Vor 70 Jahren trat Frankreich in den Zweiten Weltkrieg ein (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - Juli 2009)

Εκτύπωση
Vor 70 Jahren trat Frankreich in den Zweiten Weltkrieg ein
Juli 2009

Wenn der Zweite Weltkrieg für die Franzosen erst am 3. September 1939 anfing, so fielen doch die ersten Schüsse schon viel früher, acht Jahre vorher (1931) in der von Japan besetzten Mandschurei und 1937 in ganz China. Und nur ein Jahr später trat Italien in den Konflikt ein, zwei Jahre später die UdSSR einerseits und die USA andererseits nun auch in den Krieg ein. Und damit erwähnen wir weder die Länder Mitteleuropas noch die Balkanländer, die in diesen Sturm hineingezogen wurden.

Die offizielle Geschichtsschreibung, die von den Regierungen, von den politischen Parteien der Bourgeoisie und von der Mehrheit der Historiker verbreitet wird, beinhaltet zahlreiche Legenden über diesen Krieg, der über fünfzig Millionen Menschenleben vernichtete: die Legende des "Kreuzzuges der Demokratien" gegen den Faschismus, die Legende der Vermeidbarkeit des Krieges, die auf der Naivität der englischen und französischen Politiker fußte, die glaubten, dass man den Krieg durch eine "beruhigende" Politik gegenüber Nazideutschland hätte vermeiden könnte, wie auch die Legende von der unglaublich überlegenen Waffenstärke Deutschlands. Das sind Legenden, weil sie die wirklichen Gründe des Krieges so wie die Ursachen des Zusammenbruchs Frankreichs 1940 verschleiern.

Der so genannte Kreuzzug der Demokratien

Unbestreitbar waren Deutschland und Italien Diktaturen, um aber ihre Gegner als "Demokratien" zu sehen, muss man eine rosarote Brille aufsetzen. Frankreich und Großbritannien beherrschten jeweils ein gigantisches Kolonialreich, in dem der immensen Mehrheit der Bevölkerung jedes politische Recht aberkannt wurde, in dem die Zwangsarbeit eine alltägliche Sache war, in dem alle, die Widerstand leisten wollten, riskierten, zu unwürdigen Bedingungen in Strafkolonien eingesperrt zu werden. Sogar in Frankreich wurden spanische Republikaner, die Franco entkamen, in Internierungslager eingesperrt. In diesen Lagern wurden nach der Kriegserklärung auch die deutschen und österreichischen Antifaschisten eingesperrt, die geglaubt hatten, dass sie ein Asyl in dem "Land der Menschenrechte" finden würden. Und der Kriegseintritt der stalinistischen UdSSR im Juni 1941, die gerade die großen Säuberungswellen hinter sich gebracht hatte, konnte sicher auch nichts zur Verbesserung der Situation beitragen, ebenso wenig wie der Kriegseintritt der USA im Dezember des selben Jahres. Dort herrschte eine strenge Rassentrennung gegen die Afroamerikaner, in der Gesellschaft und in der Armee sowie gegen die japanischstämmigen Amerikaner, die während des gesamten Krieges in Lagern eingepfercht leben musste.

Natürlich kann man sagen, dass Deutschland, dann ein Jahr später Italien, in diesem Kampf die "Angreifer" waren... aber Angreifer so wie in einem Bandenkrieg, wo die Gangster die alten Bosse auszuschalten versuchen, welche nur verlangen, ruhig von den Einkünften ihres Schleichhandels leben zu können.

Aufgrund des Versailler Vertrags wurde Deutschland von einem großen Teil der Gebiete amputiert, die das Reich der Hohenzollern bildeten, dabei Gebiete, in denen Deutsche die Mehrheit der Bevölkerung bildeten. Darüber hinaus wurde Deutschland, das erst verspätet Ende des 19. Jahrhunderts mit der Jagd nach Kolonien begann, von den Siegern enteignet: seine afrikanischen Kolonien wurden Großbritannien und in geringerem Maße Frankreich zugesprochen. Frankreich hatte im Nahen Osten auch auf Kosten des türkischen Reichs die "Gebiete des Morgenlandes" (das heutige Syrien und den Libanon) bekommen.

Italien befand sich 1918 auf der Seite der Sieger, hatte aber am Ende des Krieges nur ein paar kümmerliche Brocken (Südtirol auf Kosten Österreichs), einige kleine Inseln in der Adria, aber keine Kolonien gewonnen. Viel weniger als das, was Italien im Londoner Vertrag mit Großbritannien und Frankreich 1915 versprochen wurde, viel weniger als das, was dieser Vertrag als Preis für den Kriegseintritt auf der Seite der Alliierten festgesetzt hatte.

Deutschland und Italien, die beiden früheren Feinde, hatten also den gemeinsamen Wunsch, die Weltaufteilung von 1919 wieder in Frage zu stellen.

Die Logik der "Beruhigungspolitik zur Vermeidung des Krieges"

Den meisten Historikern nach haben sich Frankreich und Großbritannien als schwach erwiesen, indem sie sich der deutschen Wiederaufrüstung nicht widersetzt haben, beziehungsweise als naiv, indem sie geglaubt haben, sie könnten somit Hitler besänftigen. Wenn es aber Naive in dieser Geschichte gibt, sind es die, die nicht sehen oder nicht sehen wollen, dass dieses Verhalten sich aus politischen Gründen ergab.

Trotz der mehrfach wiederholten pazifistischen Reden, die Hitler nach seinem Aufstieg zum Reichskanzler hielt, war es klar, dass seine Machtübernahme mittel- oder langfristig einen neuen Krieg bedeutete. Die deutsche Bourgeoisie hatte sich angesichts der Weltwirtschaftskrise entschlossen, den Versailler Vertrag mit Gewalt wieder in Frage zu stellen, weil dieser Vertrag ihr die Luft abschnürte und weil sie auf die Nazitruppen rechnete, um die Arbeiterklasse und ihre Organisationen zu zerschlagen, unumgänglicher Weg, um einen zukünftigen Krieg vorzubereiten.

Schon seit 1933 hatte Trotzki die Politik des neuen Regimes analysiert, Ausgangspunkt war ein "offener Brief", den Hitler 1932 von Papen, dem vorletzten Reichskanzler, geschrieben hatte, als der Nazichef selbst erst noch Bewerber für den Posten war.

"Der ,Offene Brief' ist kein Geheimdokument", schrieb Trotzki. "Es ist das eine Broschüre, die offiziell von der Nazipartei am 16. Oktober 1932 herausgegeben wurde, drei Monate vor Hitlers Machtantritt. (...) Hitler fühlte sich schon fast am Ruder. Es blieb ihm nur noch übrig, das letzte Hindernis aus dem Weg zu räumen. Die herrschenden Klassen blickten auf ihn voll Hoffnung, doch nicht ohne Beklemmung. Am meisten fürchteten sie ein Abenteuer des romantischen Chauvinismus. Zweck des 'Offenen Briefes' war, den Spitzen der besitzenden Klassen, der Bürokratie, der Generalität, der engeren Umgebung Hindenburgs zu versichern, dass er, Hitler (...), auf sein Ziel mit der größten Behutsamkeit zugehen werde. Der ,Offene Brief' enthielt ein vollendetes System der Außenpolitik, das erst heute seine volle Bedeutung gewinnt. Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund (im Oktober 1933) wurde in der ganzen Welt als eine unerwartete und unvernünftige Improvisation aufgefasst. Doch im ,Offenen Brief' ist genau gesagt, warum Deutschland Genf würde verlassen müssen und wie dieser Bruch zu inszenieren sei.

Der außerordentliche Wert des Briefes besteht darin, dass Hitler - in jenen Tagen noch gezwungen zu kämpfen und zu polemisieren - unvorsichtig die geheimen Triebfedern seiner künftigen Außenpolitik bloßlegte. Der Ausgangspunkt des ,Briefes' ist derselbe wie in der Autobiographie (das heißt "Mein Kampf"): Deutschlands und Frankreichs Interessen sind vollständig unversöhnbar ; Frankreich kann nicht freiwillig in die Veränderung des Kräfteverhältnisses zugunsten Deutschlands einwilligen ; Deutschland kann die ,Gleichberechtigung' nicht durch Diskussion auf den internationalen Konferenzen erreichen ; damit die internationale Diplomatie Deutschlands Recht auf Aufrüstung anerkenne, ist es nötig, dass die Deutschen vorher aufgerüstet haben. Aber gerade darum darf man nicht (...) laut der Aufrüstung Deutschlands fordern. (...) Eine verantwortungsbewusste Regierung - das heißt die Regierung Hitler (...) - soll nur die Abrüstung Frankreichs fordern. Da aber Frankreich auf keinen Fall darauf eingehen kann, so wird Deutschland den Völkerbund verlassen müssen, um eben dadurch freie Hand zu bekommen. Für den Krieg? Nein. Deutschland ist bis jetzt noch zu schwach, als dass seine Regierung in der nächsten Zeit eine andere Sprache als die des Pazifismus reden könnte.

(...) Das Instrument des Pazifismus muss die verantwortliche Regierung selbst in die Hand nehmen. Auf diesem Wege wird es im Verlauf von einigen Jahren gelingen, eine gründliche Änderung des Kräfteverhältnisses zuwege zu bringen.

Das ist Hitlers Plan. Dieser Plan entspringt der ganzen Lage, der internationalen wie der inneren.

(...) Hitler verließ Genf nicht infolge einer nervösen Improvisation, sondern gemäß einem exakt kalkulierten Plan. (...) Er arbeitet auf eine gründliche Veränderung des militärischen Kräfteverhältnisses hin. Gerade jetzt, wo diese Arbeit schon begonnen ist, aber bei Weitem noch nicht entscheidende Ergebnisse erzielt hat, braucht Hitler größte Behutsamkeit in der europäischen Arena. Niemanden schrecken ; niemanden reizen ; im Gegenteil, weit die Arme öffnen! Hitler ist bereit, alle Zäune aller Kriegsfabriken mit pazifistischen Reden und Nichtangriffspakten zu bekleben. Paris ist eine Messe wert! Bedarf es einer klaren, einfachen, nicht diplomatischen Formel für die pazifistische Offensive der deutschen Regierung, so lautet sie: In den nächsten zwei, drei Jahren muss Hitler, koste es was es wolle, einen Präventivkrieg von Seiten seiner Gegner verhindern. In diesem Rahmen ist sein Pazifismus durchaus aufrichtig. Aber auch nur in diesem Rahmen."

Auch wenn sie Trotzkis Scharfblick nicht hatten, kannten die französischen und britischen Machthaber die Gefahr, die das Hitlerregime bedeutete. Aber andere politische Betrachtungen als die Furcht vor einem neuen Kampf bewegte sie, ihre "beruhigende" Politik durchzuführen.

1933 war Europa mit nur 16 Jahren von der russischen Revolution entfernt, und nur mit 14 Jahren von der revolutionären Krise, die 1919 den ganzen Kontinent erschüttert hatte. Das Gespenst - nach Ansicht der Bourgeoisie - der proletarischen Revolution in Deutschland hatte den Alpträumen der europäischen Bourgeoisie bis zur Niederschlagung der deutschen kommunistischen Arbeiterbewegung durch die Nazis in den ersten Monaten des Jahres 1933 keine Ruhe gelassen. Aber das Regime Hitlers, das trotz des Verbots der Kommunistischen Partei Deutschlands und trotz der gegen die Opposition ausgeübten Gewalt die absolute Mehrheit nicht bekommen hatte, war vielleicht noch schwach. Und die verantwortlichen bürgerlichen Politiker, auch die, die die Gründung einer faschistischen Diktatur in Frankreich fürchteten, hatten überhaupt keine Lust, etwas zu tun, das diesen destabilisieren könnte.

Deswegen löste die Wiederherstellung des Militärdienstes in Deutschland 1935 keine nennenswerten Reaktionen von Seiten der französischen Regierung aus, obwohl das in totalem Widerspruch zum Versailler Vertrag stand. Wenige Monate später, als Hitler seine Truppen in das seit 1919 entmilitarisierte Saarland einmarschieren ließ, zitterten sogar seine Generäle bei dem Gedanken an eine militärische Reaktion Frankreichs, zu einer Zeit, in der die neue Wehrmacht überhaupt noch nicht in der Lage war, die Stirn zu bieten. Die französischen Reaktionen erschöpften sich jedoch in Reden. Der Ratspräsident, Sarraut, erklärte: "Wir werden Straßburg nicht unter dem Feuer der deutschen Kanonen lassen..., begnügte sich aber letztendlich damit, dass eine neue internationale Debatte den "Frieden und die Sicherheit in Europa garantieren sollte.

Die französischen Politiker zeigten sich dem Deutschland Hitlers gegenüber unendlich gefälliger als gegenüber den Forderungen der Weimarer Republik wenige Jahre zuvor.

Auf die gleiche Weise stellte sich nur eine einzige Regierung ernsthaft gegen den ersten Versuch 1934 eines Anschlusses Österreichs ans Dritte Reich. Das war das faschistische Italien, das sehr fürchtete, eine gemeinsame Grenze mit Deutschland auf dem Brenner zu haben und dorthin Truppen geschickt hatte. Vier Jahre später, im Mai 1938, als Italien Garantien hinsichtlich seines Besitzes in Südtirol bekam und ein Verbündeter Deutschlands wurde, nahmen Frankreich und Großbritannien ohne Widerrede den Anschluss an, dem sie sich noch kurz nach dem ersten Weltkrieg widersetzt hatten, als die österreichischen Sozialdemokraten diesen verlangten.

Die gleiche Furcht vor der proletarischen Revolution brachte die französische und britische Regierung dazu, die Komödie der Nicht-Intervention im spanischen Bürgerkrieg zu spielen, heuchlerisch von der französischen Volksfrontregierung, deren Chef, Leon Blum, gelegentlich ein paar Tränen über das Schicksal des spanischen Volkes weinte, während Mussolini und Hitler Franco massiv Hilfe leisteten.

Das Bündnissystem der französischen Bourgeoisie

Auf der diplomatischen Ebene hatte sich die französische Bourgeoisie gedanklich schon lange bevor Hitler an die Macht kam damit beschäftigt, Verbündete gegen eine mögliche deutsche Gefahr zu finden, besonders in Mitteleuropa. Das polnische Bündnis und das tschechoslowakische Bündnis waren Versuche in diese Richtung. Das Polen der Obristen (unter diesem Namen wurde das an der Macht von 1935 bis 1939 herrschende Militärregime genannt) sah im Nationalsozialismus nicht nur eine Diktatur nach seinem Geschmack, sondern auch einen möglichen Schutz gegen der UdSSR. Schon im Januar 1934 unterzeichneten die beiden Länder eine Erklärung, in der sie angaben, dass sie auf Gewalt verzichteten, um über ihre eventuellen Streite zu bestimmen... was die mit Frankreich unterschriebenen Verträge zunichte machte.

Zu dieser Zeit konnte Frankreich nicht auf Großbritannien als einen militärischen Verbündeten im Fall deutschen Angriffs zählen. Erst im April 1936 akzeptierten die britische, belgische und französische Regierung die Zusicherung auf gegenseitige Unterstützung im Fall eines deutschen Angriffes.

Großbritannien war nämlich, noch mehr als Frankreich, die Meisterin der "beruhigenden" Politik. Es akzeptierte, die Belange Deutschlands und Italiens zu berücksichtigen, solange diese "vernünftig" waren. Die Akzeptanz ging jedoch nicht so weit, die ehemaligen von Deutschland zurückverlangten Kolonien zurückzugeben, das hätte nach Auffassung der Engländer im Widerspruch zu den Interessen der eingeborenen Völker gestanden!

Nach dem Polen abtrünnig geworden war, eröffnete die französische Regierung, bestrebt neue Verbündete zu finden, Verhandlungen mit der UdSSR. Und der 1935 eingesetzte Außenminister Laval wurde beauftragt, einen Vertrag mit Stalin herauszuarbeiten. Jedoch sieben Jahre später, 1942, wird er erklären: "Ich wünsche den Sieg Deutschlands, sonst würde sich morgen der Bolschewismus überall ausbreiten."

Die französische Bourgeoisie erhielt so Stalins verständnisvolle und zustimmende Erklärung, nach der Frankreich "eine nationale Verteidigungspolitik brauchte, um seine Streitkräfte auf einem Niveau zu halten, das ihm seine Sicherheit garantiere. Das hatte eine vollständige Kehrtwendung der Französischen Kommunistischen Partei zur Folge, die bei dieser Gelegenheit auf ihre antimilitaristische Tradition verzichtete, um die auf Trikolore und auf die "Verteidigung des Vaterlandes" umzuschwenken.

Die Unterzeichnung dieses Abkommens konnte jedoch der französischen Bourgeoisie keine wirklichen Sicherheitsgarantien bringen, denn angenommen, beide Partner wären ehrlich gewesen und hatten einander vertraut (und das war längst nicht der Fall), wie hätte die sowjetische Armee in Deutschland eingreifen können, ohne durch Polen durchzumarschieren (was dieses natürlich nicht bereit war hinzunehmen)?

Dieses Abkommen wurde erst 1936 vom französischen Abgeordnetenhaus ratifiziert, in dem die Volksfront zu dieser Zeit die Mehrheit hatte. Es verursachte aber eine die Innenpolitik betreffende Auseinandersetzung mit der Rechten, die es als ein abgekartetes Spiel mit dem Kommunismus kündigte!

Von München bis zum deutsch-sowjetischen Abkommen

Im September 1938 spitzte sich die internationale Situation heftig zu: Hitler stellte der Prager Regierung ein Ultimatum, die Heimholung der Sudeten betreffend. Dieses überwiegend von Deutschen bevölkerte bergige Gebiet war 1919 in den neuen tschechoslowakischen Staat einbezogen worden, für den dieses Gebiet eine natürliche Abwehrlinie bildete und das er zusätzlich befestigt hatte. Die Tschechoslowakei schritt zur Generalmobilmachung, Frankreich, das mit der Prager Regierung durch das Abkommen für gegenseitige Unterstützung verbunden war, berief seine Reservisten wieder ein.

Der britische Ministerpräsident, Chamberlain, ganz im Sinne der "beruhigenden" Politik, griff aber vermittelnd ein, um in München ein Treffen einzuberufen, das Deutschland, Italien, Großbritannien und Frankreich zu Verhandlungen zwingt. Das Schicksal der Tschechoslowakei wurde so in deren Abwesenheit entschieden, und auch in Abwesenheit der UdSSR: Das von den vier Mächten unterschriebene Abkommen bestätigte, dass Deutschland das Sudetengebiet annektiert. Polen nützte die Gelegenheit aus, um seinerseits einen kleinen Teil der Tschechoslowakei, das Teschener Gebiet, zu annektieren.

Das französische Bündnissystem in Mitteleuropa wurde hiermit zunichte gemacht, nicht nur weil die polnischen Obristen immer offener mit Hitler kokettierten, und weil die im Stich gelassene und zersplitterte Tschechoslowakei - auch wenn sie es gewollte hätte - keine nützliche Verbündete mehr sein konnte, sondern auch weil die UdSSR immer weniger Gründe hatte, an die Stichhaltigkeit des französischen Bündnisses zu glauben.

Das Überleben der Tschechoslowakei dauerte nicht mehr lange. Sechs Monate nach dem Münchener Abkommen, infolge dessen Hitler erklärte, dass er in Europa keine weiteren territorialen Ansprüche hatte, deklarierte die von Hitler ermunterte Slowakei ihre Unabhängigkeit, und die Wehrmacht drang in Böhmen und Mähren (das übrige tschechoslowakische Gebiet) ein und stellte es am 15. März 1939 unter das Protektorat des Deutschen Reiches.

Frankreich und Großbritannien griffen nicht ein. Aber schon am 21. März forderte Hitler die Rückgabe von Danzig (Gdansk auf Polnisch) an Deutschland. Diesen großen Hafen, dessen Bevölkerung in der Mehrzahl deutsch war, hatte der Versailler Vertrag dem Völkerbund unterstellt.

Diese Ereignisse verursachten einen heftigen Umschwung in der englischen Regierung, die erkennen musste, dass jedes Hitler gemachte Zugeständnis zu erneuten Forderungen von ihm führen würde, und die nicht bereit war, Deutschland über ganz Europa herrschen zu lassen.

Am 31. März 1939 erklärte Chamberlain im Unterhaus: "Im dem Fall, dass irgendeine Aktion offensichtlich die polnische Unabhängigkeit in Gefahr bringen würde, und die polnische Regierung der Ansicht wäre, es liege in ihrem Lebensinteresse, dieser mit ihren Nationalstreitkräften Widerstand zu leisten, würde die Regierung Ihrer Majestät es für ihre Pflicht halten, die polnische Regierung durch alle Mittel zu unterstützen".

Das waren recht leere Versprechungen, denn die britische Regierung hatte kaum die Möglichkeit auf dem Kontinent militärisch einzugreifen. Erst im folgenden Monat hat Großbritannien beschlossen, die Wehrpflicht (beschränkt auf die Männer unter 24 Jahren) einzuführen, und diese wurde erst im September in die Praxis umgesetzt.

Was einsatzbereite Truppen betraf, war Frankreich durch das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht viel mehr als Großbritannien in der Lage, schnell zu reagieren. Jedoch nicht ohne Zögern eiferte es Großbritannien nach, sich hinter Polen zu stellen. Jedoch wollte es auf keinen Fall, dass Deutschland die Vormachtstellung in Europa bekomme.

Da das französisch-sowjetische Bündnis immer noch auf dem Papier bestand, musste Hitler fürchten, bei einem Überfall auf Polen in einen schwierigen Zweifrontenkrieg verwickelt zu werden. Ihren tief verwurzelten Antikommunismus - für eine Zeit - zur Seite legend, begannen die Nazis heimlich Verhandlungen mit Moskau und am 23. August 1939 erfuhr man, dass ein Nichtangriffpakt zwischen Deutschland und der UdSSR unterzeichnet worden war. Auf diese Weise schob Hitler-Deutschland die von der Roten Armee dargestellte Bedrohung auf und es gewann gleichzeitig die Möglichkeit, sich fehlende Rohstoffe (und das war eine seiner Schwächen) in der Sowjetunion zu beschaffen.

Von der Kriegserklärung bis zum Zusammenbruch 1940

Weniger als eine Woche später stellte Hitler Polen ein Ultimatum und am 1. September überschritt die Wehrmacht die polnische Grenze. Am 3. September erklärten Großbritannien und dann Frankreich Deutschland den Krieg.

Es ist bekannt, wie die französische Armee nach acht Monaten eines so genannten "seltsamen Kriegs" (oder Sitzkrieges) zusammenbrach, als Deutschland im Mai-Juni 1940 zum Angriff überging.

Vieles wurde über die Gründe dieses Zusammenbruchs vermutet: die Entscheidung der Armeeführung, die sich seit dem ersten Weltkrieg nicht verändert hatte, für einen reinen Verteidigungskrieg, die Angst der herrschenden Klassen, die mehr die Arbeiterklasse fürchtete als Nazideutschland, u. a.

Die meisten, die über diese Periode geschrieben haben, führen die militärische Stärke der Wehrmacht als Grund an. Die deutsche Wiederaufrüstung hatte jedoch erst fünf Jahre zuvor begonnen, und die Überlegenheit, Menge und Qualität des Materials betreffend, gab es nicht, besonders hinsichtlich einer der Waffen, die eine entscheidende Rolle in diesem Kampf spielten, und zwar des Panzers. Alle die, sich ernsthaft mit den Zahlen beschäftigt haben, bestätigen, dass die französische Armee über eine Anzahl von modernen Panzern verfügte, die so bedeutend war wie die der deutschen Armee.

Der Unterschied hat in ihrer Anwendung gelegen. Der Führungsstab, der sehr stolz darauf war, unter sich die siegreichen Generäle von 1918 zu haben, konnte sich den Einsatz des Panzers nur so wie im vorigen Krieg vorstellen, nämlich als Begleitung der Infanterie, In Deutschland hatte sich eine andere Vorstellung vom Einsatz des Panzers durchgesetzt und zwar in konzentrierten Massen, um die Feindlinien zu durchbrechen und weit hinter die feindlichen Linien vorzurücken, um dort Panik hervorzurufen.

Typisch für Frankreich zu diesem Zeitpunkt und entscheidend für den französischen Zusammenbruch war jedoch der Zustand bei den Luftstreitkräften.

Problematisch war nicht der Mangel an Flugzeughersteller in den dreißiger Jahren. Philippe Garraud, Forschungsdirektor beim CNRS (Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung), Verfasser eines Artikels über "Die industriellen Beschränkungen in der Kriegsvorbereitung 1939-1940", zählt ihrer nicht weniger als vierzehn, "um nur die bedeutendsten anzugeben", wie er betont. Diese Hersteller bauten aber wenig. "Bis 1936, so Philippe Garraud, ist der Handwerksbetrieb bestimmend im Flugzeugbaus: kleine Serien, gestaffelt über längere Zeitspannen werden gebaut, oft war diese Aktivität ein lukratives Geldgeschäft. Diese Flugzeugprototypen und andere daraus abgeleitete Produkte stellten für die Hersteller bedeutende mit Staatsgeldern bezahlte öffentliche Aufträge dar, sie voll und ganz auslasteten und ihnen ermöglichten, ausreichende Gewinne zu erzielen. Man könnte fast sagen, dass die Serienfertigung nur eine zweitrangige, beziehungsweise nebensächliche Tätigkeit war und dabei nicht unbedingt die lukrativste".

Die Tatsache, dass die Volksfrontregierung - die Verantwortlichen der Petain-Regierung und viele rechtsgerichtete Historiker stellen diese als die Hauptverantwortlichen für den Zusammenbruch von 1940 dar - versucht hat, diese Flugzeugindustrie zu modernisieren, indem sie die Gesamtheit ihrer Komponenten verstaatlichte, um 1937 sechs "Nationalgesellschaften für den Flugzeugbau" zu bilden, änderte nichts an diese Situation.

Die Flugzeugindustrie war das getreue Abbild des Imperialismus, der ruhig vor sich hin dämmerte, indem er mittel- oder unmittelbar die Gewinne der Ausbeutung seines ausgedehnten Kolonialreiches einkassierte.

24 Juni 2009