eine Energie und eine Initiative, die sie sich selbst nie hätten vorstellen können. Außerhalb dieser revolutionären Zeiten wird dieses Potential von der Herrschaft, die die Unterdrückten erdulden, erstickt.

Dies gilt für die Arbeiter heute genauso wie für die russischen Arbeiter und Bauern, bevor sie sich in die Revolution stürzten. Denn man darf sie nicht idealisieren. Bevor sich durch die Februarrevolution ihr Leben und Bewusstsein grundlegend veränderte, ähnelten sie in vielerlei Hinsicht den heutigen Arbeitern.

Wie viele russische Arbeiter ertränkten nach einem zehn- bis zwölfstündigen Arbeitstag ihre Müdigkeit im Wodka! Wie viele rächten sich für die täglich erduldeten Erniedrigungen mit Gewalttätigkeiten gegen ihre Frauen und Kinder!

Die russische Jugend war sicherlich nicht süchtig nach Reality-Shows im Fernsehen und entsprechenden Videospielen, da sie kein Fernsehen und oft nicht mal elektrischen Strom hatten. Umso mehr waren sie der Predigt der Geistlichen der orthodoxen Kirche ausgesetzt, die ihnen die Liebe zum Zaren und dem heiligen Vaterland eintrichterten. Sie wurden von der Macht der Gebräuche beherrscht, zu denen die Unterwerfung unter eine barbarische und ungerechte Ordnung gehörte. Außerdem waren sie von den Vorurteilen gegen andere Nationalitäten, gegen Asiaten und gegen Juden beherrscht.

Die Kampfbereitschaft der russischen Arbeiterklasse kannte ebenso ihre Höhen und Tiefen. Es gab sicherlich die außerordentliche Erfahrung der Revolution von 1905. Aber die Niederlage, und die darauf folgende Repression hatten sogleich einer tiefen Demoralisierung Platz gemacht, die weit bis in das Milieu der aktivsten Aktivisten reichte. Und im August 1914 applaudierten nicht wenige Arbeiter den patriotischen und kriegerischen Demonstrationen, die von der zaristischen Macht organisiert wurden.

Es bedurfte seine Zeit, bis die Revolution ausbrach. Das russische Volk in die Hölle des Krieges gestürzt, ertrug drei lange Jahre das Unerträgliche. Im Februar 1917 zählte Russland schon fast 2 Millionen tote und drei Millionen verwundete Soldaten. Die Truppen wurden ohne Waffen an die Front geschickt: anders gesagt, die Bauern wurden von unfähigen und sie verachtenden Offizieren buchstäblich zur Schlachtbank geführt. Im Hinterland war es kaum besser, wo Arbeiter und Bauern Hunger, Kälte und Arbeitsunfälle erdulden mussten, und wie Lasttiere angehalten und geschlagen werden konnten.

Wer hätte gedacht, dass im Februar 1917 die Revolution ausbrechen würde? Niemand und nicht einmal jene, die aus ganzem Herzen darauf hofften. Lenin, der sich im Schweizer Exil befand, erklärte sinngemäß auf einer Konferenz am 22.Februar 1917, dass seine Generation sicherlich die Revolution nicht mehr erleben würde, und dass diese Aufgabe auf den Schultern der Jüngeren ruhen würde. Und einige Tage später brach die Revolution in Russland aus.

... durch die revolutionären Ereignisse verwandelt

Im Laufe der Ereignisse machten das Bewusstsein und die Kampfbereitschaft der russischen Arbeiter Riesenschritte. Mit dem Sturz des Zarenregimes entdeckten sie, dass sie nicht dazu bestimmt waren als Kanonenfutter oder Futter für die Profite zu dienen, sondern selbst über ihr Leben entscheiden konnten. Sie bekamen Vertrauen in ihre eigene Kraft.

Millionen Frauen und Männer, die sich in normalen Zeiten nicht für Politik und Angelegenheiten der Gesellschaft interessierten, stürzten sich mit Feuereifer in die Aktion. Jeder fühlte sich betroffen, wollte Bescheid wissen, sich selbst Gedanken machen und teilnehmen. Von Februar an, und das während vieler Wochen, gab es an jeder Straßenecke Versammlungen und ununterbrochene Menschenaufläufe. Fabrikkomitees und Sowjets versammelten sich täglich. Zeitungen und Flugblätter vervielfältigten sich und wurden einem an den Fabriktoren - ebenso wie in der Armee - aus den Händen gerissen, als ob das Leben eines Jeden davon abhinge. Die Arbeiter schrieben selbst Geschichte und waren sich dessen bewusst.

Revolution, das bedeutet zuallererst und vor allem, dass Millionen Frauen und Männer entschlossen sind, ihr Schicksal in die eigenen Hände zunehmen, und dass sie, indem sie gemeinsam handeln, sich verändern und über sich hinauswachsen. Das war in der Pariser Kommune so wie auch in der russischen Revolution, aber das gilt auch für andere Massenbewegungen wie die chinesische Revolution, die vietnamesische, die algerische, die kubanische.

Warum haben diese Völker, die sich alle in so sehr ungleiche Kämpfe geworfen haben, am Ende gesiegt? Manchmal haben sie mit nackten Händen gegen hoch bewaffnete, überlegene imperialistische Mächte gekämpft und sie haben gesiegt, weil der Wunsch sich zu emanzipieren, für eine gerechte Sache zu kämpfen, die Entdeckung der Würde eines Volkes Berge versetzen kann. Dieser Elan ist es, der für die ganze Gesellschaft neue Perspektiven eröffnet. So wie Marx sagte, die Revolution ist die Lokomotive der Geschichte.

Für diese Zeiten, in denen alles möglich wird, kämpfen wir.

Das Problem der Machtübernahme und die Notwendigkeit einer Partei

Wir wollen eine revolutionäre Partei aufbauen, weil wir wissen, dass dies in solchen Zeiten entscheidend ist. In Russland hätten die Arbeiter ohne die von Lenin angeführte bolschewistische Partei nie die Macht ergreifen können.

Im Februar, mitten im Krieg, waren die Massen, wie gesagt, zu einer Menge fähig. Sie haben demonstriert, gestreikt, die Polizeistationen geplündert, sich bewaffnet ... bis dahin, dass sie den Zarismus zu Fall gebracht haben. Sie haben mit den Sowjets sogar begonnen sich ihre eigenen Machtorgane zu schaffen. Dennoch hat es die Bourgeoisie geschafft, die Staatsmacht zu erhalten.

Am selben Tag, als der Petrograder Sowjet sich das erste Mal zusammengefunden hat, haben die Politiker des alten Regimes, also Bankiers, Rechtsanwälte, Lehrer ihrerseits eine provisorische Regierung gegründet. Sie waren sich der Unterstützung des Staatsapparates sicher und besetzten die Ministerien und alles was vom Staatsapparat übriggeblieben war. Die Regierung nutzte revolutionäre Worte und Symbole, aber ihr wirkliches und sehr dringendes Ziel war es, die Revolution zu beerdigen, in der Armee die Autorität der Offiziere und Generäle wiederherzustellen, um den Krieg weiterzuführen, die bürgerliche Ordnung in den Fabriken wiederherzustellen und sogar die Monarchie wiederaufzurichten.

Die Zusammensetzung dieser Regierung spricht für sich. Der Premierminister war der Prinz Lwow, der zwar für seine liberalen Ideen bekannt war, aber dennoch ein Adliger war. Der Kriegsminister war der Vorsitzende des Komitees der Kriegsindustrie, besser gesagt, der Sprecher der russischen Industriellen, die ein sehr direktes Interesse daran hatten, den Krieg fortzuführen. Das Finanzministerium unterstand einem Großgrundbesitzer, dem auch einige Zuckerraffinerien gehörten ... Also für eine Revolution, die von einer Bevölkerung gemacht worden ist, die hoffte, damit die feudalen Überreste zu beseitigen, den Krieg zu beenden und den Boden an die Bauern zu verteilen, war das nicht gerade ein guter Anfang.

Der wirkliche Regierungschef war Miljukow, ein Universitätsprofessor und Führer der Kadetten, der Partei des Großbürgertums. Er war geübt genug im politischen Spiel, um sich ein "sozialistisches" Alibi zu schaffen und hat dafür das Justizministerium Kerenski anvertraut. Kerenski war ein Anwalt, der mit der Sozialrevolutionären Partei verbunden war und sich in der Duma einen Namen als Oppositioneller gemacht hatte.

Kerenski war der einzige Minister, in dem die Arbeiter sich wiederfinden konnten. Für den Rest der Regierung konnten sie nur Misstrauen empfinden. Dennoch haben sie diese selbsternannte Regierung akzeptiert, weil sie von den Parteien unterstützt wurden, die den meisten Einfluss unter den Arbeitern hatten: die Sozialrevolutionäre und die Menschewiki.

Die Sozialrevolutionäre Partei war lange schon auf dem Land verwurzelt und bei den Bauern dafür bekannt, dass sie den Boden unter den Bauern aufteilen wollte. Die Menschewistische Partei war aus der Spaltung mit den Bolschewiki 1903 hervorgegangen. Sie beriefen sich auf die Ideen von Marx, aber grenzten sich dadurch von den Bolschewiki, der Partei von Lenin, ab, dass sie bereit waren, Allianzen mit der Bourgeoisie einzugehen.

Während des ganzen Jahres 1917 haben sich die Sozialrevolutionäre und Menschewiki an die Bourgeoisie drangehängt. Russland, zu Dreivierteln noch landwirtschaftlich geprägt und beherrscht von einer Reihe Großgrundbesitzer, war noch ganz am Anfang seiner kapitalistischen Entwicklung. Für diese Parteien war die Folge daraus, dass die Revolution also wie die Französische Revolution von 1789 die Bourgeoisie an die Macht bringen sollte.

Diese Machtfrage ist der Kern jeder Revolution. Eine Revolution ist eine Zeit, in der die sozialen Klassen, die Ausgebeuteten und ihre Ausbeuter um die Führung der Gesellschaft kämpfen. Im Februar 1917 haben sich die Arbeiter ihrer Macht berauben lassen - zu Gunsten einer bürgerlichen Regierung.

Für die Machtergreifung durch die Arbeiter sind ein großes Bewusstsein und eine Partei notwendig

Es ist ein klassisches Phänomen, das in allen Revolutionen vorkommt. Die Arbeiter und die Unterdrückten im Allgemeinen glauben nicht daran, dass sie selber die Staatsmacht ausführen könnten.

Die Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft und die Diktatur der Bosse versetzen die Arbeiter in eine untergeordnete Rolle, in der sie nur gehorchen und den Mund halten sollen. Sie haben nie die Möglichkeit ihre Meinung zu sagen, an Entscheidungen teilzuhaben und sei es nur in dem Unternehmen, wo sie ihr Leben verbringen und dass sie selbst am Laufen halten.

Das Gleiche gilt für die ganze Gesellschaft. Natürlich haben diejenigen, die das Wahlrecht besitzen, allerdings eben auch nur diejenigen, die Möglichkeit, regelmäßig ein Kreuz zu machen. Aber das hat sehr wenig mit einer wirklichen Möglichkeit zu tun, sich auszudrücken und noch weniger etwas zu entscheiden.

Und dann schärft man uns schon ab der Geburt ein, dass jeder auf seinem Platz zu sein hat und dass man die Macht und die Entscheidungen denen überlassen sollte, die studiert haben, die die entsprechenden Kompetenzen haben und besondere Erfahrungen haben. Das heißt, der Bourgeoisie und ihren Sprösslingen.

Es wurden extra ganze Elite-Universitäten geschaffen, um diejenigen auszubilden, die die Posten an der Spitze des Staatsapparates einnehmen sollen. In Frankreich sind dies Polytechnique, Sciences politiques, l'Ena ... Es gibt einen ganzen Apparat, der dazu da ist, die Bevölkerung zu beeindrucken und von den Orten der Macht fernzuhalten. Also ja, die Idee, dass die Macht von unten kommen könnte, mit der aktiven Teilhabe der gesamten arbeitenden Bevölkerung scheint alles andere als natürlich zu sein.

Die Bourgeoisie hingegen ist es gewohnt zu herrschen und zu befehlen. Weil sie das Kapital besitzt, nimmt sie sich das Recht heraus zu führen und alle Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese die Zukunft von tausenden Menschen, von ganzen Regionen, ja der Zukunft der Menschheit betreffen.

Und während sich die Arbeiter auf den Baustellen abrackern und sich an den Fließbändern der Lebensmittel- oder Automobilindustrie ihre Gesundheit ruinieren, was erzählt man uns da? Dass die Bosse und die Reichsten der Ursprung von allem wären, weil sie den Arbeitenden Arbeit geben würden, weil sie - die "Arbeitgeber" - den Arbeitern "die Brötchen geben" würden. Sie denken, sie wären das A und O der ganzen Gesellschaft und finden es vollkommen normal, dass sie die wirtschaftliche und politische Macht haben.

Das ist auch der Grund, weshalb die Bourgeoisie in allen Revolutionen immer einen Vorsprung auf die Ausgebeuteten hat. Ja, wie viele Revolutionen, die mit dem Blut der Bauern und Proletarier gemacht wurden, wurden dann von der Bourgeoisie vereinnahmt.

"Werden sich die russischen Arbeiter noch einmal zum Narren halten lassen?", fragte sich Rosa Luxemburg, die große Revolutionärin in Deutschland, als sie von den Ereignissen in Russland hörte. Und mit Zuversicht antwortete sie: "Wir haben keine Angst. Im Gegenteil, wir sind zuversichtlich, dass die schmerzhaften Erfahrungen ihrer eigenen Klasse sie ausreichend darauf vorbereitet haben, dass sie der Bourgeoisie nicht die Früchte eines Sieges überlassen werden, den sie selbst errungenhaben, wie hart und lang auch immer die Kämpfe hierfür sein und wie viele Opfer auch immer sie kosten werden."

Und ja, Rosa Luxemburg konnte dieses Vertrauen haben, weil es in Russland eine Partei gab, mit der man diesen Kampf führen konnte: die bolschewistische Partei.

Acht Monate Erfahrung: Man muss die ganze Macht übernehmen

Um diese Frage der Macht entbrannte der Kampf zwischen den Menschewiki und den Sozialrevolutionären einerseits, die für einen Kompromiss mit der provisorischen Regierung waren, und den Bolschewiki andererseits, die den Slogan "alle Macht den Sowjets" verteidigten.

Allein gegen Alle startete die bolschewistische Partei ab April eine unermüdliche Propaganda, um diesen Slogan zu verbreiten. Es war notwendig, wie Lenin damals sagte, geduldig zu erklären, den Arbeitern zu helfen, die politischen Schlussfolgerungen aus ihren Erfahrungen und den verschiedenen Ereignissen zu ziehen, damit sie die Notwendigkeit verstanden, die provisorische Regierung zu stürzen, und mit Hilfe der Sowjets die ganze Macht zu übernehmen.

Die acht Monate zwischen Februar und Oktober waren in der Tat die Zeit und Gelegenheit für eine beschleunigte Politisierung der Massen. Die Sowjets waren sehr aktiv, ergriffen tausend und eine Initiative und diskutierten leidenschaftlich über alle politischen Fragen. Alle Entscheidungen der bürgerlichen Regierung wurden geprüft, kommentiert und kritisiert.

Die Frage des Friedens, die seit den Tagen im Februar ein starkes Sprungbrett war, war der entscheidende Punkt. Frieden wurde erwartet ... und es wurde entdeckt, dass die Regierung sich gegenüber der französischen Regierung verpflichtete, den Krieg fortzusetzen und die Eroberungen im Falle eines Sieges zu teilen. Schlimmer noch, sie stürzte sich in neue militärische Abenteuer, während Soldaten, die nicht mehr an die Front gehen wollten, massenhaft desertierten.

Die Arbeiter forderten Brot, aber die Regierung war nicht in der Lage, es zu geben, weil sie sich weigerte, radikale Maßnahmen gegen die Spekulanten zu ergreifen. Die Bauern wollten das Land, aber sie wurden gebeten, auf die konstituierende Versammlung zu warten, und als sie das Land, das sie selbst bewirtschafteten, nehmen wollten, setzte die Regierung Truppen gegen sie ein.

Die Bolschewiki waren die einzigen, die die Regierung verurteilten, die einzigen, die alle Macht für die Sowjets beanspruchten und bereit waren, einer Situation ein Ende zu setzen, die sich von Tag zu Tag zu verschlimmern schien. So wurden sie, im März noch eine Minderheit in den Sowjets, auch unter Soldaten und Bauern bekannt und immer mehr angehört.

Tag für Tag wurde klarer, dass die Regierung ein doppeltes Spiel spielte und dass die Versprechen der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre nichts wert waren. Obwohl letztere versuchten, die Positionen der Regierung mit denen der Sowjets in Einklang zu bringen, wurde eine Konfrontation unvermeidlich. Denn der von ihnen befürwortete Kompromiss basierte auf der Illusion, dass es eine Annäherung der Interessen und eine Machtverteilung zwischen Bourgeoisie und Proletariat, zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten geben könnte.

Die Existenz von Sowjets und Fabrikkomitees war für die Besitzenden untragbar. Sie wollten ihr Eigentum, ihre Gesellschaftsordnung retten und bereiteten die Zerschlagung der Revolution vor.

Im Juli kam es zum Frontalzusammenstoß. Anfang Juli startete die militanteste Fraktion des Proletariats und Petrograder Soldaten eine bewaffnete Demonstration gegen die Regierung. Dieser vorzeitige Aufstandsversuch wurde unterdrückt. Die Konterrevolution erhob sofort den Kopf.

Die Mitglieder des alten Regimes und der Bourgeoisie glaubten, dass sich der Wind gedreht hätte und die Sowjets schwächer wurden, und führten im August 1917 mit General Kornilow einen Militärputsch durch. Der Putsch scheiterte, weil die Petrograder Arbeiter und die wichtigsten Garnisonen sich mobilisierten, um die Revolution zu verteidigen. Kornilow gelang es nicht einmal, sich seinen Truppen in Petrograd zu nähern, die Eisenbahner hatten die Gleise sabotiert und die Putschisten auf Abstellgleise gebracht.

Aber die Lektion wurde verstanden, es drohten Diktatur und blutige Unterdrückung der Revolution. Nur starke Sowjets, die alle Kräfte bündeln, könnten das Überleben der Revolution sichern. Diese neuen Ereignisse gaben den Bolschewiki Recht und stärkten sie erheblich. Ende August waren sie in den Petrograder und Moskauer Sowjets in der Mehrheit und im September eroberten sie die Mehrheit in den Provinzsowjets.

Die Illusionen in die Sozialrevolutionäre und die versöhnlerischen Menschewiki waren gefallen. Die Massen begriffen nun, dass sie alle Macht übernehmen mussten. Die Zeit für eine neue Revolution war gekommen.

Die Oktoberrevolution hatte nichts von einem Staatsstreich

In der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober besetzen bewaffnete Arbeiter, unterstützt von Matrosen und einigen Regimentern, die im revolutionären Militärausschuss organisiert waren, die Telefonzentrale, die Post, die Druckereien, die Bahnhöfe, die Brücken und die Staatsbank. Am Morgen waren sie Herr der meisten öffentlichen Gebäude. In der folgenden Nacht wurden der Winterpalast, Sitz und letzte Bastion der provisorischen Regierung, besetzt und die Minister verhaftet. Am Abend des 25. Oktober, als der zweite gesamtrussische Kongress der Sowjets stattfand, fiel die Macht vollständig an die Sowjets.

Der Aufstand bestätigte die Tatsache, dass die Regierung seit Wochen das Vertrauen der Arbeiter und Soldaten verloren hatte. Niemand gehorchte ihren Befehlen oder denen des Generalstabs. Die Regierung war nicht mehr als eine Schattenregierung. Dies erklärt, warum der Aufstand in Petrograd nur eine militärische Formalität war und kaum Todesopfer forderte.

Technisch, militärisch wurde der Oktoberaufstand von einer Minderheit der Arbeiter und Soldaten durchgeführt, aber es war kein Putsch, wie uns die Verleumder des Bolschewismus glauben machen wollen.

Oder es wäre eine völlig neue Art von Putsch. Denn der Oktoberaufstand wurde offen angekündigt, breit diskutiert und sogar zur Abstimmung gestellt.

Während des ganzen Monats Oktober war nur vom Aufstand die Rede. Als die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre sie ablehnten, verteilten die Bolschewiki Flugblätter und organisierten Treffen, um ihre Dringlichkeit zu erklären. Die Zeitungen waren voll von den Vor- und Nachteilen. Sollte die gesamte Macht an die Sowjets übergeben und die provisorische Regierung gestürzt werden, das war die Frage bei allen Wahlen in den Sowjets. Die Bolschewiki wählen, hieß für den Aufstand stimmen. Und Woche für Woche stimmten die Sowjets massiv für die Bolschewiki.

Ja, der Oktober war in der Tat der Aufstand der Massen, eine Revolution, in dem Sinne, dass die große Mehrheit der Arbeiter und Soldaten die Notwendigkeit verstand, sie unterstützte und erwartet hatte.

Die ersten Dekrete der Sowjetmacht

Am Abend des 25. Oktober war der Aufstand noch nicht einmal vorbei, da traf sich bereits der Kongress der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten aus ganz Russland. Wie Trotzki berichtet, waren es keine gut gekleideten Abgeordneten, die nach modischem Parfüm rochen. Es waren einfache Arbeiter, Soldaten in groben Uniformen, bärtige Bauern. Und das ist wahrscheinlich der Grund, warum sie das taten, was noch nie zuvor in der Geschichte eine Regierung getan hatte - sie haben die Bestrebungen der Unterdrückten sofort in die Tat umgesetzt.

Sobald verkündet, unterzeichnete die Sowjetregierung die Dekrete, auf die die Unterdrückten acht Monate lang gewartet hatten, und die die Regierung immer abgelehnt hatte.

Der Sowjet beschloss den Waffenstillstand, verurteilte die imperialistischen Kriegsziele, veröffentlichte die Geheimverträge und rief die Völker Europas auf, dem Beispiel der russischen Arbeiter zu folgen. Er verfügte die Aufteilung des Landes und ermutigte die Bauern, es unter sich aufzuteilen, um dem Parasitismus der Großgrundbesitzer ein Ende zu setzen. Indem er sich auf die Mobilisierung der Arbeiter in Fabriken und Arbeitervierteln stützte, organisierte er die Produktion und Versorgung, um die dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Er erzwang die Kontrolle der Arbeiter und enteignete die Bourgeoisie, wenn sie nicht mitarbeiten wollte.

Er verfügte ferner das Recht der unter der Herrschaft des russischen Imperiums stehenden Nationalitäten, sich selbst zu befreien und unabhängig zu sein, wenn sie dies beschlossen. Er legalisierte die Scheidung, etablierte die Gleichberechtigung der Frauen und tat alles, um sie von häuslichen Aufgaben zu befreien und sie auf allen Machtebenen einzubeziehen.

Keine andere so genannte demokratische Regierung hat auch nur die Hälfte davon erreicht. Damit dies geschehen konnte, musste eine neue Art von Macht entstehen: eine Macht, die von den Ausgebeuteten für die Ausgebeuteten geleitet wird.

Die bolschewistische Partei: ein unerschütterliches Vertrauen in die Fähigkeit der Arbeiterklasse, die Macht auszuüben

Die bolschewistische Partei spielte, wie Trotzki sagt, die Rolle des Geburtshelfers während eines Kaiserschnitts. Selbst als es vor ihren Augen passierte, hatte die Mehrheit der Sozialrevolutionäre und Menschewiki kein Vertrauen in die Fähigkeit der ausgebeuteten Klassen, die Gesellschaft zu regieren. Selbst als sie sahen, dass es die Sowjets waren, die für die Versorgung und viele andere soziale Funktionen sorgten, zogen sie es vor, sich auf die Bourgeoisie zu verlassen, unter dem Vorwand, die Arbeiter seien nicht zahlreich genug, nicht gebildet genug.

Diese Zweifel an den Führungsfähigkeiten der Arbeiter wurden auch in der bolschewistischen Partei geäußert. Denn es hieße die Geschichte umzuschreiben, nämlich die bolschewistische Partei als einen monolithischen Block aus Kämpfern und Führern, die hinter Lenin im Gleichschritt marschierten, darzustellen. Die bolschewistische Partei hat während ihrer gesamten Existenz, und mehr noch während dieser revolutionären Jahre, nicht aufgehört, von Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten durchdrungen zu werden. Auch als es um die Entscheidung für den Aufstand ging.

Aber die Partei und Lenin wussten den Weg zu Ende zu gehen, denn sie hatten ein unerschütterliches Vertrauen in die Arbeiterklasse, in die russische Arbeiterklasse sowie in die deutsche, französische und britische Arbeiterklasse ... von denen Lenin überzeugt war, dass sie ebenfalls die Revolution stürzen würden.

Dieses Vertrauen hatte nichts mit blindem Glauben zu tun. Es basierte auf den marxistischen Ideen und der Arbeiterbewegung. Lenin kannte die Ereignisse der Pariser Kommune auswendig, er kannte den in den Massen verborgenen Elan und ihren Reichtum an Initiative, wenn sie vom Willen zur Selbstbefreiung ergriffen sind. Und dann war da noch das, was vor seinen Augen in Russland geschah.

Arbeiter und Bauern auf dem Land hatten ihre Arbeit bereits weitgehend begonnen. Der Bauer hatte sich zu Boden gebeugt, um den Großgrundbesitzer zu begrüßen und ihn zu bitten, ihm ein kleines Stück Land zu schenken. Nun rief er denselben Besitzer zur Abendversammlung, um zu sagen, welches Land er mit eigenen Händen bearbeiten würde und welches unter den anderen Bauern geteilt werden sollte.

In den Fabriken waren die Betriebs-Komitees aktiv. Viele organisierten die Kontrolle über die Produktion. Oft hatten sie eine gemeinsame Kantine eingerichtet und die Alphabetisierung der Arbeiter organisiert. Sie hatten Kampagnen gegen den Alkoholismus gestartet, kulturelle Zirkel ins Leben gerufen.

In den Städten hatten sich Besuche und Beschlagnahmungen von Gebäuden, die die provisorische Regierung mit aller Kraft bekämpfte, auf Anregung der örtlichen Sowjets vervielfacht.

Lenin wusste, dass er auf all diese Initiativen zählen konnte. Er wusste, dass die Arbeitermacht Fehler machen würde, aber dass sie einen Vorteil gegenüber allen anderen Regierungen haben würde, dass der Respekt vor dem Eigentum der Reichen sie nicht lähmen würde.

Zehn Tage vor dem Aufstand erklärte Lenin in einem Text mit dem Titel "Werden die Bolschewiki die Macht behalten können?"

"Wir sind keine Utopisten. Wir wissen, dass die erste Köchin oder der erste Arbeiter, der kommt, nicht sofort in der Lage ist, an der Leitung des Staates teilzunehmen ... Aber ... wir fordern einen sofortigen Bruch mit dem Vorurteil, dass nur reiche Beamte oder solche aus wohlhabenden Familien in der Lage sind ... den Staat zu führen.

Wir fordern, dass bewusste Arbeiter und Soldaten die staatliche Verwaltung erlernen und durchführen, und dass alle Arbeiter, alle armen Bürger, unverzüglich an diesem Lernen teilnehmen ... Das Wesentliche ist, die Unterdrückten und die Arbeiter mit Vertrauen in ihre eigene Stärke zu begeistern."

Und auch nach dem Oktober hörte er nie auf, zu den Massen zu sprechen, wie in diesem Artikel der Prawda vom 5. November 1917:

"Genossen, denkt daran, dass ihr jetzt selbst den Staat regiert. Versammelt euch um eure Sowjets. Verstärkt sie. Macht euch an die Arbeit an der Basis, ohne auf jemanden zu warten, um die revolutionäre Ordnung zu etablieren. Bewahre die Erde, den Weizen, die Fabriken, die Werkzeuge, die Lebensmittel, die Transportmittel wie deinen Augapfel, all das wird fortan ganz dein eigenes sein, das Eigentum des ganzen Volkes."

Wir bekennen uns zu den Taten der bolschewistischen Partei

Wir bekennen uns zu der Politik, die die bolschewistische Partei bis 1923-1924 verfolgte.

Nach dem Aufstand konnten alle Parteien, die an den Sowjets teilnahmen, ihre Tätigkeit fortsetzen, einschließlich der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre. Die linke Fraktion dieser Partei beteiligte sich für einige Monate an der Regierung.

Aber für die russische Bourgeoisie, für die Nostalgiker des Zarismus und für ausländische Mächte war es unerträglich, dass die Bolschewiki - und durch sie die Arbeiter - die Macht behalten würden. Daher begann Anfang 1918 ein schrecklicher Bürgerkrieg und dauerte drei Jahre.

Während dieses Krieges intervenierten vierzehn ausländische Mächte gegen die junge Arbeitermacht, darunter Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Japan und die Vereinigten Staaten. Diese Großmächte hatten sich im Ersten Weltkrieg gegenseitig zerfleischt, aber sie fanden sich gegen die bolschewistische Macht vereint und schickten Waffen oder Truppen zur Unterstützung der weißen Armeen.

In diesem Zusammenhang von konterrevolutionären Versuchen, materieller Knappheit und Bürgerkrieg mussten die Bolschewiki eine Reihe von Sondermaßnahmen ergreifen, Zensur, politische Polizei, das Verbot bestimmter Parteien, die zu Gewalt gegen die Regierung griffen.

Sie reduzierten das demokratische Leben auf seinen einfachsten Ausdruck und nahmen , um die Revolution zu retten, Zuflucht zu einer Diktatur auf politischer Ebene und zum Kriegskommunismus auf wirtschaftlicher Ebene, weil die meisten Kräfte drei Jahre lang der Roten Armee zur Verteidigung der Sowjetmacht gewidmet waren.

Wir stehen zu dieser Politik in ihrer Gesamtheit. Es liegt uns fern, zu behaupten, dass die Bolschewiki keine Fehler gemacht hätten. Das taten sie, und Lenin war der Erste, der das dachte und sagte. Aber all die Politik und Entscheidungen, die getroffen wurden, auch im Bürgerkrieg, waren vom Willen getragen, die Revolution für die Zeit zu halten und zu verteidigen, bis sie in anderen Ländern ausbrechen würde.

Heute konzentrieren sich alle Angriffe auf die bolschewistische Partei mit Lenin. Er hätte den Stalinismus in sich getragen. Mit dieser Art der Argumentation könnte man auch sagen, dass die Erstürmung der Bastille und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte die Keime des Despotismus Napoleons und der Kriege des Kaiserreichs, die Europa verwüsteten, in sich trugen. Also man darf wirklich nicht alle Zeiten vermischen.

Der stalinistische Staat, die stalinistische Partei und ihr Monolithismus, ihre diktatorischen Methoden, der Gulag, haben nichts damit zu tun, was die bolschewistische Partei, und dieser junge im Aufbau befindliche Staat war, der nur überleben konnte, weil er von Millionen Frauen und Männern unterstützt wurde, die bereit waren, sich für ihn zu opfern.

Die Bezugspunkte und Perspektiven Stalins, der damals behauptete, den Sozialismus in einem einzigen Land aufzubauen, waren das genaue Gegenteil dessen, was die Revolutionäre immer verteidigt hatten.

Es ist die trotzkistische Strömung, die seit 1923 gegen die Bürokratie und die von Stalin durchgesetzte Politik kämpfte und die Flagge des Internationalismus hochhielt, die das wahre Erbe des Bolschewismus darstellt.

Die bolschewistische Partei ließ die Arbeiter an die Macht kommen und begann, die Gesellschaft grundlegend zu verändern. Wir, die wir eine proletarische Revolution anstreben, hoffen, dass es in der nächsten revolutionären Situation eine Partei geben wird, die auf der Höhe ihrer Aufgaben ist.

Gewalt gehört zu Revolutionen dazu

Es ist Mode, die Anwendung von Gewalt im Allgemeinen zu verurteilen und den Revolutionären vorzuwerfen, sie anzuwenden. Aber durch Gewalt wird die Unterdrückung aufrechterhalten. Gewalt ist die ultimative Waffe derjenigen, die herrschen, und es ist das Recht und die Pflicht der Unterdrückten, sich mit revolutionärer Gewalt zu widersetzen.

Nehmen wir die Französische Revolution, die die Regierung jährlich am 14. Juli feiert. Da kann die Regierung sogar noch nebenbei die Macht der herrschenden Ordnung darstellen, da der Höhepunkt dieses Tages eine Militärparade ist. Der 14. Juli war jedoch ein Tag des Aufstands, der zur Eroberung der Bastille führte.

Und die Französische Revolution triumphierte, weil es Bauern gab, die ihre Heugabeln nahmen und die Schlösser niederbrannten, weil es Sans-Culottes gab, die entschlossen genug waren, ihre eigenen revolutionären Gerichtshöfe einzurichten, die Guillotine zu benutzen, und dem König sogar den Kopf abzuschlagen. Hätte die große Masse des Volkes nicht zugestimmt, zu den Waffen zu greifen und "unreines Blut" zu vergießen, wie die Worte der Marseillaise sagen, hätte die Revolution die bewaffnete Koalition der Monarchien nicht überlebt.

Ja, Gewalt ist Teil der Revolutionen.

Aber Gewalt ist auch ein integraler Bestandteil der kapitalistischen Herrschaft. Die so genannten demokratischen Kräfte machen ständig davon Gebrauch.

Um nur von der Zeit zu sprechen, in der die Bolschewiki beschuldigt werden, auf Gewalt zurückgegriffen zu haben, sei daran erinnert, dass der Erste Weltkrieg zehn Millionen Menschen getötet hat: Während dieses Krieges haben alle so genannten Demokratien die Pressefreiheit unterdrückt, Zwangsrekrutierungen in der Armee, die Inhaftierung von Gegnern und sogar von Pazifisten eingeführt und an den Fronten, wurden zahlreiche französische und britische Soldaten erschossen, weil sie verdächtigt wurden, sich vor dem Feind zurückgezogen zu haben.

Und vergessen wir nicht die Kolonien, in denen nach dem Ersten Weltkrieg heftige Repressionen aufrechterhalten wurden, um jegliches Streben nach Freiheit in Irland, Indien, Irak und Syrien zu ersticken. Und doch haben all die Führer der imperialistischen Länder, ob Clemenceau, Churchill oder Wilson, das Recht auf Denkmäler und geben Straßen ihre Namen. Sie werden nicht wegen Fanatismus oder Blut an den Händen angeklagt, geschweige denn wegen Kriegsverbrechen.

Wenn es um die Großmächte, ihre Ordnung und ihre Interessen geht, ist Gewalt immer gerechtfertigt und legitim. Niemals aber, wenn die Unterdrückten mit ihren eigenen Waffen reagieren.

Politiker, Journalisten, bürgerliche Intellektuelle sind bereit, einen wohlwollenden Blick auf die Kämpfe der Unterdrückten zu werfen ... vorausgesetzt, sie verlieren diese! Auf den Barrikaden von 1832 vergießen sie Krokodiltränen über den toten Gavroche, sie können sogar der Erinnerung an die Kommunarden gedenken, aber die Russische Revolution hat keine Chance!

Diese Revolution und die Bolschewiki wecken den Hass der Bourgeoisie, weil sie gesiegt haben, weil die Arbeiter die Macht ergriffen und die bürgerliche Welt gestürzt haben. Genau aus diesem Grund berufen wir uns auf das, was sie getan haben und bewundern sie.

Arbeiterdemokratie/ Bürgerliche Demokratie

Die Geschichts-Fälscher beschuldigen die Bolschewiki, jegliche Demokratie verboten zu haben. Die Bolschewiki hingegen haben sich systematisch auf die Seite der Arbeiterdemokratie gestellt. Sie haben sich für die Betriebskomitees eingesetzt. Sie beanspruchten alle Macht für die Sowjets. Sie waren immer dafür, dass sich Arbeiter und Soldaten von unten organisieren, Initiativen ergreifen und gemeinsam handeln.

Sie stellten diese direkte und volkstümliche Demokratie der bürgerlichen Demokratie gegenüber, die systematisch den Honoratioren, den Gebildetsten und den feinen Rednern den Vorteil gab, vor allem in Ländern wie Russland, wo die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Analphabeten war.

Der Widerspruch zwischen diesen beiden Formen der Demokratie brach ganz offen im Januar 1918 aus, als die Verfassungsgebende Versammlung - deren Einberufung von der bürgerlichen Regierung ständig verschoben wurde - schließlich zusammenkam. Diese Versammlung, die mit vor der Oktoberrevolution erstellten Listen gewählt wurde, konnte den neuen Geisteszustand der Massen nicht widerspiegeln.

Die Sozialrevolutionäre, die in der Mehrheit waren, hatten sich zum Beispiel auf einer einzigen Liste präsentiert, obwohl sie sich im Oktober gespalten hatten und ein Teil an der Sowjet-Regierung teilnahm, während andere dagegen waren. Tatsächlich weigerte sich diese verfassungsgebende Versammlung, die Macht der Sowjets anzuerkennen.

Wieder einmal standen sich zwei Arten von Rechtmäßigkeit gegenüber, die der Verfassungsgebenden Versammlung und die der Sowjets. Wieder einmal wählten die Bolschewiki die Sowjets, das schlagende Herz der Revolution, und beschlossen, die Konstituierende Versammlung aufzulösen.

Für die sogenannten Demokraten ist diese Auflösung die Erbsünde der Bolschewiki. Für die russischen Arbeiter und Bauern, die ihren neuen Staat von unten aufbauten, war es ein Abenteuer, wie es andere in all den Monaten der Revolution gab.

Für uns sind die Sowjets auch heute noch die vollständigste Form der Arbeiterdemokratie. Inspiriert durch die von der Pariser Kommune festgelegten Grundsätze waren die Gewählten jederzeit abrufbar und durch Wahl erneuerbar. Ihre Verantwortung brachte ihnen kein Privileg, keine Sicherheit, das Gehalt wurde auf das Niveau eines Facharbeiters festgelegt.

Im Gegensatz zu den uns bekannten Volksvertretungen standen die Sowjets nicht über der Bevölkerung und waren nicht von der Basis abgeschnitten. Bei der Umsetzung ihrer Entscheidungen waren sie auf Freiwillige aus der Bevölkerung und eine möglichst breite Beteiligung der Arbeitenden angewiesen.

Wie Lenin in Staat und Revolution erklärt, wenn es "eine beträchtliche Erweiterung der Demokratie war, die zum ersten Mal Demokratie für die Armen, Demokratie für das Volk und nicht für die Reichen wurde", dann war es auch "die Diktatur des Proletariats, die eine Reihe von Einschränkungen der Freiheit für Unterdrücker, Ausbeuter und Kapitalisten mit sich bringt".

Dieser Ausdruck, "Diktatur des Proletariats", erfunden von Marx, ist für die Ohren der Bourgeoisie unerträglich, die den Ausgebeuteten täglich ihre eigene Diktatur aufzwingt. Aber diese Diktatur des Proletariats entspricht einem Staat, der unendlich freier ist als alles, was wir in der heutigen Gesellschaft kennen. Gerade weil es das Werk von Millionen Frauen und Männern ist, die kein Privileg zu verteidigen haben, die nicht den ganzen repressiven Apparat brauchen, der die Privilegierten von heute umgibt, die in einem Meer der Armut herrschen.

Unter der Diktatur des Proletariats werden die Freiheiten nicht durch die Macht des Geldes eingeschränkt, missachtet oder gar mit Füßen getreten. Die einzige Freiheit, die unterdrückt wird, ist die Freiheit jemanden auszubeuten, aber diese Einschränkung, ja, die fordern wir Kommunisten.

Gründe für die Entartung

Die Russische Revolution führte nicht zu einer kommunistischen Gesellschaft. Das Proletariat verlor die Macht an eine Bürokratie, die immer mehr die Kontrolle im Staat übernahm, bevor sie eine gnadenlose Diktatur unter Stalin und seinen Nachfolgern ausübte. Und heute kann sich der Kapitalismus in Russland zu Hause fühlen.

Aber das ist überhaupt kein Beweis für das Scheitern des Kommunismus. Die Entartung des Arbeiterstaates, diese Verrottung von innen her, beweist, dass die proletarische Revolution nur im Weltmaßstab triumphieren kann. Denn in diesem Ausmaß etablierte die Bourgeoisie ihre Herrschaft und entfaltete sich der Kapitalismus.

Um, nach Marx, "jeden nach seinen Bedürfnissen zu befriedigen und jeden nach seinen Fähigkeiten arbeiten zu lassen", also rational genug zu produzieren, um die Bedürfnisse aller zu befriedigen, muss es eine hohe Entwicklung der Produktivkräfte, eine bedeutende Industrialisierung, Kommunikations- und Transportnetze, eine Anhäufung von Reichtum und ein gewisses Maß an Kultur und Zivilisation geben.

Der "Sozialismus in einem Land", den Stalin Mitte der 1920er Jahre erfunden hat, ist absurd. Bereits 1917 waren Wirtschaft, Industrie und Kapital international miteinander verflochten. Heute sind sie es noch mehr. Der Aufbau einer überlegenen Wirtschaft kann nur auf dieser internationalen Basis erfolgen.

Es ist ein Zeichen unserer reaktionären Zeit, dass man mehr und mehr nationalistische oder protektionistische Dummheiten hört. Es kann kein Wirtschaftsparadies in einem Land geben, das von zig Grenzen umgeben und vom internationalen Handel abgeschnitten ist.

Die Bolschewiki waren davon überzeugt. Lenin gab einmal folgende Definition des Sozialismus: "Sowjetmacht plus Elektrifizierung". In dieser Kurzformel ist der Grad der Elektrifizierung der entwickelten kapitalistischen Länder eine Mindestvoraussetzung. All dies aber fehlte in Russland.

Im Jahre 1918 schrieb er erneut: "Es ist sicher, dass der endgültige Sieg unserer Revolution, wenn sie isoliert bliebe, hoffnungslos wäre ..." "Wir werden beim endgültigen Sieg erst dann anlangen, wenn es uns schließlich gelingt, den internationalen Imperialismus, der sich auf die grandiose Kraft der Technik und der Disziplin stützt, endgültig zu überwältigen. Aber wir werden den Sieg nur zusammen mit allen Arbeitern der anderen Länder, der ganzen Welt erlangen."

Die Ausdehnung der Revolution war kein frommer Wunsch. Im Januar 1918 brach die Revolution in Finnland aus. Im November 1918 gab es in ganz Deutschland Arbeiterräte. Im März 1919 wurde in Ungarn eine Räte-Republik ausgerufen. In den Jahren 1919 und 1920 wurde Italien von einer Streikwelle erschüttert, aus der ebenfalls Arbeiterräte hervorgingen.

Uns wird oft gesagt, dass wir utopisch sind, weil wir, da der Kapitalismus global ist, eine internationale Revolution brauchen. Aber Revolutionen sind eben von Natur aus ansteckend! Wenn die Ausgebeuteten eines Landes sich erheben, werden sie zu einem Vorbild für die Ausgebeuteten auf der ganzen Welt.

Zwischen 1917 und 1920 erschütterte eine revolutionäre Welle ganz Europa. Noch nie war der Sturz der kapitalistischen Ordnung so nah.

Im Feuer der Ereignisse und trotz der gewaltigen Aufgaben, vor denen sie in Russland standen, halfen die Bolschewiki den Revolutionären überall, Parteien aufzubauen, die in der Lage waren, die Massen zum Sieg zu führen. Sie steckten ihre ganze Energie in den Aufbau einer Internationale.

Die Fahne der Kommunistischen Internationale, die im März 1919 in Moskau gegründet wurde, zog die bewusstesten Elemente der Arbeiter- und Jugendbewegung auf der ganzen Welt an. Von Amerika bis Asien, sogar in den Kolonien der imperialistischen Mächte, erkannten sich die Unterdrückten der ganzen Welt in der Macht der Sowjets wieder, rebellierten oder streikten. So entstanden die kommunistischen Parteien in fast allen Ländern, in Frankreich, Indien, China, Iran, Algerien, den Vereinigten Staaten...

Aber die revolutionäre Welle wurde Land für Land besiegt. Ihr fehlte die Zeit, um die revolutionäre Partei aufzubauen, die in der Lage war, die Rolle der bolschewistischen Partei in Russland zu spielen. Und mit der aktiven Mittäterschaft der alten Parteien, die sich Sozialisten nannten, wurden die Arbeiter unterdrückt.

Die Niederlage dieser ersten revolutionären Welle sollte entscheidend sein. Und sie verursachte einen Rückschlag der Revolution in Russland selbst. Die Isolation der Revolution in einem Land, das durch jahrelangen Krieg ruiniert war, begünstigte die Entwicklung einer Bürokratie, die schließlich die Macht übernahm und den Arbeitern mit Stalin eine eiserne Diktatur aufzwang.

Wenn also Stalin, um einen Ausdruck Trotzkis zu verwenden, einer der größten Verbrecher der Geschichte war, dann liegt die Verantwortung nicht bei den Bolschewiki, sondern bei den sozialdemokratischen Parteien, die die revolutionäre Welle der Nachkriegszeit bekämpft und gestoppt haben. Die 1917 begonnene Schlacht in Russland ging in Berlin, Budapest, Helsinki ... ebenso verloren wie in Moskau.

"Es gab viele Revolutionen, keine hat funktioniert!" wird uns gasagt

Die Entartung der Russischen Revolution reicht aus, um zu verallgemeinern und zu erklären: "Da sie nicht funktioniert hat, wird sie nie funktionieren." Aber kann man aus dieser einmaligen Erfahrung in einem rückständigen Land die Unmöglichkeit und das endgültige Scheitern des Kommunismus im Allgemeinen ableiten?

Wenn es um den Kapitalismus geht, macht niemand solche Verallgemeinerungen. Dennoch können wir eine Bilanz dieser Wirtschaftsform ziehen, die seit mehr als zwei Jahrhunderten existiert, die sich weltweit entwickelt hat und alle Formen von Regimen erlebte, vom Nationalsozialismus bis zur liberalsten Demokratie.

Kann man sagen, dass das ein Erfolg ist? Ist der Kapitalismus in Afrika, ein Erfolg? In Indien? Und was ist heute in den reichen Ländern? In den Vereinigten Staaten, in Frankreich Millionen von Arbeitslosen, endlose Wirtschaftskrisen, zum Bersten volle Gefängnisse, eine verschmutzte Umwelt, überlastet mit Giften, die von den Industriellen hergestellt wurden, und die endlose Gewalt. Ist das ein Erfolg?

Lassen wir uns also nicht von antikommunistischen Abkürzungen täuschen. Und schauen wir uns an, was in Russland erreicht wurde.

Indem sie die Führung der Revolution übernahmen, fegten die Arbeiter und Bauern das ganze mittelalterliche und feudale Durcheinander viel entschlossener weg als die englische und französische Revolution. Muss man daran erinnern, dass die Premierminister in Großbritannien immer noch von der Königin ernannt werden, vor ihr knien, und die Parlamentssitzung von gepuderten und Perücken tragenden Abgeordneten eröffnet wird, die direkt aus dem Mittelalter zu kommen scheinen?

Und wenn wir uns anschauen, was in Indien mit dem Fortbestehen der Kasten, und in vielen Ländern Afrikas und des Nahen Ostens mit ethnischen Gebräuchen, Verstümmelung der Frauen, Zwangsheirat geschieht, dann sagen wir uns, dass es der russischen Revolution gelungen ist, Millionen von Frauen und Männer aus dem barbarischen Zeitalter herauszuholen.

Die Revolution führte sicherlich nicht zu einer sozialistischen Gesellschaft - nochmal, das ist in einem einzigen Land unmöglich - aber sie erlaubte den Aufbau einer kollektivierten und geplanten Wirtschaft, die trotz Diktatur, Korruption und blinder Verwaltung durch die Bürokratie angesichts der kapitalistischen Wirtschaft sich nicht zu verstecken braucht.

Zwischen 1926 und 1938, in dieser Zeit, als die kapitalistische Welt durch die große Krise von 1929 erschüttert wurde, wuchs die sowjetische Wirtschaft stärker als die jedes kapitalistischen Landes.

Während er 1936 Stalins Politik und Verbrechen anprangerte, während seine Mitstreiter in der UdSSR verhaftet, gefoltert und erschossen wurden, würdigte Trotzki das, was er die Errungenschaften der russischen Revolution nannte.

"Die immensen Ergebnisse der Industrie, der hoffnungsvolle Beginn eines Agraraufschwungs, das außerordentliche Wachstum der alten Industriestädte, die Schaffung neuer, die rasche Zunahme der Zahl der Arbeiter, der Anstieg des kulturellen Niveaus und der Bedürfnisse - das sind die unbestreitbaren Ergebnisse der Oktoberrevolution, in der die Propheten der alten Welt das Grab der Zivilisation sehen wollten.

Der Sozialismus hat sein Recht auf den Sieg nicht nur auf den Seiten des Kapitals, sondern in einer wirtschaftlichen Arena bewiesen, die ein Sechstel der Erdoberfläche bedeckt, nicht in der Sprache der Dialektik, sondern in der von Eisen, Stahl, Zement und Elektrizität.

Wenn die UdSSR unter den Schlägen der Außenwelt und unter den Fehlern ihrer Führer untergehen würde - und dies, so hoffen wir fest, uns erspart bleibt - so bliebe sie ein Versprechen der Zukunft. Diese unzerstörbare Tatsache, dass nur die proletarische Revolution einem rückständigen Land erlaubt hat, in weniger als zwanzig Jahren beispiellose Ergebnisse in der Geschichte zu erzielen."

Dies kann weder die stalinistische Barbarei noch später das Verschwinden der Sowjetunion auslöschen.

Wir wollen eine revolutionäre, proletarische Partei aufbauen

Marx sagte die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen, und wir sind überzeugt, dass neue revolutionäre Situationen entstehen werden. Niemand kann wissen, wie viel Zeit uns von einer neuen Arbeiterrevolution trennt. Aber wir wissen, dass eine Partei lebensnotwendig ist.

Während 180 Jahren ihrer Existenz hat sich die Arbeiterklasse 10-mal, ja 100-mal in den Kampf gestürzt. An ihrer Kampfbereitschaft und ihrem Opfermut hat es nicht gemangelt. Ihr hat eine Partei gefehlt, die es ihr erlaubt, sich an die Spitze des Kampfes zu stellen, und ihn bis zur Eroberung der Macht zu führen.

So tiefgreifend auch die mexikanische Revolution 1911, die chinesische 1949 oder die kubanische 1959 waren, so radikal auch die antikolonialen Revolutionen waren, so eröffneten sie nicht die Perspektiven der russischen Revolution. Denn nicht alle revolutionäre Klassen sind gleich.

Andere soziale Klassen als das Proletariat können der Hebel zur Revolution sein, die Bauernschaft und in manchen Ländern das Kleinbürgertum. In Portugal zeigte die Nelken-Revolution, die 1974 die Diktatur stürzte, dass selbst ein Teil der Armee eine Revolte anstoßen konnte.

Aber die Arbeiterklasse stellt die einzige soziale Klasse dar, die die Revolution zu Ende führen kann, das heißt bis zum Sturz der Bourgeoisie und des Privateigentums. Denn, wie Marx sagte, sie hat nichts zu verlieren als ihre Ketten.

Im Gegensatz zu den Bauern und dem Kleinbürgertum ist sie durch keinerlei Eigentum zurückgehalten, sie zieht keinerlei Profit aus der bestehenden Ordnung. Während der Kleinbauer danach trachtet, Herr seines Landes zu sein, um es zu seinem eigenen Nutzen zu bebauen, wollen die Proletarier ihre eigenen Herren sein, sie kämpfen um sich von der Ausbeutung zu befreien, und das kann nur kollektiv sein.

Denn die Mitglieder der Arbeiterklasse bilden ein untrennbares Ganzes. Die Arbeit eines Jeden hat nur im kollektiv geplanten, organisierten und gemeinsam Gemachtem einen Sinn. Um sich zu befreien, müssen die Arbeiter das kapitalistische Privateigentum und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen stürzen.

Diese soziale Befreiung war schon immer der mächtigste Motor der Revolutionen, wie Trotzki am Verlauf der Revolution von 1905 erklärte: "Es handelte sich nicht mehr nur um die Pressefreiheit, weder darum, die Willkür der Offiziere und Polizei zu bekämpfen, noch um das allgemeine Wahlrecht. Der Arbeiter verlangte Garantien für seine Muskeln, Nerven, sein Gehirn. Er hatte beschlossen, einen Teil seiner eigenen Existenz zurückzuerobern. Er konnte und wollte nicht mehr länger warten. Während der Ereignisse der Revolution war ihm seine Macht bewusst geworden, er hatte ein neues und ein höheres Leben entdeckt."

Es ist diese Entdeckung, die der russischen Revolution einen solchen Elan verlieh. Es ist der Enthusiasmus und die Selbstaufopferung die es der jungen Sowjetmacht ermöglichte, den Bürgerkrieg zu gewinnen und es ist noch immer dieser Elan, der die folgenden Generationen selbst unter Stalin nährte, als es sich um die Entwicklung der Industrie handelte.

Mit der russischen Revolution hat die Arbeiterklasse bewiesen, dass sie eine einzigartige und unersetzliche revolutionäre Kraft darstellt. Weil sie nicht nur zur Revolte fähig ist, sondern weil sie vor allem in der Lage ist die Macht zu erobern und sie zu bewahren, um eine wirklich kollektive Gesellschaft, eine Gesellschaft ohne Klassen, ohne Ausbeutung und ohne Grenzen aufzubauen.

Eine solche Partei aufzubauen ist eine schwierige Aufgabe

Wir können Revolutionen nicht auslösen. Kein einziger Revolutionär hat es jemals getan. Es sind soziale Phänomene, die plötzlich auftauchen und die ganze Welt ebenso wie die Revolutionäre überraschen. Aber wir setzen uns dafür ein, dass die Arbeiterklasse zu einem Bewusstsein gelangt, dass es ihre Aufgabe ist, die Welt zu ändern, und dass sie dazu fähig ist.

Das war die Überzeugung Lenins, und ist der Grund dafür, warum er eine Partei aufgebaut hat, die sich vollständig der Arbeiterklasse und ihren Kämpfen widmete. Daher war die Partei unwiederbringlich mit dem Schicksal der Arbeiterklasse verbunden, die sie zur Macht führte.

Eine solche Partei wollen wir aufbauen und nichts daran ist einfach. Und es ist besonders schwierig, wenn die Arbeiterbewegung sich auf dem Rückzug befindet. In den Reihen derer, die die Welt verändern wollen gibt es Ungeduld, Zweifel, Rückzüge. Aber man kann sich die Bedingungen und Umstände in denen man kämpft nicht aussuchen. Man muss sich an die Aufgabe machen.

In einer nicht revolutionären Periode wie der Unsrigen, kann eine solche Partei nur gegen den Strom schwimmen, und nur eine Minderheit der Arbeiter um sich scharen. Das war immer der Fall: in der Zeit von Marx und Engels genauso wie bei der bolschewistischen Partei.

Als die ersten Marxisten sich in Russland sammelten mussten sie Herz und Verstand zusammenhalten: sie vertraten die Perspektive der Revolution in einem Staat, wo der Zarismus unerschütterlich schien. Sie vertraten die Perspektive der proletarischen Weltrevolution in einem Lande, das zu 80 Prozent aus Bauern bestand.

Und dann brach die Revolution von 1905 aus, die eine bedeutende Etappe im Aufbau der Partei war. Aber auf den Enthusiasmus des revolutionären Aufschwungs folgten Niederlage und Rückzug. Viele Aktivisten ließen die Arme hängen. Einige theoretisierten sogar, dass es für die russische Arbeiterklasse unmöglich sei, die Macht zu erobern. Und viele andere gaben völlig auf, als 1914 der Krieg jede Hoffnung auf eine Revolution in absehbarer Zeit verfliegen ließ.

Aber es gab Frauen und Männer wie Lenin, die ihre Überzeugungen behielten und die Perspektive der Revolution lebendig erhielten. Im entscheidenden Moment waren sie da. Und sie waren es, von denen die zukünftige Entwicklung abhing. Es ist ihr Mut und ihre Zähigkeit, die uns inspirieren müssen.

Der Aufbau revolutionärer Parteien in allen Ländern und einer Internationale, die uns so sehr fehlt, das ist eine Aufgabe, die uns heute so scheint, als überstiege sie unsere Kräfte. Doch die Geschichte kennt plötzliche Beschleunigungen und Änderungen der Geisteshaltung.

Und solchen Zeiten werden revolutionäre Parteien aufgebaut werden. Denn aus Kämpfen, aus Streiks, Zusammenstößen mit der Bourgeoisie und ihrem Staatsapparat werden tausende, zigtausende Arbeiter hervorgehen, die dadurch wieder Vertrauen in sich selbst und in ihre eigene Klasse gewinnen. Sie sind es, die man in einer wirklichen Partei, die dieses Namens würdig ist, sammeln müssen wird. Sie werden aus den von uns verteidigten, aber heute in der Minderheit befindlichen Ideen, die Waffen für ihre Emanzipation machen.

Es bedarf also jener Frauen und Männer, die die Fahne hochhalten. Es bedarf der Frauen und Männer, der jungen Leute, die angesichts der Ausbeutung, der Ungerechtigkeiten, der Barbarei des Kapitalismus nicht resigniert haben, und die den Mut auch nicht in Zeiten verlieren, in denen es noch keine Revolten gibt.

Wie langsam auch immer das Vorwärtskommen ist, so muss man doch die Lehren und Erfahrungen aus der Vergangenheit ziehen und wieder anknüpfen an die revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung, das heißt an das Klassenbewusstsein. Und sich zur Aufgabe machen, diese zu verbreiten und neue Generationen dafür zu gewinnen.

"Revolutionär zu sein, heißt jeden Tag eine revolutionäre Tat zu begehen", habe ich letztens gehört. Ich konnte nicht in Erfahrung bringen, um welche revolutionäre Tat es genau ging, ob es darum ging, Bio-Lebensmittel zu essen oder die Fassade einer Bank mit Graffitis zu verzieren. Aber es war eindeutig, dass mein Gesprächspartner unter dem Wort "Revolution" nicht dasselbe verstand wie ich.

Ein revolutionärer Kommunist zu sein, das heißt davon überzeugt zu sein, dass es der Arbeiterklasse zukommt, die Gesellschaft zu verändern, und dass sie dazu auch fähig ist. Es bedarf solcher Aktivisten, die dieses Bewusstsein mit Leib und Seele bewahren, und die bei all ihren Aktivitäten davon geleitet werden.

Denn revolutionär sein heißt nicht tatenlos zu warten bis die Revolution ausbricht. Revolutionärer Kommunist sein heißt, tagtäglich in der Arbeiterklasse zu kämpfen. Das heißt in ihre kleinsten Kämpfe bis zu den größten zu intervenieren, damit die Arbeiter ihre kollektiven Fähigkeiten entdecken. Aber das heißt auch die Ideen und Perspektiven zu verteidigen, wenn sich nichts Besonderes ereignet.

Lenin war im Oktober 1917 Revolutionär, aber auch als er 1914, 1915 ... im Schweizer Exil lebte, denn er hörte nie auf, seine Ideen zu verbreiten und Frauen und Männer um diese Ideen herum zu organisieren.

So wie wir keine Erdbeben voraussagen können, so wissen wir auch nicht, wann und von wo die nächsten revolutionären Erschütterungen ausgehen werden. Wer wird sie auslösen? Die türkischen Bergarbeiter, oder die Südafrikas? Die Arbeiterinnen Bangladeschs, Koreas, Tunesiens, Griechenlands, Spaniens oder Frankreichs? Die Zukunft wird es zeigen.

Aber sicher ist, dass es welche geben wird. Die tägliche Unterdrückung und Ausbeutung sorgen dafür, dass die Wut, die Auflehnung wächst. Einige werden Schläge einstecken, Andere versuchen sich zu wehren bis es zu einer wirklichen sozialen Explosion kommt. Bis Millionen Frauen und Männer, die sich von den Ereignissen durcheinander schütteln ließen entscheiden, dies nicht mehr zu ertragen und anfangen selbst Politik zu machen.

So wie die Arbeiter, Soldaten und Bauern Russlands 1917. Sie werden sich erheben und wie diese lernen, dass wir ganz allein Nichts, aber gemeinsam Alles können!

 

25. Oktober 2017