Eine revolutionäre kommunistische Partei aufbauen (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2017)

Εκτύπωση
Eine revolutionäre kommunistische Partei aufbauen
Dezember 2017

(Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2017 verabschiedet)

Die Arbeiterklasse kann sich nur von der Ausbeutung befreien und gleichzeitig die Gesellschaft aus der Zwangsjacke des Kapitalismus befreien, wenn sie dafür sich wieder revolutionäre, kommunistische Parteien schafft.

Diese revolutionäre kommunistische Partei kann nur entstehen und sich entwickeln auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus, wie Marx und Engels ihn vor 170 Jahren entwickelt und im Manifest der Kommunistischen Partei formuliert haben. Das Manifest legt das Fundament für das Programm und die Taktik eben dieser Strömung der Arbeiterbewegung, die sich nicht darauf beschränkt, die materiellen und politischen Interessen der Arbeiter im Rahmen des kapitalistischen Systems zu verteidigen, sondern deren Ziel die Zerstörung dieses Systems ist.

Die Entwicklung des modernen Kapitalismus und die internationale Arbeitsteilung, beschleunigt durch die Industrialisierung, haben selber die Klasse hervorgebracht und entwickelt - die Arbeiterklasse - die als einzige in der Lage ist, die kapitalistische Gesellschaftsordnung durch eine höhere wirtschaftliche und soziale Ordnung zu ersetzen: den Kommunismus. Der Kapitalismus hat in seiner Entwicklung die Wirtschaft globalisiert und damit die wirtschaftlichen Grundlagen geschaffen, auf denen die revolutionäre Arbeiterklasse eine Gesellschaft errichten kann, die frei ist von Ausbeutung, Konkurrenz und Krisen.

Bedingt durch ihr entscheidendes Ziel kann sich der Kampf der Arbeiterklasse nicht darauf beschränken, innerhalb der Grenzen des Nationalstaates geführt zu werden. Im Gegenteil, ihr Kampf ist ein internationaler Kampf mit dem Ziel, die wirtschaftliche und politische Herrschaft zu beenden, indem sich die Arbeiterklasse weltweit zur wirtschaftlich und politisch herrschenden Klasse erhebt.

In der Geschichte der kommunistischen Bewegung gehen der Aufbau der Partei und der Aufbau einer Internationale, einer weltweiten Partei der kommunistischen Revolution, ineinander über.

Die kapitalistische Entwicklung hat die gesellschaftlichen Verhältnisse vereinfacht und die ganze Gesellschaft gespalten in "zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat", wie es das Kommunistische Manifest ausdrückt. Seitdem haben diese zwei Klassen niemals aufgehört, sich zu bekämpfen. Zeitweise findet ihr Kampf nur unter der Oberfläche statt und beschränkt sich auf Scharmützel innerhalb eines Betriebs, bei denen ein Unternehmer seinen Arbeitern gegenübersteht. Dann wieder kommt es zu massiven Zusammenstößen der Klassen, zu Streiks oder Aufständen. Manchmal erringen die Arbeiter in diesen Kämpfen zumindest Teilerfolge. Oft jedoch enden sie mit mehr oder weniger schlimmen Niederlagen.

Mehr als die gesamte offizielle Geschichte und ihre plötzlichen Wendungen, mehr als alle Rivalitäten zwischen den kapitalistischen Nationen und ihren Kriegen, bleibt der Klassenkampf der Motor der Geschichte, auch in der heutigen Zeit.

Über das wechselnde Kräfteverhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat hinaus hatten die kapitalistische Organisation der Gesellschaft und die Konkurrenz schon immer einen zersetzenden Einfluss auf die Organisationen, die die Arbeiterklasse sich geschaffen hat. Die bürgerliche Gesellschaft, die auf dem Privateigentum und der wirtschaftlichen Konkurrenz basiert, führt immer wieder zur Konkurrenz unter den Arbeitern selber. "Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst", stellt das Kommunistische Manifest fest.

Der Kampf um die soziale Befreiung ist damit gleichzeitig ein Kampf gegen den Individualismus und die Konkurrenz unter den Arbeitern und für das kollektive Bewusstsein, zur gleichen sozialen Klasse zu gehören. Dieser Kampf muss beständig neu geführt werden, solange die Herrschaft der Bourgeoisie in der Gesellschaft nicht endgültig gestürzt ist. Nur revolutionäre Zeiten sind imstande, die große Mehrheit der Arbeiterklasse um ihre Klasseninteressen und der politischen Perspektive, die sie verkörpert, zusammenzuschweißen. Nur in diesen Zeiten kann sich die Arbeiterklasse auf die Höhe ihrer historischen Aufgabe erheben, die darin besteht, die sozialen Verhältnisse des Kapitalismus vollständig zu zerstören und anzufangen, eine neue soziale Ordnung ohne Privateigentum an den Produktionsmitteln, ohne Konkurrenz und ohne Ausbeutung zu errichten.

"Die Kommunisten (...) erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung", bekräftigt das Kommunistische Manifest. Im Gegensatz zu all dem Unsinn, den die "sozialistischen" oder stalinistischen Reformisten von sich geben, kann die Arbeiterklasse die Macht nicht im Rahmen der Gesetze erobern, die die Bourgeoisie erlassen hat. Ihre politische Unabhängigkeit ist daher die wichtigste Bedingung: "Statt sich abermals dazu herabzulassen, den bürgerlichen Demokraten als beifallklatschender Chor zu dienen, müssen die Arbeiter, vor allem der Bund, dahin wirken, neben den offiziellen Demokraten eine selbständige geheime und öffentliche Organisation der Arbeiterpartei herzustellen und jede Gemeinde zum Mittelpunkt und Kern von Arbeitervereinen zu machen, in denen die Stellung und Interessen des Proletariats unabhängig von bürgerlichen Einflüssen diskutiert werden." (Auszug aus der "Ansprache der Zentralbehörde an den Bund" von Marx und Engels im März 1850).

Auf der Grundlage dieses Programms hat die bolschewistische Partei die russische Arbeiterklasse bis zur Ergreifung und Ausübung der Staatsmacht führen können; indem sie die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus in Taten umsetzen, in einem Land, das ein Sechstel der Erde umfasste.

Lenin, der wichtigste Kopf der bolschewistischen Partei, formulierte "die Aufgaben der russischen Sozialdemokraten" 1897 - also zwanzig Jahre, bevor die Sowjets (Räte), die sich die russischen Arbeiter geschaffen hatten, die Macht ergriffen - folgendermaßen: "Wir haben die Aufgabe, unsere Tätigkeit aufs Engste mit den praktischen Tagesfragen des Arbeiterlebens zu verbinden, den Arbeitern zu helfen, sich in diesen Fragen zurechtzufinden, die Aufmerksamkeit der Arbeiter auf die gröbsten Missbräuche zu lenken, ihnen zu helfen, ihre Forderungen an die Unternehmer genauer und zweckmäßiger zu formulieren, in den Arbeitern das Bewusstsein ihrer Solidarität zu entwickeln, das Bewusstsein der gemeinsamen Interessen und der gemeinsamen Sache aller russischen Arbeiter als einer einheitlichen Arbeiterklasse, die ein Bestandteil der Weltarmee des Proletariats ist."

In den Augen Lenins und Trotzkis war der Sieg der proletarischen Revolution in Russland 1917 der Sieg des ersten Bataillons dieser "Weltarmee des Proletariats", das sich in den entscheidenden Kampf geworfen hatte. Es ist unmöglich, in diesem Sieg das Ausmaß und die Tiefe des revolutionären Engagements der russischen Arbeiterklasse von der Rolle der bolschewistischen Partei während dieser acht Monate vom Beginn der Februarrevolution bis zur Machtergreifung im Oktober 1917 zu trennen. Im Laufe der Monate verschmolzen die Arbeiterklasse und die Partei, in der ihre politische Avantgarde organisiert war, in einem bislang nie dagewesenen Grad. Sie verschmolzen im Laufe von acht Monaten Zusammenstößen zwischen den Klassen - eine Vereinigung, die durch die Revolution ihren höchstmöglichen Grad erreichte.

Die Revolution selbst hätte jedoch die Arbeiterklasse nicht in dem Maße mit ihrer politischen Avantgarde verschmelzen können, hätte es nicht viele Jahre der Vorbereitung hierfür seitens der bolschewistischen Partei und ihrer Aktivisten gegeben, die im Einklang mit dem Reifegrad der Arbeiterklasse selber handelten.

Wir kommen hier nicht auf die Bedeutung der Revolution von 1905 als "Generalprobe" für 1917 zurück, und auch nicht auf den tiefgreifenden Rückgang der Kampfbereitschaft und der Organisierung der Arbeiterklasse zwischen 1907 und dem Beginn des folgenden Jahrzehnts.

Die Zeit des Aufschwungs der Arbeiterkämpfe im Jahr 1905 haben jedoch ebenso wie die Zeit des tiefgreifenden Rückgangs ab 1907 dazu beigetragen, diese Partei zu schmieden, die für unsere politische Strömung Vorbild und Bezugspunkt bleiben. Im Licht der revolutionären Welle, die der russischen Revolution folgte, schrieb Lenin 1920: "Jetzt liegt uns bereits eine recht beträchtliche internationale Erfahrung vor, die mit voller Bestimmtheit erkennen lässt, dass einige Grundzüge unserer Revolution nicht örtliche, nicht spezifische nationale, nicht ausschließlich russische, sondern internationale Bedeutung haben" (aus: Die Kinderkrankheit des Kommunismus).

Der Sieg der Arbeiterklasse im Oktober 1917 in Russland entschied im Feuer der Revolution die Debatte darüber, was für eine Partei die Arbeiterklasse braucht, um die Macht zu ergreifen. Sie entschied sie zunächst in Russland selber, zwischen der menschewistischen und der bolschewistischen Strömung, und zwar auf die radikalste Weise: Während die Bolschewiki die Arbeiterklasse zum Sieg führten, stellten sich die Menschewiki - obwohl sie aus derselben sozialdemokratischen Partei hervorgegangen waren - endgültig auf die Seite der Bourgeoisie.

Die revolutionäre Welle der Jahre 1917-1921, die einen Großteil Europas erschütterte, hat nicht in der Theorie, sondern im lebendigen revolutionären Kampf den Wert und die Richtigkeit der bolschewistischen Methoden bewiesen: durch den Sieg der russischen Revolution, durch die Niederlage der anderen Revolutionen.

Der Arbeiterklasse gelang es nirgendwo außer in Russland, die Macht zu erobern und zu behalten. Selbstverständlich trug eine Vielzahl von Faktoren dazu bei, wie die revolutionären Situationen endeten, denen das Proletariat in Deutschland, Ungarn, Finnland und bis zu einem gewissen Grad in Italien gegenüberstand. Einer dieser Faktoren war selbstverständlich das Ausmaß und die Tiefe des Engagements und der Mobilmachung der Arbeiter in jedem dieser Länder. Ebenso spielte eine Rolle, wie sehr sich auf der Gegenseite die Bourgeoisie vorbereitet hatte, wie kompetent ihr politisches und militärisches Personal war. Und natürlich auch Faktoren, die mit der geopolitischen Lage des jeweiligen Landes zusammenhingen: seine Größe, der Entwicklungsstand seiner Wirtschaft, seine Verwundbarkeit auf militärischem Gebiet usw.

Dennoch bleibt die Tatsache, dass es der russischen Arbeiterklasse nicht nur gelang, die Macht zu erobern, sondern sie zu behalten - trotz des Bürgerkriegs und der militärischen Interventionen der imperialistischen Großmächte und auch trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines großen, aber rückständiges Landes.

Diese Zeit hat der Notwendigkeit einer Partei bolschewistischen Typs einen universellen Charakter verliehen, sie hat gezeigt, dass eine solche Partei notwendig ist, damit die Revolution siegen kann.

Der Bourgeoisie ist es jedoch gelungen, in dieser ersten großen, internationalen Schlacht zwischen den beiden grundlegenden Klassen der kapitalistischen Gesellschaft den Sieg davon zu tragen. Zum großen Teil deshalb, weil sie Verbündete in der Sozialdemokratie gefunden hat, das heißt in der Führung und dem politischen Apparat der Parteien, die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen waren. Die reformistische Sozialdemokratie liefert das erste Beispiel dieser Dialektik der Geschichte, die aus der Arbeiterklasse hervorgegangene Parteien, ihre Führungen und Apparate in Instrumente zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung verwandelt hat.

Mit der Bürokratisierung des ersten Arbeiterstaates hat die Geschichte etwas Vergleichbares hervorgebracht, allerdings mit dauerhafteren und noch schwerwiegenderen Folgen.

Der Stalinismus, der aus der Revolution hervorging, wurde zum wichtigsten konterrevolutionären Faktor; nicht nur in der Sowjetunion, wo er der politische Ausdruck der Interessen der Bürokratie war, sondern weltweit.

In der Sowjetunion selber tat die Bürokratie alles, um die Arbeiterklasse vollständig zu brechen und eine ganze Generation von Revolutionären umzubringen, die der Oktoberrevolution treu geblieben waren. Im internationalen Maßstab setzte der Stalinismus diese Rolle fort. Der Stalinismus hat nicht nur jede revolutionäre Entwicklung in den kapitalistischen Ländern erstickt (1936 in Spanien und in gewisser Weise in Frankreich). Mit der Volksfrontpolitik hat er die Arbeiterbewegung an die politischen Parteien der Bourgeoisie gekettet.

Während der großen Krise der kapitalistischen Wirtschaft Mitte der 1930er Jahre sind die kapitalistische Klasse und die Arbeiterklasse erneut weltweit aufeinandergeprallt. Die herrschende Klasse hat den Fortbestand ihrer Macht zumindest in Europa einerseits durch den Faschismus gesichert, andererseits durch die vom Stalinismus ins Leben gerufenen Volksfronten.

In den Kämpfen der dreißiger Jahre spielte die große Krise der kapitalistischen Wirtschaft eine ähnliche Rolle, wie der Erste Weltkrieg sie als Auslöser der revolutionären Welle von 1917-1921 gespielt hatte. Die Arbeiterklasse fand weltweit ihre Kampfbereitschaft wieder. Doch sie fand keine Leitung, um diese Kämpfe bis zu Ende zu führen. Schlimmer noch: Diejenigen, die sich als Führer der Arbeiterbewegung ausgaben - die sozialistischen und stalinistischen Parteien - schwangen sich in dieser Zeit zu den Verteidigern der politischen Interessen des Bürgertums auf und haben weltweit die kapitalistische Ordnung geschützt.

Trotzki fasste es damals im Übergangsprogramm folgendermaßen zusammen: "Die historische Krise der Menschheit ist zurückzuführen auf die Krise der revolutionären Führung."

Nicht nur die Arbeiterklasse, sondern die gesamte Menschheit bezahlt mit dem Zweiten Weltkrieg für diese Führungskrise.

Der einzige ernsthafte Versuch, die Kontinuität der revolutionären Arbeiterbewegung sowohl auf theoretischem Gebiet wie in ihren Taten zu sicher zu stellen, wurde von der Linksopposition in Russland und der IV. Internationale unternommen. Die historische Rolle Trotzkis und der IV. Internationale, die er ausgerufen hatte, kurz bevor er auf Befehl Stalins ermordet wurde, bestand darin, eine politische Kontinuität zwischen der revolutionären Bewegung und der Oktoberrevolution aufrecht zu erhalten und damit auch mit der Strömung, die nacheinander von der I. Internationale von Marx und Engels, dann von der II. Internationale bis zum Ersten Weltkrieg und schließlich von der Kommunistischen Internationale in den Jahren 1919-1923 verkörpert wurde.

Trotzki selbst war als Aktivist von der II. Internationale ausgebildet und geprägt worden und wurde, nachdem er einer der wichtigsten Anführer in der russischen Revolution gewesen war, zu einem einflussreichen Mitglied in der Führung der III. Internationale. Gegenüber dem siegreichen Stalinismus verkörperte er das politische Erbe des Besten, was die beiden Internationalen hervorgebracht hatten.

Diesem beachtlichen politischen Kapital fügte er noch einen Beitrag lebenswichtiger Bedeutung hinzu: Er analysierte die Beziehungen zwischen der imperialistischen Bourgeoisie und der Arbeiterklasse nach der Entartung des Arbeiterstaates.

Angefangen bei der marxistischen Analyse, warum und wie die Bürokratie entstand, die als Parasit auf dem Staat lebte, den die proletarische Revolution geschaffen hatte.

Des Weiteren die politische Analyse zweier politischer Phänomene, des Faschismus und der Volksfront, die der Imperialismus angesichts der großen Krise von 1929 hervorgebracht hat, um die Gefahr einer proletarischen Revolution zu beseitigen - im ersten Fall durch Terror, im zweiten durch Betrug.

Die Schriften von Trotzki aus jener Zeit stellten und stellen bis heute die Anwendung der marxistischen Ideen und Herangehensweise auf zahlreiche, plötzlich auftretende Ereignisse in einer Zeit dar, die reich ist an Ereignissen: der Kampf gegen den Nationalsozialismus in Deutschland, die Spanische Revolution von 1936, Juni 1936 in Frankreich oder die bis dahin einzigartige Mobilisierung der Arbeiterklasse in den USA.

In seinen politischen Schriften findet sich ebenfalls der Schlüssel für zahlreiche weitere Ereignisse, die nach seinem Tod eingetreten sind - wie zum Beispiel die Verwandlung der jungen Kommunistischen Partei Chinas in eine nationalistische Partei, die in der Lage war, die politische Macht zu ergreifen, indem sie sich auf einen Aufstand der armen Bauernschaft stützte.

Wir berufen uns auf die IV. Internationale, die von Trotzki 1938 zu einer Zeit gegründet wurde, als auf der einen Seite der Stalinismus auf den Trümmern der Oktoberrevolution von 1917 siegte und auf der anderen Seite der Faschismus in Deutschland und Italien fest im Sattel saß - als also, wie Victor Serge es ausdrücke - "es Mitternacht im Jahrhundert war". Das Übergangsprogramm, das Manifest des revolutionären Marxismus in der Epoche des Imperialismus, hat auch heute nichts von seiner Aktualität verloren.

Doch weder zu den Lebzeiten Trotzkis, und noch weniger nach seinem Tod, konnten sich die von Trotzki verkörperten Ideen und das revolutionäre Programm wieder in der Arbeiterklasse verankern. Einzig in der Sowjetunion hatte es mit der Linksopposition eine Partei gegeben, die das Erbe der bolschewistischen Partei verkörperte; eine Partei mit ausgebildeten Aktivisten, die über die reichen Erfahrungen der russischen Revolution, der ersten Jahre des wirtschaftlichen Umbaus in sozialistischem Sinn und des Kampfs gegen die wachsende Bürokratisierung verfügten. Doch diese Partei wurde von der stalinistischen Bürokratie wortwörtlich ausgelöscht. Es war ein wahrhafter Kampf auf Leben und Tod, in dem die Arbeiterklasse durch die Aktion der Aktivisten der Linksopposition der Entartung ihres Staates und der privilegierten Schicht der Bürokratie gegenüberstand, die diese Entartung abgesondert hatte. Diese Auseinandersetzung setzte sich im Weltmaßstab fort.

Die Parteien, die aus der Kommunistischen Internationale hervorgegangen sind und sich in stalinistische Parteien verwandelt haben, haben überall einen unerbittlichen Krieg gegen alle geführt, die anprangerten, dass sich die stalinistische Strömung widerrechtlich den Namen "kommunistisch" angeeignet hatte; gegen alle, die im Namen des revolutionären Marxismus die bürokratische Diktatur der stalinistischen Sowjetunion verurteilten.

Wie wir alle wissen, hat der Stalinismus später selber sowohl in der Sowjetunion wie auch in der internationalen Arbeiterbewegung seinen Niedergang erlebt. Doch die Arbeiterklasse und letztlich die gesamte Gesellschaft bezahlen bis heute den Preis des Stalinismus.

Wie stellt sich die Frage der Partei heute?

Ein Jahrhundert nach der russischen Revolution hat die Arbeiterklasse nirgendwo auf der Welt die Macht erobert. Nirgendwo war sie auch nur in der Lage, sie zu ergreifen. Und zur heutigen Stunde verfügt die Arbeiterklasse in keinem Land der Welt über eine revolutionäre, proletarische Partei - das notwendige Werkzeug ihrer Emanzipation.

Hier ist nicht der Ort, um die Gründe für diese extreme Verspätung zu analysieren. Es sei nur so viel gesagt, dass in der ersten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg objektive Gründe, die mit der revolutionären Bewegung selber nichts zu tun hatten, dafür verantwortlich waren, nicht zuletzt eine gewisse Stabilität in den imperialistischen Ländern in den 1950er und 1960er Jahren. Diese Stabilität verdankt die imperialistische Bourgeoisie hauptsächlich der aktiven Mithilfe der sowjetischen Bürokratie und der stalinistischen Bewegung bei der Wiederherstellung der kapitalistischen Ordnung. Aktiv haben sie dazu beigetragen, die revolutionäre Welle zu ersticken oder in Sackgassen zu lenken, die das zweite imperialistische Massenabschlachten hervorgebracht hatte - eine Schlächterei, die noch mörderischer gewesen war als die erste. In den entwickelten imperialistischen Ländern haben sie sie erstickt. Und sie haben dazu beigetragen, die revolutionären Bewegungen der armen Massen in den unterentwickelten und vom Imperialismus unterdrückten Ländern in eine nationalistische Richtung zu lenken.

Die mächtigen revolutionären Aufwallungen, die die imperialistische Weltordnung in dieser Zeit erschüttert haben - von China bis Indonesien, von Indien bis Indochina - haben diese Weltordnung nicht zerstört. Denn dies war nicht das Ziel der nationalistischen Führungen, deren politische Ambitionen sich darauf beschränkten, ihrer einheimischen Bourgeoisie an die Macht zu verhalfen. Was China heute geworden ist, mit seinem ungezügelten Kapitalismus und seinen "roten Milliardären", war im Keim bereits in der Perspektive enthalten, die Mao und die Seinen ihrem Volk in der Revolution gegeben haben.

Von den Emanzipationskriegen der unterdrückten Völker gezwungen, gibt der Imperialismus die koloniale Form seiner Herrschaft auf, aber nicht seine Herrschaft an sich.

Auf der Ebene der Beziehungen zwischen den Klassen hat die imperialistische Bourgeoisie die Bourgeoisien der armen Länder in das kapitalistische Weltsystem integriert und die Gefahr der Revolution damit gebannt.

In Frankreich sind die Parteien, die einst aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen sind, in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg vollständig in das Lager der Bourgeoisie gewechselt. Die Sozialistische Partei hat jeden Charakter einer Arbeiterpartei verloren und ist einer der Grundpfeiler der bürgerlichen V. Republik geworden - ein Element des politischen Wechselspiels [zwischen konservativer und sozialistischer Partei, die sich an der Macht abwechselten], bevor dieses Wechselspiel selbst ruhmlos zugrunde ging und Macron und der Front National das Feld überlassen hat.

Die Kommunistische Partei hat die alten Mönchskutten des Stalinismus am Wegesrand liegen lassen und hat von ihm nur noch ihr tiefes Misstrauen gegenüber der Arbeiterklasse und ihren Eigeninitiativen behalten. Sie wurde zu einer Aushilfskraft für die Sozialistische Partei und hat ihren Niedergang noch vor der Sozialistischen Partei erlebt. Die Aktivisten der Arbeiterbewegung haben Zuflucht in den Gewerkschaften gesucht. Eine sehr unsichere Zuflucht jedoch, da die Gewerkschaftsapparate ebenfalls ihre Integration in den imperialistischen Staat fortgesetzt haben.

Die heutige Lage ist tief geprägt davon, dass die neue schwere Krise der kapitalistischen Wirtschaft die Arbeiterklasse politisch entwaffnet vorfindet. Sie hat keine Partei, deren Ziel es ist, das kapitalistische System zu stürzen. Mehr noch, mangels einer solchen Partei ist es ihr nicht einmal möglich, sich auf politischem Gebiet zu verteidigen. Aber nicht in der Arbeiterklasse darf man deswegen in Frage stellen, sondern ihre Organisationen. Die Arbeiterklasse hat nicht nur ihre unverzichtbare Rolle in der Produktion behalten. International gesehen ist sie auch zahlenmäßig weiter gewachsen, verstärkt durch große Bataillone der armen Länder, die in die "Weltarmee des Proletariats" eingetreten sind, von der Lenin sprach.

Während ihrer ganzen Geschichte hat die kapitalistische Wirtschaft die Arbeiterklasse in dem Maße ausdifferenziert wie sie ihre Reihen vergrößert hat. Sie hat mehr oder wenige neue Formen der Ausbeutung erfunden, oder wenigenstens "moderne" Formen gefunden, die Ausbeutung zu verschleiern (eine ihrer jüngsten Verkleidungen ist die Kategorie der Ich-AG).

Die Zusammensetzung der lohnabhängigen Klassen hat sich darüber hinaus zugunsten der Dienstleistungen, Banken, Versicherungen und des Gesundheitswesens verändert. Auch dies hat die Unterschiede unter denjenigen vergrößert, die nur ihren Lohn zum Leben haben, sowohl was die Löhne angeht, wie auch einige weitere Aspekte der Existenzbedingungen. Die Bourgeoisie und ihre Ideologien sind geübt darin, diese Unterschiede zu nutzen. Sie versuchen, mit ihrer Hilfe den grundlegenden Klassenwiderspruch zu verschleiern zwischen den Ausgebeuteten und denen, die sich durch diese Ausbeutung bereichern.

Deshalb ist es wichtig, den Korporatismus - also alles Berufsständische - zu bekämpfen, das letztlich eine Waffe der Bourgeoisie ist, um ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten.

Die Arbeiterklasse in Industrie und Transportwesen stellt dennoch weiterhin das größte Bataillon in der Armee des Proletariats - sogar in den imperialistischen Ländern, wo die Bourgeoisie sein Verschwinden ankündigt. Die Industriearbeiter sind in Frankreich heute zahlreicher als während der großen Streiks im Juni 1936.

Der Kapitalismus in seiner Krise zerstört Tag für Tag die Grundlage der reformistischen Ideen. Der Niedergang der sozialdemokratischen und stalinistischen Strömungen ist ein Zeugnis hiervon. Aber vor dem Hintergrund einer reaktionären Entwicklung der Gesellschaft hinken die Ideen und die Bewusstseinsentwicklung der Wirklichkeit hinterher.

In Frankreich ist die Arbeiterklasse genau wie in allen imperialistischen Ländern weiterhin tief geprägt von der immer illusorischeren Perspektive, die Lebensbedingungen der Arbeiter im Rahmen des kapitalistischen Systems verändern zu können. Der Anstieg der Nichtwähler zeugt insbesondere hier, in Frankreich, zwar davon, dass sich viele angeekelt von der Politik abwenden. Aber es bedeutet nicht, dass das Bewusstsein für die politischen Interessen der Ausgebeuteten zugenommen hätte. Die Illusionen in die Wahlen prägen die Arbeiterklasse immer noch tiefgehend. Einem Großteil von ihnen scheinen die Wahlen eine glaubwürdigere Perspektive als die Revolution - insbesondere denjenigen, die zur organisierten Arbeiterbewegung gehören oder besser gesagt zu dem, was von ihr noch übrig ist.

Die organisierte Arbeiterbewegung ist geschwächt und viele ihrer Aktivisten sind demoralisiert. Dennoch organisiert die Gewerkschaftsbewegung bis heute die Mehrheit der Arbeiter, die sich engagieren wollen, um ihre Klasse zu verteidigen. Der konservative Charakter der Gewerkschaftsführungen und ihre Integration in das System können weder durch Mitläufertum noch durch Sektierertum bekämpft werden.

Die reformistische "Linke" in allen ihren Schattierungen, pseudo-sozialistisch, pseudo-kommunistisch oder seit kurzem auch "mélenchonistisch", die gleichzeitig die Illusionen der Arbeiter in die Wahlen verstärkt, ist hiervon ebenfalls ein Ausdruck.

Diese reale Lage der Dinge muss der Ausgangspunkt der revolutionären Kommunisten sein. Einen Teil der Arbeiterklasse für die revolutionären Ideen zu gewinnen ist nur dann möglich, wenn man zu jedem Zeitpunkt die Existenz einer revolutionären kommunistischen Strömung und einer revolutionären Politik hervorhebt, die sich von allen anderen grundlegend unterscheidet.

In der weltweiten Geschichte der revolutionären Strömung der Arbeiterbewegung hat es nicht nur eine Kontinuität der Ideen gegeben, sondern auch eine physische Kontinuität in Gestalt von Aktivisten und Organisationen der I., dann der II. und schließlich der III. Internationale. Jedes Mal waren die Aktivisten und Führer der neuen Internationale aus der vorherigen hervorgegangen, das heißt sie hatten im Inneren der alten Internationale ihre politische Ausbildung erfahren. Nach dem Verrat der II. Internationale und der Mehrheit ihrer Anführer, konnte die III. Internationale sich auf Aktivisten stützen, die sich geweigert hatten, bei diesem Verrat mitzumachen. Diese Kontinuität hat der Stalinismus unterbrochen.

Trotz dieses physischen Bruchs in der geschichtlichen Kontinuität fängt der Kampf um die Wiedergeburt revolutionärer kommunistischer Parteien nicht bei null an. Der revolutionäre Marxismus lebt weiterhin in den Schriften von Marx, Engels, Rosa Luxemburgs, Lenins, Trotzkis und vieler anderer. Auf der Basis dieser Ideen kann eine revolutionäre kommunistische Partei wiederaufgebaut werden.

Die marxistischen Ideen den neuen Generationen und vor allem der neuen Generation der Arbeiterklasse weiterzugeben, bleibt die wichtigste Aufgabe unserer Zeit. Angefangen bei der materialistischen Geschichtsauffassung, von der Trotzki anlässlich des 90. Geburtstag des Kommunistischen Manifests schrieb, dass sie "ganz und gar der Erprobung durch die Ereignisse und den Hieben der feindlichen Kritik standgehalten hat: Sie stellt heute eines der wertvollsten Instrumente menschlichen Denkens dar. Alle anderen Interpretationen des geschichtlichen Prozesses haben jeden wissenschaftlichen Wert verloren. Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass es heutzutage unmöglich ist, nicht nur ein revolutionärer Aktivist, sondern auch einfach nur ein politisch gebildeter Mensch zu sein, ohne sich die materialistische Auffassung der Geschichte angeeignet zu haben."

Es ist ganz besonders wichtig, diese Idee zu verstehen und sie sich anzueignen - insbesondere in unserer Zeit, in der die reaktionären Ideen ihren Siegeszug feiern und die Religionen und der Mystizismus zurückkehren.

Die Mehrheit der Organisationen der IV. Internationale und des Trotzkismus sind - durch die stalinistische Gewalt von der Arbeiterbewegung abgeschnitten - auf verschiedene Art und Weise dem Druck des intellektuellen Kleinbürgertums erlegen, bei dem sie Unterschlupf gefunden hatten. Die meisten von ihnen haben letztlich die revolutionäre kommunistische Politik aufgegeben. Sie handeln nicht mehr nach ihr, ja viele haben sich sogar von ihren grundlegenden Ideen losgesagt.

Die politische Strömung, die heute von Lutte Ouvrière verkörpert wird, ist während des Zweiten Weltkriegs entstanden, durch einen Bruch mit der offiziellen Leitung der IV. Internationale, wie sie nach dem Tod Trotzkis 1940 geworden war. Ohne die Leitung Trotzkis zerbrach die IV. Internationale in mehrere Organisationen; man kann heute sagen, dass sie als Organisation tot ist, ohne jemals wirklich gelebt zu haben.

Unsere Konzeption einer revolutionären kommunistischen Partei ist die von Lenin. Die revolutionäre kommunistische Partei muss selbstverständlich ein Instrument der Propaganda und eine Schule für die Arbeiter sein. Sie muss am Leben der Arbeiterklasse und all ihren Kämpfen teilhaben, inklusive ihrer unmittelbarsten Kämpfe. Aber sie muss vor allem das Werkzeug für den Kampf um die Macht sein, das Werkzeug, dass die Arbeiterklasse wird nutzen müssen, um der Bourgeoisie die politische Macht zu entreißen.

Eben weil sie diese Perspektive hat, weil sie nicht versucht, irgendetwas von der Macht des Bürgertums und seiner Institutionen zu bewahren, eben weil ihre Aktivisten nicht im Rahmen eines Systems Karriere machen wollen, das sie zu zerstören beabsichtigen - eben deshalb kann eine wirkliche kommunistische Partei jeden Kampf, selbst die Kämpfe, die am Anfang unbedeutend schienen, bis zum Ende führen, das heißt bis zum Maximum dessen, was in diesem Kampf möglich war. Sie vertrauen der Arbeiterklasse und haben keine Angst davor, wenn die Arbeiterklasse sich nicht mehr unter Kontrolle halten lässt, wenn die Arbeiterklasse selbst die Revolutionäre überholt.

Lutte Ouvrière, so wie wir heute sind, sind diese Partei noch nicht, aber ein Embryo hiervon - ein Embryo, dessen Ziel es ist, eine solche Partei aufzubauen.

Um zu unterstreichen, dass man versuchen muss, die zukünftige revolutionäre kommunistische Partei nach dem Organisationstypus und den Arbeitsmethoden der Bolschewiki aufzubauen, steht im Bericht 43, dem Gründungstext unserer Strömung: "Die bolschewistische Auffassung wurde durch den Sieg der Oktoberrevolution 1917 bestätigt. Doch die Degenerierung der Oktoberrevolution hat auch die Auffassung der Partei in Frage gestellt. Unfähig, den Stalinismus als Produkt des tatsächlichen Verlaufs des Klassenkampfs zu erklären (der zu einer Situation geführt hat, in der das Proletariat, das die Macht erobert und das Privateigentum durch die Planwirtschaft ersetzt hatte, durch eine Bürokratie von der Macht verdrängt wird, die sich auf der Grundlage der von der Revolution geschaffenen Verhältnisse erhält, zugleich aber unter politischem, gesellschaftlichem, moralischem, usw. Gesichtspunkt die absolute Verneinung des Bolschewismus darstellt), kommen viele ,Kritiker' dazu, den Bolschewismus selbst als undemokratisch usw. anzuklagen und somit als verantwortlich für den Stalinismus. Aber keiner dieser Kritiker hat es geschafft, etwas Neues zu erfinden, das die Partei, die ein Mittel ist, daran hindern würde, bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu zerbrechen, sei es aufgrund ihres unzureichenden materiellen und ideologischen Inhalts (wie verschiedene entstehende Parteien der dritten Internationale), sei es nach der Erschöpfung dieses Inhalts bei der Erfüllung der revolutionären Aufgabe: das war das Schicksal der bolschewistischen Partei in Russland. Diese ,Kritiker' haben im Übrigen weitab vom revolutionären Kampf geendet und sind zu bürgerlichen Anschauungen zurückgekehrt. DIE ÜBELTATEN DES STALINISMUS KÖNNEN NICHT DEM BOLSCHEWISMUS ANGEKREIDET WERDEN, VON DEM ER NICHT DIE FORTSETZUNG, SONDERN DIE VERNEINUNG IST".

Dieses Treuebekenntnis zur bolschewistischen Konzeption der Partei - trotz und gegen den Stalinismus - ist mehrere Jahrzehnte alt, aber es ist für uns weiterhin gültig. Die Partei wird nur aufgebaut werden können, wenn ihr Skelett aus Aktivisten besteht, die das Organisationsprinzip anerkennen, das Lenin den demokratischen Zentralismus nannte.

Die Frage, ob die aufzubauende revolutionäre kommunistische Partei eine Massenpartei oder einer "Partei von Berufsrevolutionären" zu sein hat, führt - wenn sie falsch gestellt wird - oft zu müßigen Diskussionen. Das Ziel der revolutionären kommunistischen Partei besteht selbstverständlich darin, eine Massenpartei zu werden: in dem Sinne, dass sie einen bedeutenden Teil der Arbeiterklasse umfasst und die Unterstützung der Mehrheit der Arbeiterklasse genießt. Ohne dies kann sie ihre Rolle nicht spielen, das heißt die Macht zu erobern und sich dabei auf den Elan der gesamten Arbeiterklasse zu stützen. Die bolschewistische Partei hätte die Macht nicht erobern können - und hat dies auch nicht gewollt - bevor sie in der Arbeiterklasse eine große Mehrheit hinter sich hatte. Die bolschewistische Partei konnte die wachsende Unterstützung an den Sowjetwahlen ablesen, und dies war ein entscheidender Faktor bei der Entscheidung, den Sturmangriff auf die Macht zu beginnen.

Aber der Partei-Embryo wird nicht wachsen und eine wirkliche Partei werden könne ohne einen harten Kern von Aktivisten, die der Sache des revolutionären Kommunismus ergeben sind, die entschlossen, kompetent und für die marxistischen Ideen gewonnen sind, die die vergangenen Kämpfe der Arbeiterklasse kennen und in der Lage sind, deren Erfahrungen zu teilen.

Erst in revolutionären Zeiten wird sie eine wirkliche Massenpartei werden und im Klassenkampf kampferprobt werden können. Das heißt in einer Zeit, in der die Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit sich im Kampf befindet und aus ihren Reihen tausende Frauen und Männer hervorbringt, die durch den Kampf selber zu der Überzeugung kommen, dass man die Herrschaft der Bourgeoisie stürzen muss. Aber um dann das Werkzeug für den Kampf um die Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse zu sein, muss ihre Strategie und ihre tägliche Politik von diesem Ziel durchdrungen sein - auch in Zeiten, in denen das Bewusstsein der Arbeiterklasse noch nicht an diesem Punkt ist.

Umgekehrt ist es dumm und lächerlich zu glauben, dass es eine Abkürzung zur Massenpartei geben könne, indem man einen Teil seiner revolutionären kommunistischen Ideen aufgibt, um so seine Reihen zu erweitern und eine Massenpartei zu werden. In der Regel ist dies nichts als ein falscher Bart, der kaschieren soll, dass man die revolutionäre kommunistische Perspektive aufgibt.

Für eine revolutionäre kommunistische Gruppe wäre es ebenfalls albern zu glauben, man könne sich einfach darauf beschränken, Propaganda für sein Programm zu machen und dabei auf seine Reinheit zu achten und darauf warten, dass revolutionäre Zeiten kommen, in denen die Arbeiterklasse Aktivisten hervorbringt, die auf der Suche nach einem Programm und einer Politik sind. Nicht umsonst nannte Lenin diese Auffassung eine "Kinderkrankheit des Kommunismus".

Eine Organisation, selbst wenn sie noch keine Partei, sondern nur ein Embryo ist, muss am realen Klassenkampf teilnehmen, so wie er gerade ist, und ihre Ideen und ihre Politik verbreiten. Sie muss beständig versuchen, ihre Aktion auszuweiten und sich dabei auf Frauen und Männer stützen, die die revolutionären kommunistischen Perspektiven teilen, selbst wenn sie nicht bereit sind, sich vollständig in der revolutionären Aktivität zu engagieren.

Um eine Partei aufzubauen, ist das Engagement eines Kerns von Aktivisten unabdingbar, die Lenin als Berufsrevolutionäre bezeichnete - eben um eine Kontinuität der revolutionären kommunistischen Aktivität zu ermöglichen und um in einer einzigen revolutionären Aktion auch die begrenzten (auf bestimmte Bereiche oder einen bestimmten Zeitraum begrenzten) Aktivitäten möglichst vieler Frauen und Männer zu vereinen, die bereit sind, ihren Beitrag zum Aufbau der Partei zu leisten. Als er von diesen "Berufsrevolutionären" sprach, benutzte oft Lenin in "Was tun?" den Ausdruck "Organisatoren", was ihre Rolle gut beschreibt.

Aber auch hier geht es nicht darum, seinen revolutionären Wein mit Wasser zu verdünnen. Es ist unabdingbar, dass alle Gruppen und Komitees, die zum Aufbau der Partei beitragen, sich nicht nur "auf der Seite der Arbeiterklasse" fühlen, sondern dass sie die gleiche Perspektive und das gleiche grundlegende Programm teilen. Nur unter dieser Bedingung können sie politische Beziehungen zwischen der zukünftigen Partei und den Arbeitern knüpfen. Nur unter dieser Bedingung können sie ihren, selbst kleinen Teil zu Aktivitäten beitragen, die so unabdingbar für eine revolutionäre kommunistische Organisation sind wie das Gewinnen junger Arbeiter und junger Intellektueller, die sich dazu entschließen, sich dem Kampf anzuschließen.

Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass ein Embryo einer Partei nicht an den täglichen Kämpfen der Arbeiter teilnehmen, ihr Vertrauen und politische Glaubwürdigkeit gewinnen kann, um eine Partei zu werden, wenn er nicht an allen möglichen Organisationen teilnimmt (Gewerkschaften, Kulturvereine, ja auch Sportvereine, Mietervereine, Alphabetisierungsgruppen, Gruppen zur Verteidigung der illegalen Immigranten usw.), deren Daseinszweck in keinster Weise die soziale Revolution ist. Aber es geht darum, dort teilzunehmen und dort eine revolutionäre kommunistische Politik zu verteidigen. Und es ist für revolutionäre kommunistische Aktivisten und Sympathisanten wichtig, sich dort ein Umfeld zu schaffen, das ihre Aktionen unterstützt und ihre Ideen aufnimmt und weiterträgt.

Dieses ganze weite Umfeld (der Ausdruck ist natürlich relativ in Bezug auf unsere Größe zu verstehen) muss auf politischer Ebene die Verlängerung der Organisation sein.

Es wäre sinnlos, heute zu versuchen, sich auszumalen, wie der Weg aussehen wird, über den eine Organisation wie die unsere sich von einem Embryo in eine Partei verwandeln könnte.

Werden sich Aktivisten aus der Arbeiterklasse einbringen, die heute vom Reformismus und den Wahlillusionen geprägt sind, aber weder den Kampf aufgegeben haben noch demoralisiert sind und die ein Wiedererwachen der Kampfbereitschaft dazu bringen könnte, sich nicht mehr mit einem "Ersatz" zu begnügen, weder mit der Variante Kommunistische Partei, noch mit der Variante Mélenchon? Wird der entscheidende Schwung von der jungen Generation an Arbeitern kommen, die unter prekären Verhältnissen leben und Jahrzehnte zurück in die Lebensbedingungen der Arbeiter von einst zurückgeworfen werden - Lebensbedingungen, die übrigens in drei Viertel der Welt, den unterentwickelten Ländern, niemals andere waren?

Es wäre genauso sinnlos, über die nächsten Erschütterungen der Arbeiterklasse zu spekulieren, auch wenn es schwer fällt , sich den Aufbau der Partei als etwas Lineares vorzustellen, in dem ein Aktivist nach dem anderen gewonnen würde. Solche Erschütterungen könnten den Aufbau einer Partei beschleunigen, weil sie Gelegenheiten schaffen, die man dann zu nutzen wissen muss. Aber solche Erschütterungen sind unmöglich vorauszusehen. Was Frankreich angeht, so muss man nur an die Gelegenheiten denken, die Mai 1968 geboten hat und die die Strömungen, die sich damals auf die Revolution beriefen, nicht zu nutzen gewusst haben.

Es wäre übrigens auch eine Illusion zu glauben, dass der Kampf der revolutionären Perspektiven gegen den Reformismus nach dem Niedergang der Parteien, die einst aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen sind (die Kommunistische Partei Frankreichs im Besonderen), beendet wäre. Die politischen Kämpfe zwischen den Anhängern dieser beiden Perspektiven haben in unterschiedlichster Form die gesamte Geschichte der Arbeiterbewegung begleitet. Selbst ein massiver Anstieg des Kampfeswillens der Arbeiter auf politischem Gebiet wird mindestens ebenso sehr den reformistischen Parteien und politischen Kräften zu Gute kommen - am Anfang sicher sogar am meisten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die kommunistische Strömung ihre Fahne erhebt und den Kampf gegen die Verkäufer von Illusionen führt.

Enden wir damit, dass der Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei und der Aufbau einer revolutionären kommunistischen Internationale ineinander übergehen. Die Bedingungen, die die Entwicklung der Partei ermöglichen, werden auch die Wiedergeburt der Internationale ermöglichen. Notwendig hierfür ist, dass man eine Politik hat, die darauf ausgerichtet ist. Der Leitfaden dieses Aufbaus der Internationale wie auch der Partei hier in Frankreich wird der revolutionäre Marxismus sein.

6. Oktober 2017