USA-China: Der amerikanische Imperialismus verstärkt seinen Druck (aus Lutte de Classe – Klassenkampf – von November 2020)

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Der amerikanische Imperialismus verstärkt seinen Druck
November 2020

Militärmanöver im südchinesischen Meer Anfang Juli und Ende August sowie Mitte September auf offener See vor Taiwan; Schließung des chinesischen Konsulats wegen Spionagebeschuldigung in Houston; als Antwort Schließung jenes der USA in Chengdu Mitte Juli; Wortgefechte wegen Hongkong; Aufenthaltsverbot für die Verantwortlichen der KP-Chinas aus den Uigurischen autonomen Gebieten Xinjiang; zusätzliche Restriktionen gegen Huawei und seine Filialen am 17. August… Die Liste der Ereignisse ist lang, die in diesem Sommer Presse und Kommentatoren dazu veranlassten, die Beziehungen zwischen China und den USA als „neuen kalten Krieg“ einzuordnen. 

Tatsächlich sind die Beziehungen zwischen den USA und China seit Langem komplex. Seit der Öffnung Chinas für westliches Kapital Ende der 1980er Jahre, verfolgten die USA eine Politik, China nicht tun zu lassen, was es wollte, aber auch, sich nicht frontal seiner Entwicklung zu widersetzen. Sie versuchten zu kontrollieren, zu kanalisieren, weil sie erheblich davon profitierten und in der Region das Heft in der Hand behalten wollen. China ist kein unterentwickeltes Land wie die anderen, kein Land, das sie nach Belieben ausplündern können, wie es so oft anderswo geschieht. Der chinesische Staat ist im Gegenteil Dank seiner Größe und seiner Bevölkerung ein mächtiger Staat, aber vor allem hat er einen gewissen Zusammenhalt und Zentralisierung als Erbe der nationalistischen Revolution von 1949. Um Zugang zu den billigen Arbeitskräften zu bekommen, zur Infrastruktur und dem Markt, der sich parallel mit der Einführung westlichen Kapitals seit Ende der 1980er gebildet hatte, mussten die imperialistischen Länder gewisse Forderungen des chinesischen Staates erfüllen. Das beste Beispiel dafür sind die „Joint Ventures“, diese Verbindungen mit einem Betrieb vor Ort, die jedes westliche Unternehmen eingehen musste, das sich in China niederlassen wollte. Damit war die Verpflichtung verbunden, diesem einen Teil seines Profits und seines Know-hows zu überlassen.

Wie die chinesischen Führer, die gegen das Verhalten Trumps protestieren, heute sagen: „Die schnelle Entwicklung Chinas, der Austausch und die Kooperation mit dem Rest der Welt, hat im Gegenzug den USA und anderen Staaten einen konstanten Antrieb und bedeutende Wachstumsmöglichkeiten verschafft. Das chinesisch-US-amerikanische Handelsvolumen hat im Vergleich zum Beginn der diplomatischen Beziehungen um das 200-fache zugenommen. Die beiderseitigen Investitionen lagen vorher quasi bei null. Sie haben heute ein Niveau von 240 Milliarden US-Dollar erreicht. Die chinesischen Produkte guter Qualität und mit niedrigen Preisen haben den amerikanischen Verbrauchern spürbare Vorteile gebracht. Der immense chinesische Markt und das für Geschäfte günstige Klima haben für amerikanische Firmen eine bedeutende Profitquelle dargestellt.“ [1] Ebenso wie die amerikanischen Unternehmen seit Ende der 1980er Jahre wirklich von den chinesischen Arbeitskräften und dem chinesischen Markt profitierten, so gilt dies auch für die chinesische Bourgeoisie und die oberen Schichten der Bürokratie mit all ihren Millionären und Milliardären im Zentralkomitee der kommunistischen Partei Chinas. Sie wussten, wie sie mit Hilfe des chinesischen Staates die Betriebe, Arbeitskräfte und Märkte des Landes in Beschlag nehmen konnten. Während es für die Bevölkerung wirklich anders aussieht, wie Premierminister Li Keqiang auf einer Pressekonferenz Anfang Juni bekannte: 600 Millionen Chinesen verfügen über ein Monatseinkommen von 125 Euro und weniger. Diese Summe reicht kaum, um in einer mittelgroßen Stadt eine Wohnung zu mieten [2]. Jene, die sich an der Ausbeutung der chinesischen Arbeiterklasse bereichert haben, tun alles, damit dies so weitergeht.

Die idyllische Vorstellung einer gleichberechtigten Kooperation der USA mit China, wie sie von den Verantwortlichen der KP-Chinas vertreten wird, gehört in den Bereich der Fiktion und Propaganda. Der Imperialismus hat sich nicht darauf beschränkt, Kapital zu investieren und sich dafür komplett den chinesischen Bedingungen zu fügen. Von Anfang an haben die USA, um die Kontrolle zu behalten, es darauf abgesehen, die chinesische Entwicklung zu kanalisieren und ihren Bedingungen unterzuordnen. Im Lauf der 1990er Jahre bestand die Politik der USA also darin, China in die internationalen Organisationen – mit amerikanischen Normen – zu integrieren. Das war das Ziel der Verhandlungen, die China dazu brachten, 2001 der Welthandelsorganisation (WHO) beizutreten. Danach theoretisierte G.W. Bush das „con-gagement“, eine Strategie der gleichzeitigen Verpflichtung (engagement) und Eindämmung (containment). Obama übernahm dies unter dem Namen „Strategie des Dreh- und Angelpunktes Richtung Asien“, insbesondere mittels der „transatlantischen Partnerschaft“. Diese Strategie gestand ein, dass China ein relativ mächtiger Staat ist und stärkte dennoch gleichzeitig das Gewicht der USA in der Region mittels militärischer und kommerzieller Partnerschaften mit seinen Nachbarn Japan, Vietnam, Indien….Dabei handelte es sich ebenfalls nicht darum, die Entwicklung Chinas zu behindern, von der die US-Großkonzerne als erste profitierten, sondern ihnen einen Rahmen zu geben.

Kontinuität oder Bruch?

Stellt Trumps Politik eine Wende im Vergleich zu seinen Vorgängern dar? Es ist sicher, dass der Imperialismus, auf der Suche nach Profiten und neuen Märkten, mit der Entstehung einer neuen Wirtschaft in China fertig geworden ist. Auch wenn das Land auf vielen Gebieten zu einem ernsthaften Konkurrenten geworden ist. Eine Konkurrenz, die sich mit der Krise und der allgemeinen Verlangsamung der Wirtschaft seit 2008, verschärft. Im Bereich der Spitzentechnologie stellt Huawei einen dieser ernsthaften Konkurrenten dar. Das Unternehmen ist jedoch gleichzeitig auch ein Käufer. Das US-Unternehmen Qualcomm, das versucht von den amerikanischen Behörden eine Ausnahmeregelung zu erhalten, um weiter an Huawei liefern zu können, schätzt seine möglichen Verluste auf dem chinesischen Markt auf 8 Mrd. Dollar. Apple, Intel oder auch Nvidia riskieren ebenfalls erhebliche Verluste, wenn die Sanktionspolitik gegen Huawei und chinesische Apps wie WeChat weitergeht. Die amerikanischen Handelsbeschränkungen von August 2020 verbieten tatsächlich jedem ausländischen Unternehmen – selbst indirekt – amerikanische Produkte und Dienstleistungen an Huawei oder seine Filialen zu verkaufen. Dies könnte Huawei daran hindern seine eigenen Prozessoren, die Kirin, zu produzieren, wie es das durch den Zwischenhändler TSMC bisher tat: ein taiwanesisches Unternehmen, das auch wegen einer Ausnahmeregelung mit den amerikanischen Behörden verhandelt. Dies zeigt auf jeden Fall die Abhängigkeit chinesischer Firmen in diesem Bereich, ihren technischen Rückstand und die Tatsache, dass in Wirklichkeit die einen wie die anderen wie Räuber an dieselben Ketten gefesselt sind. Strebt Trump also an, die chinesischen Firmen daran zu hindern diesen Rückstand aufzuholen, auch wenn er damit den Interessen einiger amerikanischer Konzerne schadet? Versucht er eine andere Aufteilung der Märkte zu erzwingen? Oder beides zugleich?

Bei der Eskalation der Sanktionen und Repressalien dieses Sommers muss man auch die herannahende Präsidentenwahl in den USA am 3. November berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der ökonomischen, sozialen und Gesundheitskrise bedient sich Trump Chinas für seinen Wahlkampf. So konnte erklärte der amerikanische Chef-Diplomat, Mike Pompeo, bei der Schließung des Konsulats in Houston in einer an den kalten Krieg erinnernden Sprache, dass die freie Welt über die von der kommunistischen Partei Chinas verkörperte neue Tyrannei triumphiere.

Wer auch immer der Sieger sein wird, so ist es sicher, dass eine gewisse Zahl von Maßnahmen und Sanktionen den Wahlkampf nicht überleben wird. Die chinesische und die Weltwirtschaft sind in der Tat stark miteinander verbunden. Trotz einiger Verlagerungen [3] (die Mehrzahl der Fabriken des südkoreanischen Samsung, etliche des taiwanesischen Foxconn, und jene der chinesischen Schuhindustrie, wie Pou Chen und Stella) nach Vietnam und Indien, wo die Löhne der Arbeiter noch niedriger sind, bleibt China die Werkstatt der Welt. Es ist eine gut integrierte, produktive und Profit bringende Werkstatt, die zig Millionen Arbeiter beschäftigt, wozu bis heute kein anderes Land in der Lage ist. China ist außerdem riesiger Markt, den die westlichen Konzerne nicht ignorieren können. Außerdem bringt der zunehmende amerikanische Druck die chinesischen Machthaber regelmäßig dazu nachzugeben. 2018 haben letztere verkündet, in 5 Jahren die Beschränkungen aufzuheben, die ausländische Autohersteller zu Joint Ventures zwingen: Eine Lockerung, die die USA seit Langem fordern – ebenfalls für den Schiffs- und Flugzeugbau. Im Jahr 2020 haben die Chinesen auch ihre Finanzmärkte für ausländische Unternehmen geöffnet. Und dann hat der Handelskrieg in jüngerer Zeit, statt den Handel abzukühlen, den USA sogar ermöglicht, zig Milliarden mehr einzubringen. Dementsprechend hat sich Trump zu dem noch vor der Gesundheitskrise im Januar zwischen den USA und China unterzeichneten Handelsabkommen beglückwünscht, das Phase 1 genannt wird. Dieses Abkommen sieht vor, dass China in den nächsten zwei Jahren für 200 Milliarden Dollar zusätzlich amerikanische, insbesondere landwirtschaftliche Waren einkauft. Zugegeben, 6 Monate später hat China mitten in der Krise, den Vertrag nur zur Hälfte erfüllt, der Mitte August verschoben wurde. Das wird für Trump und sein Team sicherlich ein Vorwand für neue leidenschaftliche Erklärungen vor der Präsidentenwahl sein.

Im Grunde sind selbst die Beziehungen zwischen den imperialistischen Mächten permanent durch dasselbe Kräftemessen gekennzeichnet. Die protektionistischen Maßnahmen, die Rivalität, der Handelskrieg schließen Allianzen und Übereinkünfte nicht aus. Aber China bleibt insgesamt ein unterentwickeltes Land. Auf Grund der Krise und der Verschärfung der internationalen Konkurrenz hat der amerikanische Imperialismus seine Politik der Eindämmung verschärft und verlangt mehr. China hat im Bewusstsein der realen Kräfteverhältnisse und seiner langfristigen Interessen, bisher unwillig Folge geleistet. Seine Integration in die Weltwirtschaft – die Hälfte seiner Industrie arbeitet ja auf die eine oder andere Weise für den Export – lässt ihm kaum Spielraum.

Der Konflikt im Südchinesischen Meer

Ein anderes Gebiet auf dem die Spannungen sich in den letzten Jahren verschärft haben, befindet sich im Südchinesischen Meer: das Südchinesische Meer für die Chinesen, das Meer des Südens, für die Japaner, für die Vietnamesen das Meer des Ostens. In Südost-Asien hat China als unumgängliche Regionalmacht das Kräfteverhältnis geändert. Das Südchinesische Meer ist ein wichtiger strategischer Knotenpunkt für die Mächte der Region. An seinem westlichen Endpunkt passiert ein Drittel des Welthandels die Meerenge von Malakka: die Hälfte der Seehandels-Tonnage der Welt, 5-mal mehr als am Suez-Kanal. Es ist die kürzeste Verbindung zwischen Europa, dem mittleren Osten und Südostasien. Zwei Drittel des Öls, das in der Region verbraucht wird und 90% des chinesischen Außenhandels passieren diese Route.

Das Südchinesische Meer grenzt an 8 Länder: außer China und Taiwan, an Vietnam, Malaysia, Singapur, Indonesien, die Philippinen und an den kleinen Staat Brunei. Dieses Meer ist übersät von einigen Inseln, aber vor allem von einfachen Riffen, Klippen, Sandbänken, die zum Teil aus dem Wasser herausragen. Zwei Archipele stechen hervor, die Paracel-Inseln im Norden und die Spratly-Inseln im Süden. Die größte Insel der Paracel-Inseln ist 2,6 km² groß, während die größte der Spratlys einen halben km² groß ist.

Bevor sie wegen den Gewässern, das zu diesen Inseln gehört, zu dem politischen und militärischen Streitobjekt wurden, als das wir sie heute kennen, wurden diese Landkrumen niemals dauerhaft bewohnt. Erst die Intervention der imperialistischen Mächte in dieser Region hat am Ende des 19. Jahrhunderts daraus etwas anderes als Kieselsteine gemacht. Zu Beginn der 1930er Jahre war es Frankreich, die Kolonialmacht Indochinas, das dort seine Gebietshoheit behauptete. Es errichtete dort sogar einen Leuchtturm und eine Wetter- und Radiostation, um sein Gebiet zu kennzeichnen. Nach seiner Niederlage und seinem Rückzug aus Indochina 1956, besetzte Südvietnam den westlichen und das zur Volksrepublik gewordene China Maos - den östlichen Teil der Inseln. Die Philippinen und Taiwan stritten um die Spratlys.

In den 1970er Jahren begannen, wegen der Ölkrise und der Suche nach Lagerstätten, alle benachbarten Staaten Forderungen auf diese Landkrumen zu beanspruchen. Zuerst vertrieb China die vietnamesischen Truppen von den Paracel-Inseln und besetzte auch die noch freien Riffe und Sandbänke der Spratlys. 1992 integrierte China per Gesetz die Paracel- und Spratly-Inseln in seine Hoheitsgewässer. Diese umstrittenen Archipele waren von nun an Teil des „nationalen Interesses“ – so wie Taiwan und Tibet. Die Lage wurde 2009 etwas angespannter, als Vietnam und die Philippinen ihre Wirtschaftszonen in die von China besetzten Meeresgebiete ausdehnen wollten. China antwortete, in dem es die Inselchen, die es kontrollierte, durch Polder in militärische Basen verwandelte. Auf mehreren wurden Marine- und Luftwaffenbasen errichtet, wofür die Inseln vergrößert wurden.

Der Druck des amerikanischen Imperialismus

In den letzten Jahren verstärkten die USA ihre Präsenz in der Region. Sie unterstützten ihre dortigen Verbündeten indem sie die chinesischen Ambitionen zügelten und behielten ein Druckmittel gegen diese aufsteigende Macht. Die USA spielen dort ihre Rolle als Weltpolizei und beherrschender Imperialismus. Und auch wenn China 18.000 km Küstenstreifen besitzt, so stößt es überall auf die halbgeschlossenen Hoheitsgewässer seiner Nachbarn und Rivalen: Vietnam, Malaysia, die Philippinen im Süden, im Norden Taiwan und noch nördlicher Japan und Südkorea. Die meisten dieser Staaten sind langjährige Verbündete der USA. Selbst Vietnam hat sich ihnen angenähert. Es empfing einen US-Flugzeugträger und erhielt als Geschenk mehrere Patrouillenboote. Und obwohl sich die Philippinen seit 2016 China annähern, so behalten sie doch ihre Allianz mit Japan und den USA bei. Die amerikanische Strategie besteht seit Langem darin, alle Ausgänge dieses Meeres zu kontrollieren. Der US-Imperialismus ist in der Lage, jederzeit den Seehandelsverkehr Chinas zu blockieren, was er bisher nie tat. Mit seinen Alliierten verhindert er der chinesischen Kriegsmarine den Zugang zum pazifischen Ozean und nach Indien. Tatsächlich ist es eine der Forderungen Chinas, mit seiner Kriegsmarine und seinen U-Booten über Japan und die Philippinen hinaus fahren zu können.

Seit 2015 besteht der amerikanische Druck aus Marinepatrouillen im chinesischen Meer. Diese werden unter dem Vorwand durchgeführt, dass sie überprüfen würden, ob das internationale Recht respektiert wird, dass diese Route für alle offen sei. Doch ist das jedes Mal eine Machtdemonstration. Diese Operationen, finden an verschiedenen umstrittenen Orten auf der Welt statt. Diese „Navigations-Freiheits-Operationen“ werden groß in den Medien dargestellt, um die Schlagkraft der US-Marine zu unterstreichen. Im Südchinesischen Meer finden sie auch innerhalb der 12-Meilenzone um die künstlich geschaffenen Inseln in chinesischer Hand statt, um sie so als Teil der internationalen Gewässer, und nicht als chinesisches Territorium einzuordnen. Die Chinesen antworten auf diese Provokationen indem sie ihrerseits Flugzeuge in diese Zonen schicken und von den befestigten Stellungen „Flugzeug-Träger-Zerstörer“-Raketen abfeuern. Bisher waren diese Manöver von beiden Seiten minutiös austariert, um Entgleisungen zu vermeiden. Doch 2018 hat sich im Rahmen einer dieser Operationen ein chinesischer Zerstörer bis auf 40 m einem amerikanischen Zerstörer genähert. Und seit sich ihre Häufigkeit bis auf einmal pro Monat erhöht hat, steigt auch das Risiko, dass es knallt.

Die Spannungen haben in diesem Sommer auch wegen Taiwan zugenommen. Diese Insel mit 23 Millionen Einwohnern ist seit der Niederlage Chiang Kai-Sheks 1949, der hier Zuflucht fand, von China getrennt. Am 1. Juli dieses Jahres verkündete China die Integration zweier umstrittener Riffe in zwei neue Verwaltungsprovinzen und stationierte in der Nähe Taiwans eine ganze Gruppe von Luft- und Marinestreitkräften. Die USA protestierten, indem sie eine ebensolche Einheit dorthin schickten. Im August schickten sie eine so große Delegation nach Taiwan wie seit 1979 nicht mehr: dem Datum des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zu Taiwan – zu Gunsten Chinas. Im Gefolge dieses Besuches bestätigte Taiwan den massiven Kauf von F-16 Jagdbombern. Die USA erhöhten den Druck, indem sie am 17. September einen Minister - de facto Unterstaatssekretär – nach Taiwan schickten, um es als einen souveränen Staat anzuerkennen, wovor sie sich seit Jahrzehnten gehütet haben. China antwortete mit großen Militär-Manövern, laut Peking wiederholte Übungen, um eine Invasion der Insel vorzubereiten.

Man muss schließlich zur Liste der Gebietsstreitigkeiten Ladakh an der Grenze zu Indien hinzufügen, wo Mitte Juni Kämpfe mehrere Tote forderten. Indien stationierte danach zwei Rafal-Kampfflugzeuge und erhielt die Unterstützung der EU.

Die Anwesenheit eines australischen Schiffes in der im Juli hier stationierten US-Flotte ist nicht harmlos. Die US-Flotte verdoppelte in den letzten Jahren tatsächlich ihr militärisches Potential durch Teilnahme seiner reichsten Verbündeten der Region, insbesondere Japan und Australien. Australien hat sich mit U-Booten ausgerüstet, die von der französischen Naval Gruppe gebaut wurden. Das Ziel ist dabei, über militärische Möglichkeiten zu verfügen, die der sehr expandierenden chinesischen Marine, technologisch überlegen ist. Japan kaufte zig ultramoderne amerikanische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe. Das Argument der japanischen Generäle ist die Verteidigung der Senkaku-Inseln, die China ihnen streitig macht. Die japanische Kriegsmarine kreuzt - mit oder ohne die Amerikaner - ebenfalls im südchinesischen Meer und beabsichtigt bis in den indischen Ozean vorzustoßen. All das, obwohl Japan seit 1945 theoretisch nur das Recht auf eine Armee zur „Selbstverteidigung“ hat.

Die Widersprüche des chinesischen Regimes

 Die Bauernerhebung, die Mao an die Macht brachte, und der Staatsapparat, der daraus hervorging, hat China die Mittel gegeben, sich dem direkten politischen Einfluss des Imperialismus zu entziehen. Die Ausbeutung der Arbeiterklasse und Bauernschaft, erlaubte es diesem Staat, eine Grundstoffindustrie zu entwickeln: Eisen- und Stahl, Bergwerke und Energie. Diese Art, der vom Staat realisierten ursprünglichen Akkumulation, ist die Basis, auf der er in den 1980er Jahren seine Wirtschaft für westliches Kapital öffnete. Seit nunmehr über 30 Jahren hat sich derselbe Staatsapparat zum Träger der Rückkehr des Kapitals der imperialistischen Mächte gemacht. Diese Kapitale können dort wieder investiert werden, die Arbeiterklasse ausbeuten, und Waren in die reichsten Länder liefern. Die chinesische Bourgeoisie, zurück aus Taiwan oder Hongkong, aber auch hervorgegangen aus der Bürokratie, die die Staatsbetriebe zerstückelte, bereicherte sich in ihrer Funktion als Zwischenhändler zwischen den lokalen Arbeitskräften und dem chinesischen und dem Weltmarkt hemmungslos. All das spielte sich nicht ohne innere Konflikte ab; zwischen Arbeitern und neuen Kapitalisten sowie Bürokratie-Kapitalisten. Zwischen der kleinen Minderheit der Reichen und den Hunderten Millionen von Arbeitern und armen Bauern, sowie zwischen der Bürokratie des Zentrums und der der Provinzen. Zwischen den Städten und dem Land. Innerhalb der Städte zwischen Arbeitsmigranten und anderen... Die gewachsene Bedeutung der örtlichen Behörden, der Provinzregierungen, lässt sich an deren Schulden ablesen und an denen der Staatsfabriken unter ihrer Kontrolle. Der übersteigerte Nationalismus von Xi Jinping, seitdem er an der Macht ist, ist ein Versuch, die Gesamtheit der Widersprüche im Allgemeinen Rahmen des chinesischen Staates in Schach zu halten.

Diese Widersprüche haben sich mit den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes verschärft. Die Krise von 2008 hat die Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft gebremst, inklusive der amerikanischen als auch der europäischen Märkte: den hauptsächlichen Kunden Chinas. Die Politik, diese Verlangsamung durch die Entwicklung des Konsums auf dem Binnenmarkt zu kompensieren, hatte kein wesentliches Resultat außer im Bereich der Propaganda. Wie hätte es auch anders sein können. Ein Binnenmarkt entwickelt sich nicht in einigen Jahren. Ein solcher Markt ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, der gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen sozialen Klassen der Gesellschaft und eines bestimmten Einkommensniveaus der großen Masse der Bevölkerung. Dies steht im Gegensatz zum heutigen China. Denn es ist in erster Linie Lieferant billiger Arbeitskräfte und seine öffentlichen Gelder sind in erster Linie dazu bestimmt, Unternehmen zu stützen, und nicht die Armen, also Arbeiter und Bauern. All diese Schwierigkeiten führten das Regime zum Projekt « der neuen Seidenstraßen », d.h. durch Kapitalexport in noch ärmere Länder als China, diese zu verschulden, um den chinesischen Unternehmen und Banken Arbeit zu beschaffen. Aber auch das verhinderte nicht die Abschwächung des chinesischen Wachstums. Die « neue Seidenstraßen » genannte Politik – der Name drückt schon das ganze Programm aus – ist Ausdruck einer großen nationalistischen Propaganda, um die Größe der chinesischen Geschichte wieder herzustellen: die Rückkehr Chinas als führende Großmacht auf Weltebene. Nach einem Jahrhundert der Demütigungen sind die ausländischen Investitionen ein gewichtiges Argument der chinesischen Diplomatie.

Diese Demagogie, sich auf die vergangene Größe Chinas zu berufen, ist begleitet von bedeutenden Investitionen in das Militär. Der Militärhaushalt Chinas ist der zweitgrößte der Welt, allerdings weit hinter dem der USA. Er verschafft den örtlichen Industriellen einen fruchtbaren Markt, und sowohl im Inneren als auch im Äußeren gute Möglichkeiten politischer und militärischer Manöver. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts entwickelt die Staatsmacht im Gewaltmarsch ihre Kriegsmarine. Zwischen 2014 und 2019 erreichte die Steigerung der chinesischen Tonnage die gleiche Größe wie die britische und japanische zusammengenommen. Trotzdem bleibt China im Vergleich zu den USA und ihren Verbündeten ein militärischer Zwerg. Es verfügt nur über eine einzige ausländische Basis - in Dschibuti - und der technologische Rückstand bleibt beträchtlich. Die Stärke besteht in der großen Zahl. Angesichts des Imperialismus befindet sich China im Wesentlichen in defensiver Position.

Der chinesische Nationalismus ist angesichts der imperialistischen Mächte im Wesentlichen verbaler Natur, und kommt in der Unterdrückung nationaler Minderheiten zum Ausdruck, seien es die Uiguren, Tibetaner, Mongolen, die als zurückgeblieben bezeichnet werden. Der chinesische Staat toleriert keinerlei Dissidententum – weder in den Regionen der nationalen Minderheit noch in Hongkong. Und überall hat das Regime die Zügel wieder angezogen und vervielfacht die Kampagnen der Treue zu den ursprünglichen Ideen des Maoismus und die Anprangerung der Korruption.

Die KP Chinas verteidigt den Weg des “für China charakteristischen Sozialismus“. Nationalistische Intellektuelle in Afrika oder in Europa sehen darin eine Alternative zum Imperialismus, einen Stützpunkt, um sich seiner Herrschaft zu widersetzen. Die Beziehungen der USA zu China als „neuen kalten Krieg“ zu bezeichnen tragen zu dieser Illusion bei. Der Kapitalismus chinesischer Art, ein Kapitalismus brutalster Art, der sich weitgehend auf den Staat stützt, wird kein Stützpunkt gegen den Imperialismus sein. Die chinesische Bourgeoisie und die Führer des Staates benötigen ihn. Sie sind selbst ein Rädchen im Räderwerk, mit Eigenarten, aber trotzdem im Räderwerk, das in die weltweite Produktionskette integriert ist. Es ist diese Abhängigkeit, die sich darin ausdrückt, wenn sie schreiben: „Die Geschichte und die Realität zeigen, dass China und die USA alles zu gewinnen haben, wenn sie zusammenarbeiten, und alles zu verlieren, wenn sie sich bekämpfen.“ [4] Die Partnerschaft, die sie preisen, ist vor allem die zwischen ihnen, der reichen Klasse, und den westlichen Kapitalisten. Die einzige fortschrittliche Klasse in China ist das Proletariat von Hunderten Millionen Arbeitern, vereint in Fabriken und gigantischen Städten, die nichts als ihre Ketten zu verlieren haben.

 

[1] „Die Geschichte respektieren, die Zukunft ins Auge fassen und entschlossen die guten chinesisch - amerikanischen Beziehungen erhalten und stabilisieren“, Yang Jiechi, Politbüromitglied des Zentralkomitees der Chinesischen kommunistischen Partei (KPC) und Direktor des Büros der Kommission für auswärtige Angelegenheiten des ZK der KPC, 7. August 2020.

[2] „Armut: 600 Millionen Chinesen weit weg vom Bling-Bling“, Courrier international, 4. Juni 2020.

[3] „Die Elektronikgiganten vernachlässigen China“, Le Monde, 10. August 2020.

[4] Yang Jiechi, vgl. Fußnote 1.

 

18. Oktober 2020