Die geplante Gründung der Neuen Antikapitalistischen Partei (NAP) und wir (Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2008 angenommen)

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Die geplante Gründung der Neuen Antikapitalistischen Partei (NAP) und wir
Dezember 2008

1. Es sind sicher die Wahlergebnisse von Olivier Besancenot bei den Präsidentenwahlen der Jahre 2002 und 2007, die die LCR (Revolutionäre Kommunistische Liga) dazu geführt haben, zum Aufbau einer "Neuen antikapitalistischen Partei" aufzurufen.

Dass die LCR ihre Wahlergebnisse auf organisatorischer Ebene kapitalisieren will, rechtfertigt sich vollkommen, wenn auch Wahlresultate keinen guten Maßstab für den Einfluss einer politischen Organisation abgeben. Aber die LCR versucht nicht eine Organisation, die sich auf den revolutionären Kommunismus beruft, zu verstärken. Sie kündigt vielmehr an, dass sie in diese potentielle NAP, alle möglichen Vereinigungen, so wie Gewerkschaftler, die die Politik ihrer Konföderationen mehr oder wenig kritisieren, dann auch Umweltschützer aller Art, und so weiter ... auf der Basis eines noch unbestimmten Programms hinein locken will.

2. Die heutige Orientierung der LCR ist nur die Fortsetzung einer schon lange bestehenden Politik dieser Bewegung. Um nicht auf eine zu entfernte Vergangenheit zurückzugehen (in der man viele andere Beispiele dafür finden könnte), stimmte schon die Unterstützung der Kandidatur von Juquin durch die LCR, im Jahre 1988, also vor 20 Jahren, mit dieser Perspektive überein. Nachdem die LCR ihre finanziellen Mittel und ihre Aktivisten in den Dienst dieser Kandidatur gestellt hatte, hatte sie während vieler Monate damit gerechnet, dass die "Juquin-Komitees" "das Aufkommen einer neuen, einheitlichen und antikapitalistischen Kraft" bewirken würden (siehe Rouge, die Zeitung der LCR, vom 6-ten Juli 1988). Obzwar der politische Lebensweg von Juquin, der bis zum Jahre 1984 Mitglied des Politbüros der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) gewesen war (und der schließlich in die Sozialistische Partei eintrat und bei der Präsidentenwahl des Jahres 2007 die Kandidatur von Fabius unterstützte) doch offenbar nichts an sich hatte, was aus ihm einen Champion des "Antikapitalismus" machen konnte ... wenn dieser Begriff den Kampf für das Ersetzen des kapitalistischen Systems durch eine kollektivistische Wirtschaft bezeichnet.

3. In einem Interview, das man auf der Website der LCR lesen kann, antwortet Krivine auf die Kritik, dass das Vorhaben, die NPA zu gründen, nur ein Manöver seiner Organisation sei, die Mitgliederzahl der LCR zu vergrößern: "Wir hatten immer schon eine Einheitspolitik. Bis zu dem Jahre 1995 haben wir fast nie einen Wahlkampf unter unserem eigenen Namen mitgemacht. Wir haben die Wahlkampagne von Juquin im Jahre 1988 geführt und haben dabei meine Kandidatur zurückgezogen. Wir waren in den Jahren 1990 im CAP (Konvention für eine fortschrittliche Alternative, deren Animator der ehemalige Minister und frühere Kommunist Fiterman war). Wir haben da an allen möglichen Kollektiven teilgenommen und haben wieder unsere Kandidaten und unseren Namen zurückgezogen."

Aber seit der Zeit der Unterstützung der Kandidatur von Juquin, änderte sich die Haltung der LCR gegenüber dem Trotzkismus und gegenüber der Geschichte, auf die die LCR sich bis dahin bezogen. Für Besancenot gehört Trotzki nur mehr der Vergangenheit an und der Revolutionär, auf den er sich viel lieber beruft, ist der Dritte-Welt-bezogene Che Guevara. Besancenot behauptet auch, "seine Ideen in verschiedenen Traditionen der Arbeiterbewegung (zu) schöpfen" und insbesondere in der Tradition der anarchistischen Bewegung. Man konnte im Übrigen schon in einer Textsammlung, die Rouge im Jahre 2000 unter dem Titel "die Legende des Jahrhunderts" herausgab, folgende Sätze lesen, die nicht das "Schwarz-Buch des Kommunismus" verunziert hätten : "Schon vom Anfang an hat die bolschewistische Macht die Streike der Arbeiter durch Geiselnahme, Erschießung oder Ertränkung der "Führer" unterdrückt, die dessen beschuldigt wurden, die Forderungen der Arbeiter verteidigt und "Freie Wahlen" in den Sowjets gefordert zu haben". Und wenn der Autor dieser Sätze nicht notwendigerweise die ganze Redaktion von Rouge engagierte, so hatte diese es doch für gut gehalten, den Text zu veröffentlichen.

Mehrheitlich bekennt sich nämlich das Milieu, auf das die LCR es abzielt, gar nicht auf die kommunistische Tradition. Es besteht aus Leuten, deren politisches Bewusstsein dem Niveau einer vagen sozial-demokratischen Linken nahe kommt. Und die Aktivisten, die die LCR mit solchen Ideen politisch ausbildete, empfinden natürlich keine Solidarität mit der Oktoberrevolution und mit den vergangenen Kämpfen der Arbeiterklasse, wenn sie sich nicht noch dazu zu offen reaktionären Ideen, wie zu denen des "Wachstumsrücknahme" oder zu denen von gewissen Umweltschützern bekennen.

5. Diese, praktisch schon seit langem existierende und sich in den letzten Jahren offen ausdrückende Preisgabe des trotzkistischen Programms bedeutet aber nicht, dass wir das Entstehen der NAP als das Verschwinden einer kommunistischen, revolutionären Organisation verstehen und dass wir die NAP bekämpfen müssen. Sollte die LCR nämlich letztendlich ihre Wette gewinnen, sollte es also auf der linken Seite der Sozialistischen Partei, die offen im Dienst der kapitalistischen Ordnung steht, zu einer Gruppenbildung von allen denen kommen, die diesen oder jenen Aspekt der kapitalistischen Gesellschaft so wie die PSU (Vereinigte Sozialistische Partei) während der Jahre des Algerienkrieges und um 1968 herum, anfechten, dann wäre das vielmehr positiv für das französische politische Leben. Aber das ist nicht einmal das Ziel, das die bei der Gründung der NAP verfolgt. Und wenn doch, ist es nicht sicher, dass ihre Mittel es ihr erlauben würden.

6. Die Triptik "eine neue Periode, ein neues Programm, eine neue Partei" die die Orientierung der LCR schon seit dem Jahre 1992 bestimmt (siehe die Zeitschrift "Critique communiste" - Kommunistische Kritik - der LCR vom August 2008) ist für ihre aktuelle Vorgehensweise sehr bezeichnend.

Natürlich blieb die Welt seit dem Jahre 1938 nicht stehen und das Gründungsprogramm der Vierten Internationalen, wurde in einem gegebenen Kontext, geprägt durch den Sieg des Faschismus in Deutschland und den Marsch zum Krieg, angenommen. Aber bevor man das Zersplittern der UdSSR als den Anfangspunkt einer "neuen Periode" bezeichnet, müsste man sich doch fragen, von welchem Gesichtspunkt man ausgeht. Ist unsere Epoche noch die der "Agonie des Kapitalismus"? Ist die "Krise der Menschheit" noch "die Krise ihrer revolutionären Direktion"? Für diejenigen, die vom Standpunkt der Arbeiterklasse ausgehen, wäre es nur einfach lächerlich, sich diese Frage an einem Moment zu stellen, wo die Welt in die größte Wirtschaftskrise seit 1929 versinkt, denn auf diese Fragen können sie natürlich nur mit ja antworten.

7. Die Aktivisten die auf der Seite der Arbeiter und Angestellten stehen wollen, müssen sich daran machen, das Problem der Krise der revolutionären Direktion zu lösen. Ihre Aufgabe ist es nicht, alle diejenigen in ein wirbelloses Konglomerat zu vereinigen, die nach sozialen und auch oft nach sehr legitimen Veränderungen streben, aber nicht verstehen oder akzeptieren, dass nur die Arbeiterklasse potentiell dazu fähig ist, die Gesellschaft in einem sozialistischen Sinn zu verändern. Für sie bedeutet das vielmehr die Aufrechterhaltung des kommunistischen Programms und das Ablehnen eines "neuen Programms". Es genügt nämlich nicht zu verkünden, wie die LCR es macht, dass man in einer "neuen Epoche" lebt und dass man deshalb ein "neues Programm" braucht, um dazu fähig zu sein, dieses auszuarbeiten, vor allem wenn man das mit Leuten tut, die keine andere politische Erfahrung haben als die einer kleinen Gruppe ohne jegliche Einflussnahme auf die soziale Realität.

8. Aber offenbar legen die Initiatoren der NPA nicht viel Wert darauf, das Programm ihrer zukünftigen Partei zu definieren. Wenn Krivine in dem gesagten Interview von den neuen Mitgliedern der LCR spricht, gibt er zu, dass sie "sehr aufrührerisch und wenig politisiert" sind und er zitiert sogar den Fall eines Jugendlichen, der (ihn) fragte : "Wer ist denn das, dieser Marx, von dem alle sprechen ?". Bezüglich der Leute, die der NAP beitreten wollen, stellt er fest, dass sie "weder für noch gegen die Teilnahme an der Regierung" sind und fügt hinzu, dass "ihre politische Ausbildung das Problem der NPA sein wird". Aber das hindert ihn nicht daran, gleich hinterher zu versichern: "Wir fürchten keine Opposition beim Erarbeiten des Programms (...). Nicht der Links drall der Linksradikalen ist für uns problematisch, sondern der Rechtsdrall der wenig politisierten Mitglieder". Und abschließend sagt er dann: "In der Diskussion (über das Programm) werden wir schon miteinander übereinstimmen, da wir es nicht mit organisierten Gruppen zu tun haben". Diese Äußerungen sind sicher nicht der Ausdruck eines seligen Optimismus oder einer Naivität, die bei einem so abgehärteten Aktivisten unglaubwürdig wären. Sie zeigen nur einfach die Tatsache, dass die Frage des "neuen Programms" eigentlich für die Initiatoren der NAP überhaupt nicht von Interesse ist und nur gestellt wurde, um die Preisgabe des vorherigen Programms verständlich zu machen.

9. Natürlich steht ein Teil des Publikums an das wir uns wenden, der Idee der Einheit mit der NAP wohlwollend gegenüber ("die Einheit" ist ein umso mehr tragender Wert als das Niveau des politischen Bewusstseins schwach ist und sie hat schon dazu gedient, in vielen Situationen jeden Verrat zu rechtfertigen). Was nicht bedeutet, dass alle diejenigen, die uns fragen, warum wir nicht in die NAP eintreten wollen, dazu bereit sind, ihr beizutreten und noch weniger, in ihr aktiv zu werden. Aber etwas ist sicher: wir haben an einem solchen Vorhaben nicht teilzunehmen.

13. Oktober 2008