Rosa Luxemburg: Sozialistin, Revolutionärin, Internationalistin (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Februar 2019)

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Rosa Luxemburg: Sozialistin, Revolutionärin, Internationalistin
Februar 2019

Vor hundert Jahren, am 15. Januar 1919, wurde Rosa Luxemburg zur selben Zeit wie Karl Liebknecht in Berlin von Soldaten einer konterrevolutionären Einheit ermordet. Die SPD-Minister und der Generalstab der Armee hatten ihre Ermordung von langer Hand und gemeinsam geplant: Sie hatten sich verbündet, um die anschwellende Arbeiterrevolution mit Lügen und Waffen aufzuhalten. Die Mörder haben also auf Befehl gehandelt, als sie der gerade erst entstandenen Kommunistischen Partei ihren besten Kopf abschlugen.

Ein Leben im Dienst der Revolution

Rosa Luxemburg wurde 1871 in Zamość geboren, einer kleinen Stadt im polnischen Gebiet des russischen Reiches. Sie stammte aus einer wohlhabenden und kultivierten jüdischen Familie, ging auf ein Gymnasium in Warschau und stieß sehr früh zu der sozialistischen Untergrundbewegung. Auf Grund ihrer politischen Aktivitäten musste sie Polen 1889 heimlich verlassen. Von da an verschmolz ihr Leben mit dem der Arbeiterbewegung.

Rosa Luxemburg arbeitete zunächst an der Seite von Leo Jogiches, in der revolutionären Bewegung ihres Herkunftslandes. Ganze Generationen von Arbeiteraktivisten erhoben sich damals, organisierten sich und wurden ebenso schnell wieder durch die Repression in alle Winde verstreut. Man musste es überhaupt erstmal schaffen, eine Kontinuität in die Organisation und die Veröffentlichungen zu bringen und regelmäßige Kontakte aufrecht zu erhalten. Außerdem brauchte die Partei ein kohärentes Programm: Dies war der erste bedeutende Beitrag Rosa Luxemburgs zur Arbeiterbewegung.

Während des gesamten 19. Jahrhunderts hatten die revolutionäre Bewegung im Allgemeinen und Marx im Besonderen im Zarenreich das Bollwerk der Reaktion gesehen. Der Kampf für die Wiedergeburt Polens, das der russische, österreichische und preußische Staat unter sich aufgeteilt hatten, war untrennbar mit dem Kampf gegen den Zaren und also mit dem revolutionären Kampf verbunden. Die polnische sozialistische Partei hatte daher die nationale Unabhängigkeit zu ihrer Hauptforderung gemacht und wurde dabei von der Internationale unterstützt. Rosa Luxemburg war der Ansicht, dass diese polnischen nationalen Bestrebungen nicht mehr die Grundlage des Programms der Arbeiter sein könnten, wobei sie diese Bestrebungen weder leugnete noch klein redete. Ihrer Meinung nach waren die Arbeiter in Polen durch die Geschichte zu einem Teil der Arbeiterklasse des russischen Reiches geworden. Außerdem hatte die Entwicklung des Kapitalismus in Russland das Land von einem Bollwerk der Reaktion in ein revolutionäres Pulverfass verwandelt. Der Kampf zum Sturz des Zarismus, so erklärte Rosa Luxemburg, würde von der revolutionären Arbeiterbewegung verwirklicht werden und nicht mittels der Forderung nach einem polnischen Staat - einer Forderung, die sie obendrein für illusorisch hielt. Im Laufe der Jahre spaltete sich die sozialistische Bewegung in Polen in eine polnische sozialistische Partei, die immer nationalistischer wurde und eine revolutionäre Partei, die von Luxemburg und Jogiches geleitet wurde. Diese revolutionäre Organisation war eng mit der russischen Arbeiterbewegung verbunden und zahlreiche Aktivisten der internationalen Bewegung sind aus ihr hervorgegangen. Rosa Luxemburg hat diese Partei auf allen Kongressen der Arbeiterinternationale vertreten.

Reform oder Revolution

1898 ließ sich Rosa Luxemburg in Deutschland nieder, wobei sie weiter für die polnische und russische Arbeiterbewegung aktiv war. Deutschland war zu dieser Zeit das industrielle Zentrum des europäischen Kontinents. Es war das Land mit der zahlenmäßig größten Arbeiterklasse, die gleichzeitig auch am besten organisiert und am meisten durch die sozialistischen Ideen aufgeklärt war. Rosa Luxemburg nahm sofort eine Vorreiterrolle beim Kampf gegen die revisionistische Tendenz innerhalb der Sozialdemokratischen Partei und den Gewerkschaften ein, die behauptete, dass schrittweise Reformen ausreichen würden, um den Kapitalismus grundlegend zu verändern. In einer Artikelserie, die unter dem Titel Reform oder Revolution zusammengefasst wurde, zeigte Luxemburg auf, dass die Widersprüche des kapitalistischen Systems, genauso wie zu Marx' Zeiten, keinen anderen Ausweg ermöglichen als eine internationale Arbeiterrevolution. Sie zeigte auf, dass die dreißig Jahre Wirtschaftsaufschwung des europäischen Kapitalismus, das Fehlen von revolutionären Kämpfen seit der Pariser Kommune von 1871, die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für die Arbeiter, die fortschreitende Legalisierung der Gewerkschaften und all die anderen Reformen, die durch den Klassenkampf errungen worden waren, nichts grundsätzlich geändert hatten. Die Bourgeoisie würde nur vor einer revolutionären Tat der Arbeiter zurückweichen und nicht vor einem Haufen Wahlzettel. Die russische Revolution zeigte schon bald darauf, dass der Klassenkampf im 20. Jahrhundert nicht wie von den Reformisten behauptet "befriedet" worden wäre, sondern weiterhin den Klassenkrieg mit einschloss.

Die russische Revolution

Rosa Luxemburg war bei der russischen Revolution von 1905 und 1906 ganz vorne mit dabei. Beim Warschauer Aufstand leitete sie den entschlossensten Teil der polnischen Arbeiterklasse. Sie wurde im März 1906 gefangen genommen und dann dank ihres deutschen Passes wieder freigelassen und unter Hausarrest gestellt. Die Bewegung hatte die Idee bestätigt, die sie mit Lenin und Trotzki teilte: dass Russland reif für eine Revolution ist, die nur unter Führung der Arbeiterklasse siegen und so den Weg für die ganze europäische Arbeiterklasse bereiten könnte. Zwar gab es auch Differenzen zwischen diesen drei Aktivisten, diese wurden jedoch oft übertrieben und waren wirklich nebensächlich verglichen mit dieser grundlegenden Übereinstimmung.

Die Revolution in Russland war geprägt von einer Reihe direkter, massiver und spontaner Aktionen der Arbeiter. Zahlreiche Arbeiter, die bis dahin nicht organisiert waren, beteiligten sich an dem Kampf. Mit ihrer Broschüre Massenstreik, Partei und Gewerkschaft wollte Rosa Luxemburg den Arbeitern in Deutschland das Wesen dieser Revolution näherbringen. So erklärte sie, dass auch in Deutschland - obwohl die Arbeiterorganisationen dort außergewöhnlich stark entwickelt waren - die ganze Arbeiterklasse inklusive der nicht organisierten Massen sich an der Bewegung beteiligen muss.

Für Rosa Luxemburg war eine solche Bewegung die Grundvoraussetzung für den Erfolg. Sie wusste, dass die Revolution die unterdrücktesten Schichten der Arbeiterklasse aufweckt und dass sie gerade in ihnen die für den Sieg notwendige Quelle an Hingabe, Kampfgeist und Selbstlosigkeit finden würde. Diese Idee, von der Marx gezeigt hatte, dass sie eine historische Gesetzmäßigkeit ist, die von jeder wirklichen und tiefgreifenden Bewegung der Unterdrückten verkörpert wird, ist einer dieser "wertvollsten Schätze der Menschheit", wie Rosa Luxemburg es ausdrückte. Es ist eine Idee von vielen, die die große Revolutionärin in Worte fasste, bewahrte und weitergab.

Der Imperialismus

Während die Repression und Demoralisierung die Revolution in Russland auszulöschen schienen, wurde die gesamte Arbeiterbewegung mit einer gefährlichen Entwicklung konfrontiert: Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konzentration des Kapitals kam es zu einem Erstarken konkurrierender Nationalismen und einem Wettrüsten der imperialistischen Großmächte. Der Weltkrieg wurde mit jedem Tag zu einer realeren Gefahr. Rosa Luxemburg wurde zusammen mit Lenin zur Sprecherin des linken Flügels der Arbeiterinternationale. Diese verabschiedete auf Initiative des linken Flügels ein Papier, das besagte, dass der Kapitalismus der alleinige Verantwortliche für den Krieg ist und dass die Arbeiterklasse aller Länder sich daher mit allen Mitteln gegen ihn zur Wehr setzen muss. Es wurde sogar beschlossen, dass - sollte ein Krieg ausbrechen - die Arbeiter diese Situation nutzen müssten, um die Herrschaft des Kapitals zu beenden.

Über ihre Beiträge auf Kongressen und ihre täglichen Aktivitäten als Publizistin, Propagandisten, Rednerin und Lehrerin in der Parteischule hinaus wollte Rosa Luxemburg dem revolutionären Kampf in der neuen Epoche, die durch den Imperialismus eröffnet wurde, eine solide wissenschaftliche Basis geben. Sie hat also Wirtschaftsgeschichte und Analyse der kapitalistischen Wirtschaft an der Stelle wieder aufgenommen, an der Marx bei seinem Tod 1883 mit dem Kapital stehen geblieben war.

Die von der Konkurrenz befeuerte Entwicklung des kapitalistischen Systems, wie Marx es analysiert hatte, beinhaltete die konstante Ausweitung der Produktion durch neue Techniken, die Erschließung neuer Märkte, den Erwerb neuer Maschinen, die wachsende Kapitalkonzentration und die Proletarisierung eines immer größeren Teils der Menschheit. In Die Akkumulation des Kapitals, die 1913 erschien, erklärte Rosa Luxemburg, dass diese Ausweitung der Produktion durch die ständige Einbeziehung von weiteren nicht kapitalistischen Regionen durch Krieg, Raub, koloniale Eroberungen und Ausrottung von ganzen Bevölkerungen ermöglicht wurde. Sie fügte hinzu, dass diese Ausweitung zwangsläufig Grenzen haben muss, die bald erreicht sein würden, da das Kapital dann die gesamte Welt erobert und aufgeteilt haben würde. Daraus schloss sie, dass der Kapitalismus von diesem Zeitpunkt an nicht mehr von Militarismus und Kriegen zu trennen ist. Er führt die Menschheit in die Katastrophe. Die Arbeiterrevolution ist somit nicht mehr nur eine geschichtliche Perspektive, sondern eine Lebensnotwendigkeit, eine konkrete Möglichkeit, ein unmittelbares politisches Programm.

Mit der Revolution gegen den Krieg

Rosa Luxemburg wurde somit von der Verkettung der Umstände, die zum Ausbruch des Krieges führten, nicht überrascht. Sie hatte bereits erkannt, dass er die notwendige Folge der imperialistischen Entwicklung war. Sie war jedoch entsetzt über das Ausmaß des Verrats seitens der verantwortlichen Sozialdemokraten, auch wenn sie bereits seit fünfzehn Jahren gegen deren Anpassung an die bürgerliche Gesellschaft gekämpft hatte. Aber bereits am selben Tag, als die deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten für die Kriegskredite stimmten, traf sich eine Handvoll Internationalisten in Rosa Luxemburgs Wohnung. Sie wurde zur Seele, zur Leiterin und Hauptredakteurin der Spartakusbriefe, die im Untergrund veröffentlicht und verbreitet wurden. Um diese schlossen sich die Aktivisten zusammen, die dem Sozialismus weiter treu blieben. Sie wurde fast während der gesamten Dauer des Krieges ohne Gerichtsurteil gefangen gehalten. Dennoch schaffte sie es, ihre Artikel und Ratschläge nach draußen zu schmuggeln und half so einigen tausend Spartakisten, sich zu orientieren und in dieser Zeit aktiv zu sein.

Aus ihrem Gefängnis heraus schrieb sie auch Die Krise der Sozialdemokratie. Es war eine lebhafte Anklage gegen den Imperialismus und den Krieg, gegen den Nationalismus und den Verrat der sozialdemokratischen Führer. Es ist auch ein begeisterndes und fundiertes Plädoyer und Zeugnis ihres Vertrauens in die Gesetze der Geschichte und die Fähigkeit der Arbeiterklasse, ihre revolutionäre Aufgabe zu bewältigen. Diese Broschüre und die gesamte Aktivität der Spartakusgruppe haben dazu beigetragen, die Kontinuität der revolutionären Bewegung von der 2. zur 3. Internationale über die russische und deutsche Revolution sicher zu stellen.

Die Novemberrevolution 1918 befreite Rosa Luxemburg aus dem Gefängnis. Aber ihr blieb nur wenig Zeit, in der sie die deutschen Arbeiter vor ihren Illusionen warnte und an der Gründung einer kommunistischen Partei arbeitete, die in der Lage sein sollte, eine Revolution zum Sieg zu führen. Die revolutionäre Welle erreichte Deutschland ein Jahr nach Russland und wurde aus dem Horror der Schützengräben und der Kriegsmüdigkeit im Hinterland befeuert. Aber sie stieß mit einem harten Gegner zusammen: Mit einer mächtigen Bourgeoisie, einem zentralisierten, effizienten Staat und vor allem einem sozialdemokratischen Apparat, der in der gesamten Arbeiterklasse Einfluss hatte und bereit war, die Revolution mit allen Mitteln zu be- und zu verhindern. Da es der Sozialdemokraten nicht gelang, die Revolution aufzuhalten, setzten sie sich an ihre Spitze. Sie ließen sich in die Arbeiter- und Soldatenräte wählen und tauften die bürgerliche Regierung mit Ebert an der Spitze auf den Namen Rat der Volkskommissare. Sie gaben also vor, dass die neue Macht sozialistisch wäre. Gleichzeitig passten sie darauf auf, dass dem Privateigentum und dem Staatsapparat nicht ein Haar gekrümmt wurde. Stattdessen arbeiteten die sozialistischen Minister sogar Hand in Hand mit der Obersten Heeresleitung. Die sozialdemokratische Führung belog die Arbeiterklasse und bereitete gleichzeitig die Truppen und Waffen vor, um sie zu zermalmen und insbesondere, um die revolutionären Führer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu ermorden.

Während dieser zwei Monate fand Rosa Luxemburg zu dem Leben vom Winter 1905 zurück: Sie war eine revolutionäre Anführerin, die ihre Genossen aufklärte, Tag für Tag alles organisierte, die die Situation in ihren täglichen Artikeln erklärte. Sie wurde von ihren Mitstreitern geliebt und von den "Ordnungshütern" gehasst und gesucht.

Im Januar 1919 kam es dann dennoch dazu, dass die Arbeiter Berlins, erbittert über die Provokationen von Seitens des Militärs und der Regierung, in Massen demonstrierten und ihre Entschlossenheit zeigten. Einige tausend spartakistische Arbeiter griffen zu den Waffen und besetzten ein paar Gebäude. Da die Revolutionäre zögerten, konnte die Reaktion zuschlagen und schlug sie brutal nieder. Dann setzten die Soldaten des sozialistischen Ministers Noske alles daran, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu finden. Sie fanden sie und richteten sie hin.

Wenige Stunden vorher hatte Rosa Luxemburg ihren letzten Artikel geschrieben und ihren Genossen übergeben. Es war die Bilanz aus der Niederlage der Berliner Episode. Sie erklärte darin die Gründe und schloss damit, dass sie sich an die Generäle richtete, die die Niederschlagung angeordnet hatten: "Ihr stumpfen Schergen! Eure "Ordnung" ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon "rasselnd wieder in die Höh´ richten" und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: ich war, ich bin, ich werde sein!"

Die kommunistische Tradition

Die kommunistische Internationale, die zwei Monate später in Moskau gegründet wurde, folgte den Bolschewiki und den Spartakisten, also Lenin und Luxemburg und entschied, die alte revolutionäre Bezeichnung kommunistisch wiederaufzunehmen. Den Namen Sozialdemokraten überließen sie denjenigen, die die Revolutionen erschießen.

Dennoch haben seitdem immer wieder Gegner des revolutionären Kommunismus versucht, Rosa Luxemburg gegen Lenin zu benutzen. Dabei haben sie sich auf ihre Meinungsverschiedenheiten zur Frage der Partei, des Imperialismus, des Selbstbestimmungsrechts der Nationen oder der Diktatur des Proletariats in Russland gestützt. Und ja, natürlich gibt es Seiten und ganze Artikel, in denen Lenin und Luxemburg miteinander polemisieren. Die Arbeiterinternationale vor 1914 war eine lebendige, kämpferische Bewegung. Ihr schlossen sich zehntausende Aktivisten an, die in ganz verschiedenen Ländern und Situationen und mit ganz unterschiedlichem Grad an Organisation und Bewusstsein aktiv waren. Und eben deshalb ist sie so reich an Polemiken.

Was die zwei wesentlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Lenin und Rosa angeht, den Bolschewismus in seiner Organisationsform und die Politik gegenüber der nationalen Frage, so hat die Geschichte entschieden: Und zwar indem die Arbeiterklasse im Oktober 1917 unter der Führung der bolschewistischen Partei die Macht ergriffen hat. Aber unabhängig von diesen Meinungsverschiedenheiten haben sowohl Rosa Luxemburg als auch Lenin immer im Interesse des Proletariats und der Revolution gedacht und gehandelt. Ganz im Gegensatz zu den reformistischen Sozialdemokraten oder Stalinisten, die vorgeben, sich entweder auf Luxemburg oder auf Lenin zu stützen, um sich damit angeblich gegen den jeweils anderen - in Wahrheit aber gegen die proletarische Revolution zu stellen.

Dasselbe gilt für ihre jeweiligen Analysen der kapitalistischen Wirtschaft ihrer Zeit. Luxemburg und Lenin haben den Übergang des Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium ein klein wenig anders analysiert. Diese Unterschiede haben vor allem nach dem Tod dieser beiden Revolutionäre zu zahlreichen Theorien geführt. Aber zu oft wird dabei das Wesentliche nicht beachtet: Dass Marxisten die Wirtschaft studieren, um die Arbeiterklasse zu bewaffnen. Und genau in dieser Hinsicht, für ihre Arbeit als Revolutionäre, haben die beiden Revolutionäre aus ihren wirtschaftlichen und theoretischen Studien dieselbe Schlussfolgerung gezogen: Nämlich, dass die Arbeiterrevolution an der Tagesordnung ist. Eben die Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus, der einerseits monströs und grausam ist und gleichzeitig und gleichzeitig die Vergesellschaftung der Produktionsmittel vorbereitet, setzt sie auf die Tagesordnung.

Wenn man die Texte von Rosa Luxemburg liest, die unter dem Titel Die russische Revolution zusammengefasst wurden, bekommt man einen wirklichen Eindruck von ihrer angeblichen Opposition zu Lenin. Diese Texte, die sie nie vollendete und die auch nicht zu ihren Lebzeiten veröffentlicht wurden, sind dennoch die Texte, die am meisten genutzt wurden, um die beiden Revolutionäre gegeneinander zu stellen. Rosa Luxemburg bekräftigt darin ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Bolschewiki und spricht ihnen den Verdienst zu, "es versucht zu haben". Ihre Kritik bezieht sich auf die Taktik.

Und diese ist übrigens weit weniger heftig, als die Polemik, die zur selben Zeit innerhalb der bolschewistischen Partei selbst stattfand und die genauso wenig dazu führte, dass die Einheit dieser Partei in Frage gestellt wurde. Die Ereignisse werden übrigens dazu führen, dass Rosa Luxemburg ihre Sichtweise auf einige ihrer Kritikpunkte ändern wird. Und was den Rest betrifft, so schrieb sie, dass die Bolschewiki taten, was ihnen angesichts der Umstände möglich schien und dass sie hofften, die europäische Arbeiterklasse, allen voran die deutsche, werde den Staffelstab übernehmen. Lenin und Trotzki haben nie etwas anderes gesagt.

Die sogenannte Kritik Rosa Luxemburgs erweist sich vor allem als leidenschaftlicher Aufruf an die deutschen Arbeiter, die russische Revolution zu retten. Und sie ist eine heftige Kritik an denen, die den Arbeitern die Hände gefesselt und die Augen verbunden haben. Einen dieser Artikel beendet Rosa Luxemburg mit den folgenden Worten: "Was eine Partei in geschichtlicher Stunde an Mut, Tatkraft, revolutionärem Weitblick und Konsequenz aufzubringen vermag, das haben Lenin, Trotzki und Genossen vollauf geleistet. Die ganze revolutionäre Ehre und Aktionsfähigkeit, die der Sozialdemokratie im Westen gebrach, war in den Bolschewiki vertreten. Ihr Oktober-Aufstand war nicht nur eine tatsächliche Rettung für die russische Revolution, sondern auch eine Ehrenrettung des internationalen Sozialismus."

Die kommunistische Bewegung muss Rosa Luxemburg nicht künstlich annektieren. Sie war, genauso wie Lenin und Trotzki, eine der wichtigsten Führer und Theoretiker dieser Bewegung.

20. Januar 2019