Die permanente Revolution, so wie sie vom Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale verteidigt wird (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Mai 1984)

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Die permanente Revolution, so wie sie vom Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale verteidigt wird
Mai 1984

In einer der letzten Ausgaben von Lutte de Classe hatten wir mit dem Vereinigten Sekretariat (VS) der Vierten Internationale unsere Solidarität bekundet, in seiner Auseinandersetzung mit der Leitung der amerikanischen SWP – die jetzt die Theorie der permanenten Revolution zurückwirft und sich vorbereitet, mit dem Trotzkismus abzubrechen. Wir hatten aber gleichzeitig auf den akademischen Ton aufmerksam gemacht, den diese Diskussion im Vereinigten Sekretariat genommen hatte.

Es würde sich sicher lohnen, eine konkrete, präzise Diskussion über die revolutionäre Politik ernsthaft durchzuführen, die für trotzkistische Aktivisten in den verschiedenen armen Ländern festzulegen wäre. Wäre es so, dann sollte sie tatsächlich im Rahmen der Theorie der permanenten Revolution stattfinden, wie Trotzki sie in seinen Thesen von 1929 formalisiert und verallgemeinert hat.

Leider ist aber die Diskussion, wie sie im VS angeregt zu sein scheint, eine abstrakte Diskussion und sie scheint uns nicht auf die konkreten politischen Probleme antworten zu können, die sich in Lateinamerika, in den arabischen und anderen unterentwickelten Ländern in Afrika und Asien den revolutionären Aktivisten stellen.

Was ist die permanente Revolution?

Das durch die Theorie der permanenten Revolution aufgeworfene Problem ist ebenso einfach wie grundlegend: Welche Politik wäre in einem unterentwickelten Land zu führen, damit das Proletariat den revolutionären Prozess leitet, die politische Macht an der Spitze der revolutionären Massen übernimmt und diese Position dann nützt, um die proletarische Revolution auf die internationale Bühne auszudehnen? Es geht nicht um reine Rhetorik. In diesen Ländern ist das Proletariat zwar schwach (wenn auch nicht überall in gleichem Maße), aber auf der anderen Seite ist die Situation dort chronisch explosiv und sie birgt unbestreitbare revolutionäre Möglichkeiten, im Gegensatz zu der Situation in den Industrieländern, die sich mehrere Jahrzehnte lang auf der beispiellosen Ausbeutung derselben Drittweltländer stabilisiert hat.

Fünfundfünfzig Jahre, nachdem Trotzki seine berühmten Thesen formuliert hat, stehen die Probleme, auf die er antwortete, immer noch an der Tagesordnung, zumal die imperialistische Vorherrschaft über den gesamten Planeten erheblich zugenommen hat, welcher in vieler Hinsicht weiter geschrumpft ist. Ganz zu schweigen davon, dass alles mit der Weltwirtschaftskrise ansteckender werden kann, von einem Land oder einem Kontinent zum anderen: Arbeitslosigkeit…wie Revolutionen, sofern sie exportiert werden wollen.

Sicher bleibt jedoch, dass die armen Länder in fast vier Jahrzehnten Stabilisierung und imperialistischer Expansion Pulverfässer geblieben sind. Tatsache ist, dass das Feuer seit 35 Jahren an vielen Orten ausbrach. Aber jedes Mal blieb es auf sein Herkunftsland beschränkt und der Brand hat sich nicht auf die Kolonialkontinente (Afrika, Südamerika oder Asien) ausgebreitet, von denen aus - wer weiß - er die imperialistischen Metropolen hätte erreichen können. Sicher, weil die einzige Klasse, die das Feuer hätte schüren können, das Proletariat, bei diesen Gelegenheiten nie als solche aufgetreten ist. Was die kleinbürgerlichen Intellektuellen betrifft, die die Führung des nationalistischen Kampfs übernahmen, so hatten sie keinen Grund, das Feuer zu verbreiten, ganz im Gegenteil, denn sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich einen Modus Vivendi innerhalb der imperialistischen Welt aufzubauen, nachdem sie ihr ein Gebiet abgerissen hatten.

So besteht heute zweifellos die gleiche politische Distanz zwischen den nationalistischen Revolutionen der letzten fünfunddreißig Jahre und der proletarischen Revolution wie zwischen den unaufhörlich wiederholten aber immer begrenzten Bauernaufständen des Mittelalters und der Französischen Revolution des achtzehnten Jahrhunderts, die das gesamte bäuerliche Frankreich während fünf Jahre im Zeitalter der Pariser Revolutionäre leben ließ und die Vorstellungen der alten und der neuen Welt entflammte!

Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, zur Zeit der Boeing, der Interkontinentalraketen und weltweiter Verschuldung bei einigen wenigen großen westlichen Bankiers ist der gesamte Planet, moralisch und menschlich gesehen, relativ wenig grösser als das vorrevolutionäre Frankreich, aber ebenso absurd in künstliche Grenzen unterteilt und in skandalöse Widersprüche verstrickt. In der Sahelzone, im Nordosten Brasiliens, in China oder auf dem indischen Subkontinent verhungern heute Menschen auf die gleiche Weise – wenn nicht aus den gleichen Gründen – wie sie in der Nähe von Vierzon (Zentralfrankreich) unter dem Ancien Regime starben, bis hin zum Fressen von Farnen, während die Ernten fünfzig oder hundert Kilometer entfernt reichlich vorhanden waren - und dies nicht aus Mangel an Transportmitteln, sondern weil Weizenspekulanten, die durch Mautgebühren und Binnengrenzen geschützt waren, im gesamten Land frei wucherten.

Und wie notwendig eine Revolution von weltweiter Tragweite im 20. Jahrhundert ist, die sich unwiderstehlich auf alle Kontinente mit zerrissenen Völkern ausbreitet, sollte in den Bereich des Selbstverständlichen und des gesunden Menschenverstands fallen, wie es bei der Revolution von 1789 der Fall war. Aber heute ist es Sache des Proletariats, die Fackel dieser Selbstverständlichkeit zu tragen und sich zum Vorboten einer jeden Revolution zu machen, die keine Angst vor sich selbst hat.

Jetzt, in den 1980er Jahren ist die Art und Weise, wie das Vereinigte Sekretariat die permanente Revolution verteidigt, etwas verwirrend. Es ist offensichtlich lächerlich, mit aller Kraft von „permanenter Revolution“ in Bezug auf Nicaragua zu reden, diese Enklave der Enklave zwischen den beiden Amerikas, deren neue Führer, zweifellos mutig und entschlossen, sich in den letzten fünf Jahren nur damit begnügten, dem amerikanischen Imperialismus ihren eigenen Platz an der Sonne der unabhängigen Staaten streitig zu machen. Und von permanenter Revolution bezüglich dieses kleinen Lands zu sprechen, wäre nur dann sinnvoll gewesen, wenn es zum Zentrum der proletarischen Revolution, zum neuen Zentrum der internationalen Subversion (und dazu hätte seine geringe Größe gereicht) in Richtung von den beiden Amerikas geworden wäre. Aber dies ist sicherlich nicht die Sorge der Sandinisten, auch wenn ihr Land zum neuen Objekt des „revolutionären“ Tourismus geworden ist (zweifellos in geringerem Maße als Kuba zu seiner Zeit).

Und anstatt gegenüber der SWP die spezifischen Aufgaben des Proletariats und der trotzkistischen Organisationen unserer Zeit zu verteidigen, führt das Vereinigte Sekretariat die Diskussion auf demselben akademischen Boden wie die SWP; und es versucht, eine Rangliste unter den nationalistischen Bauernaufständen der letzten fünfunddreißig Jahre zu erstellen, die es geschafft haben, dem Imperialismus ein streng überwachtes Stück Land abzuringen. Und das VS hat ihre Prämie denjenigen zugeschrieben, die es selbst als „proletarisch“ bezeichnete, ohne dass das Proletariat dabei ein Mitspracherecht hatte.

Zur Entlastung dieser nationalistischen Leitungen könnte man natürlich argumentieren, dass die einzige siegreiche proletarische Revolution, die russische Revolution, schließlich auch isoliert blieb, und diese besondere Art von moderner Barbarei, den Stalinismus, gab. Die Revolution von 1917 setzte jedoch, im Gegensatz zu allen darauf folgenden nationalen Revolutionen, einen internationalen revolutionären Prozess in Gang, der Jahre lang dauerte und tiefe und dauerhafte Spuren in der Arbeiterbewegung in der ganzen Welt hinterließ.

Es bedurfte keiner gelehrten soziologischen Analysen, um die Oktoberrevolution als das erscheinen zu lassen, was sie war: eine proletarische Revolution. Die Bourgeoisie und die Proletarier wussten es sofort, und zwar in Millionenhöhe! Und sozusagen, während es sich zur Staatsmacht organisierte, organisierte das russische Proletariat eine revolutionäre Internationale, die als Werkzeug dienen sollte, um auf der Weltebene die bürgerliche Macht zu stürzen.

Die Konsolidierung des Sowjetstaates innerhalb der Grenzen der Sowjetunion allein, Folge der Niederlagen des deutschen, finnischen, ungarischen, italienischen … Proletariats und damit der Isolierung der russischen Revolution, war daher kein Sieg – die Stalinisten waren die ersten, die dies behaupteten, – sondern Ausdruck des Scheiterns und eines schwerwiegenden Scheiterns.

Aber was das Scheitern der proletarischen Revolution konkretisierte, wurde durch eine völlige Umkehrung der Werte zum Modell für nationalistische Führungen, die den Kampf um die Macht begannen.

Die nationalistischen Revolutionäre, die die Revolutionen führten, die in mehreren ehemaligen Kolonien oder Halbkolonien nach dem Zweiten Weltkrieg stattfanden, hatten nie vor, die von ihnen geführte Revolution zu einer Phase der proletarischen Weltrevolution zu machen. Die nationalistischen Revolutionäre Chinas, Kubas oder Nicaraguas wollten das erreichen, was für die Bolschewiki gerade der Ausdruck ihres Scheiterns war. Von diesem Gesichtspunkt aus, d. h. von dem Gesichtspunkt der politischen Absichten ihrer Führer aus, kann man wohl sagen, dass die chinesische, kubanische usw. Revolutionen im Gegensatz zur russischen Revolution nicht gescheitert sind: Sie hatten nie das Ziel, das erreichte Ergebnis zu übertreffen.

Am traurigsten ist jedoch, dass gerade die Analysen der VS-Genossen – obwohl sie an einer anderen Schule gebildet wurden – hinter dem begrenzten Horizont zurückblieben, den die bürgerlich-nationalistischen Führungen ihren Revolutionen gesetzt haben.

35 Jahre theoretische Arbeit seitens des Vereinigten Sekretariats

Was den Kern des Problems betrifft, sind sich sowohl die SWP- als auch die VS-Leitung einig.

Sowohl das VS als auch die SWP sahen im Castrismus und im Sandinismus politische Kräfte, die die historischen Aufgaben des Proletariats erfüllen können. Und wenn die Theorie der permanenten Revolution heute gegen die Führung der SWP wirklich verteidigt werden müsste, könnte dies nur durch radikale Kritik an der Politik der SWP gegenüber den nationalistischen Führern Kubas, Nicaraguas oder El Salvadors geschehen, das heißt durch die Verteidigung der permanenten Revolution gegen das Vereinigte Sekretariat selbst.

Jetzt, weil die nordamerikanische SWP die Initiative eines de facto organisatorischen Bruchs mit dem VS und der Vierten Internationale ergriffen hat, äußert die Führung des VS natürlich nebenbei einige Vorbehalte über die totale ideologische Anpassung der SWP auf die castristischen oder sandinistischen Positionen.

Diese Vorbehalte beziehen sich eigentlich nie auf den Kern der Frage. Entweder warnen die Genossen des Vereinigten Sekretariats nebenbei vor einer übermäßigen, übertriebenen Verallgemeinerung der in Kuba oder in Nicaragua gemachten „proletarischen“ revolutionären Erfahrungen (die sie als sehr spezifisch betrachten), oder sie werfen der SWP vor, nicht zur ideologischen Verbesserung der castristische und sandinistische Leitungen beizutragen.

Das Vereinigte Sekretariat seinerseits versucht immer noch, die castristische und sandinistische Führungen, die es als „pragmatische revolutionäre Führungen“ bezeichnet, von der Gültigkeit des trotzkistischen Programms zu überzeugen. Die Führer der SWP haben ihrerseits, zweifellos dem amerikanischen Pragmatismus und, wer weiß, dem gesunden Menschenverstand geopfert, darauf endgültig verzichtet. Selbst wenn sie in den Vereinigten Staaten die Propaganda-Agenten der Castristen und der Sandinisten werden, finden sie es wahrscheinlich bequemer, sich von Castro und Ortega überzeugen zu lassen, als das Gegenteil vorzutäuschen.

Man muss zugeben, dass man die proletarischen Verdienste des kubanischen und des nicaraguanischen Regimes so gut preisen kann, dass man auf die Existenz unabhängiger trotzkistischer Sektionen dort verzichtet, ohne sich auf die Theorie der permanenten Revolution zu berufen! Noch besser ist es, darauf zu verzichten und den Trotzkismus aufzugeben, um dies in aller Ruhe zu tun.

Aber die Führer der offiziellen Vierten Internationale, die immer noch Trotzkisten sind, haben längst auf die Ruhe verzichtet. Sie haben etwa vierzig Jahre lang den schwierigen Weg eingeschlagen, der sie dazu veranlasst, die Theorie der permanenten Revolution freiwillig oder gewaltsam nach der Politik zu formen, die darin besteht, die verschiedenen Sektionen der Vierten Internationale systematisch zu unterstützen, die den radikalen nationalistischen Bewegungen, die ihnen geographisch (oder sozial!) nahe sind, blind hinterherlaufen.

Und wenn es vorkommt, dass das Vereinigte Sekretariat politische Kritik gegen einige seiner Sektionen formuliert, dann ist es weniger, um deren eigene opportunistische Abweichungen in Frage zu stellen, als vielmehr um ihr „Sektierertum“ denen dieser Sektionen vorzuwerfen, die das Mitläufertum anderer schlechter akzeptieren als ihr eigenes. Es ist, als ob das Vereinigte Sekretariat darauf reduziert wäre, die opportunistischen aber dennoch unterschiedlichen Entgleisungen seiner verschiedenen Sektionen zu vereinheitlichen, während es gleichzeitig das revolutionäre trotzkistische Programm wörtlich respektieren und verteidigen muss.

Diese heikle Aufgabe hat in den letzten drei Jahrzehnten viele theoretische Spitzfindigkeiten von den Leitern der offiziellen Vierten Internationale erfordert. Wenn sie keine führende Rolle in den Kämpfen der armen Länder gespielt haben – in denen revolutionäre Situationen entstanden sind –, wenn sie die Führung der nationalen Kämpfe im Namen des Proletariats gegen die Nationalisten nicht übernommen haben, und wenn sie dem Proletariat nicht erlaubt haben, eine führende Rolle in diesen Kämpfen zu spielen oder einfach diese Kämpfe angeregt zu haben, dann muss man aber erkennen, dass die Leiter der IV. Internationale immer bestrebt waren, den marxistischen Wortschatz zu bereichern, und zwar mit Hilfe der neuen Regimes, die von Kämpfen entstanden sind, die von Leitungen mit allerlei nationalistischen Nuancen geführt wurden, und je nachdem, wie die Trotzkisten der IV. Internationale sich ihnen allmählich anschlossen.

So konnten die Theoretiker der offiziellen Vierten Internationale im Laufe der Zeit eine detaillierte Karte der neuen proletarischen Konstellationen erstellen, sobald diese im trotzkistischen Teleskop auftauchten. Je nach dem Grad der Begeisterung, die sie in den am stärksten betroffenen Sektionen auslösten, wurden sie in einfache „Arbeiterstaaten“, „bürokratisch deformierte Arbeiterstaaten“, „bürokratisch degenerierte Arbeiterstaaten“, einfach „bürokratisierte Arbeiterstaaten“ eingeordnet. Es gab so viele unterschiedliche proletarische Objekte, die sich gegenüber all diesen bürgerlichen Staaten vermehrten, welche die Analyse des Vereinigten Sekretariats, natürlich nach Klassenkriterium, dieses Mal ohne besondere Unterscheidung innerhalb desselben imperialistischen Nebels rangierte. Natürlich war es notwendig, die Entstehung der neuen proletarischen Sterne zu erklären. Es ist doch leicht: Nachdem das proletarische Beobachtungsfeld erweitert worden war, wurden neue theoretische Begriffe entwickelt, um seine Ausdehnung zu erklären. Und so kommen heute die Analysen der Vierten Internationale zur Dynamik der Kämpfe in der Dritten Welt nicht mehr mit klassischen marxistischen Begriffen aus und sie können nicht mehr auf neue theoretische Begriffe verzichten, die vor kurzem mehr oder weniger kodifiziert wurden, so unentbehrlich wie das „Hineinwachsen“, die „bürokratische Kristallisierung“ oder das „Entstehen neuer pragmatischer revolutionärer Leitungen“ ...

Es stellt sich heraus, dass es die permanente Revolution ist, die den Preis für dieses ganze theoretische Flickwerk bezahlt hat. Und es geschah mit der permanenten Revolution, die aus dem theoretischen Labor des Vereinigten Sekretariats kam, was mit diesen Theorien geschieht, die jedes Mal mit einer neuen Hypothese belastet werden, wenn man sie dazu bringen will, ein neues wirkliches oder vermeintliches Rätsel zu erklären: Sie nahm etwas Willkürliches und Talmudisches an und verlor schließlich gleichzeitig ihre Erklärungskraft und ihre revolutionäre Kraft. Und nachdem die Theorie der permanenten Revolution einer solchen Behandlung unterzogen wurde, fällt es den Genossen des Vereinigten Sekretariats schwer, diese vor denen zu verteidigen, die an der Spitze der amerikanischen SWP ohne Zögern sie aufgeben, da sie gelernt haben, ihr so wenig zu verdanken!

Die permanente Revolution so zu verteidigen, ist wenig überzeugend!

Tatsache ist, dass, wenn Ernest Mandel – im Namen des Vereinigten Sekretariats – in seiner Antwort an die SWP-Führung mit dem Titel „Verteidigung der permanenten Revolution“ eine gewisse Aktualisierung der Debatte wagt, und von dem risikoarmen Weg historischer Kommentare über die jeweiligen Differenzen zwischen Trotzki und Lenin vor 1917 abweicht, er die permanente Revolution auf die am wenigsten überzeugende Weise für Aktivisten verteidigt, die zumindest aktuelle politische Antworten erwarten.

 „Wenn wir mit Leidenschaft die Debatte zur Verteidigung der Theorie der permanenten Revolution eröffnen, schreibt Mandel, dann nicht aus kindlicher Frömmigkeit gegenüber Genosse Trotzki oder aus ‚hartnäckigem Traditionalismus‘ in Bezug auf das Programm der Vierten Internationale. Das liegt daran, dass hundert Jahre historischer Erfahrung bestätigen, dass die wirklichen revolutionären Prozesse unseres Jahrhunderts wirklich Prozesse der permanenten Revolution sind.(Zeitschrift Vierte Internationale, Januar-Februar-März 1983, „Verteidigung der permanenten Revolution“ von Ernest Mandel, S.99).

Eben nicht.

Das Problem der Revolutionäre besteht darin, dass es seit der Februar- und Oktoberrevolutionen von 1917 tatsächlich eine Vielzahl von Revolutionen gegeben hat, aber keine von ihnen hat zu einer proletarischen Revolution geführt, die wenn nicht siegreich, doch nur bedrohlich für die kapitalistische Weltordnung gewesen wäre. Nach dem Scheitern der europäischen Revolutionen der 1920er Jahre und der darauf folgenden revolutionären Ebbe hat es keine Revolution gegeben, die nicht gerade unterbrochen wurde, entweder durch das Vertrauen der Massen in die bürgerlichen Führungen, die mit voller Kraft darauf bestanden, dass die Dinge „dort aufhören müssen“, oder durch die Verdrängung auf das Abstellgleis der „nationalen Entwicklung“.

Die Genossen des Vereinigten Sekretariats sagen oft gerne über die permanente Revolution: „Die Geschichte bestätigt, dass (...) die nikaraguanische, kubanische Revolution … bestätigt, dass…“. Aber es gibt hier ein Missverständnis im Umgang mit der marxistischen Theorie. In diesem Fall bestätigt die Geschichte überhaupt nichts; sie entfaltet sich nicht nach Mustern, so revolutionär diese auch sein mögen. Denn je nachdem, ob das Proletariat dabei eine führende Rolle spielt oder nicht, je nachdem, ob es bemerkenswerte Siege oder vernichtende Niederlagen erlebt hat, nimmt die Geschichte einen oder einen ganz anderen Verlauf. Und in allem, was als historische Prognose in den Theorien von Marx, Lenin oder Trotzki erscheinen kann, war die Rolle des Proletariats immer das wichtigste Element. Nicht umsonst haben die scharfsinnigsten revolutionären Theoretiker ihre Prognosen von der Geschichte widerlegt bekommen, wenn sie sich mit historischen Zeiträumen befasst haben. 1850 sah Marx die Revolution noch unmittelbar bevorstehen … am Vorabend einer langen Zeit der Reaktion auf dem gesamten Kontinent. Umgekehrt schrieb Lenin in einem Bericht über die Revolution von 1905 – im Januar 1917, einen Monat vor dem Ausbruch der Revolution, die seine Partei an der Spitze der Massen bringen sollte: „Wir, die Alten, werden vielleicht die entscheidenden Kämpfe dieser kommenden Revolution nicht erleben.

Die revolutionäre Theorie zielt weniger darauf ab, historische Prozesse zu interpretieren, als den Revolutionären zu ermöglichen, sie zu verändern, und der Marxismus wird auf den Rang anderer bürgerlicher Ideologien herabgesetzt, wenn das vergessen wird. „Der Marxismus ist ein Leitfaden zum Handeln“, wiederholte Lenin nach Engels. Und der Prozess, der darin besteht, die politische Psychoanalyse der „historischen Prozesse“ mittels auswendig gelernter marxistischer Formeln zu machen, deren marxistische Kriterien gerade vergessen worden sind, ist weder wissenschaftlich noch revolutionär. Außerdem können zur Rechtfertigung von vollendeten Tatsachen viele Theorien funktionieren - ob sie vom Marxismus inspiriert sind oder nicht.

Die permanente Revolution nach Marx und Trotzki

Ja, Mandel und das Vereinigte Sekretariat haben dennoch Recht, wenn sie meinen, dass es darum geht, die Theorie der permanenten Revolution „mit Leidenschaft“ zu verteidigen. Aber es ist keine leidenschaftliche Verteidigung, sie mit „zwei oder drei Dutzend Revolutionen“ zu legitimieren, wie Mandel in seiner Antwort auf die SWP sagt, wenn es sich um besiegte, verratene oder einfach nicht-proletarische Revolutionen handelt.

Trotzdem sind wir wie die Genossen des Vereinigten Sekretariats sehr gern bereit, uns auf den ersten Text zu beziehen, in dem Marx und Engels von der „permanenten Revolution“ sprechen, diese „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund der Kommunisten“, die 1850 nach der Konterrevolution in Deutschland geschrieben und als Flugblatt verteilt wurde und deren Inhalt Mandel in Bezug auf „Taktik“ und „Strategie“ sehr konventionell zusammenfasst, während der Text von Marx so wenig konventionell war. Dieser Text von wenigen Seiten, der sich an die deutschen Arbeitenden richtet, ist in Wirklichkeit nur eine Ermahnung, den „Kleinbürgern, die sich Republikaner oder Rote nennen“ oder „sich Sozialisten nennen“, in all ihren Formen zu misstrauen. Das ist eine Ermahnung, sich selbständig zu organisieren, sich selbständig zu bewaffnen, die eigenen Führer, den eigenen Stab zu wählen, sich vor „Predigten für Einigung und Versöhnung“ zu hüten; eine Warnung vor der Falle einer gemeinsamen Partei, „in der die allgemein sozialdemokratischen Phrasen vorherrschend sind“, „in der die bestimmten Forderungen des Proletariats um des lieben Friedens willen nicht vorgebracht werden dürfen“ … Und Marx besteht darauf: „Diese Vereinigung muss also auf das entschiedenste zurückgewiesen werden. (...) Vom ersten Augenblicke des Sieges an muss sich das Misstrauen nicht mehr gegen die besiegte reaktionäre Partei, sondern gegen seine bisherigen Bundesgenossen, gegen die Partei richten, die den gemeinsamen Sieg allein exploitieren will.“

Wo liegt die permanente Revolution in all dem? Nun, das sind die gesamten revolutionären Richtlinien, die an die deutsche Arbeiterpartei gerichtet sind. Marx fasst sie zum ersten Mal am Anfang der Ansprache in folgender Weise zusammen: „Brüder! (...) Es ist unser Interesse und unsere Aufgabe, die Revolution permanent zu machen“. Und ein zweites Mal zum Abschluss der Ansprache: Die deutschen Arbeiter „selbst müssen das meiste zu ihrem endlichen Siege dadurch tun, dass sie sich über ihre Klasseninteressen aufklären, ihre selbständige Parteistellung sobald wie möglich einnehmen, sich durch die heuchlerischen Phrasen der demokratischen Kleinbürger keinen Augenblick an der unabhängigen Organisation der Partei des Proletariats irremachen lassen. Ihr Schlachtruf muss sein: Die Revolution in Permanenz.

Wir sind weit entfernt von den „historischen Prozessen, die von der Geschichte bestätigt werden“. Die permanente Revolution nach Marx war ein proletarischer Schlachtruf, weil es IM INTERESSE des Proletariats und SEINE AUFGABE ist, die Revolution permanent zu MACHEN. Eine Theorie, die permanente Revolution? Besser noch, eine Reihe von Anweisungen für den bevorstehenden Kampf.

Und im Grunde war es nichts anderes für Trotzki, als er seine eigene Theorie nach den Ereignissen von 1904 bis 1906 entwickelte, so wie 1929, als er seine „Thesen über die permanente Revolution“ schrieb und die Aufgaben proletarischer Revolutionäre in Kolonialländern analysierte. In beiden Fällen führte Trotzki durch theoretische Formulierungen einen Kampf; das erste Mal gegen die reformistische Interpretation des Wesens der kommenden russischen Revolution, das zweite Mal gegen die von der stalinisierten Kommunistischen Internationale verübte Niederschlagung der Revolution in den Kolonialländern, die unter anderem zur blutigen Niederlage der chinesischen Revolution führte.

Durch knappen Formulierungen ging es darum, die vor den Proletariern der Kolonialländer liegenden Aufgaben zu definieren und alle vorgefassten Meinungen über die sozialen Kräfte zu widerlegen, die „von Natur aus“ die gegenwärtigen und zukünftigen Revolutionen führen sollten. Es ging darum, den verschiedenen bürgerlichen gesellschaftlichen Kräften ihre Vorherrschaft über die Massen zu bestreiten, bevor sie sich gegen die wandten. Es ging darum, dem sogenannten revolutionären „gesunden Menschenverstand“ zu trotzen, der von der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Intelligenz kodifiziert wird; darum, alle dem Proletariat aufgezwungenen „Tatbestände“ zu zerschlagen und ihm zu erlauben, seine eigenen Wege freizumachen, seine eigenen Methoden der sozialen Revolution anzuwenden, und die Führung der ganzen Nation zu nehmen, um die Revolution bis zum Ende zu führen.

Die permanente Revolution bedeutet, dass die Revolution auf Zielen ausbrechen kann, die die verschiedensten Schichten der Gesellschaft zusammenbringen können, ohne dass sie zu Beginn eine klare Klassenbasis haben muss. Denn die Faktoren und die Akteure für die Auslösung des revolutionären Prozesses zu wählen, liegt nicht in der Macht der proletarischen Partei. Der Ausgang der Revolution aber hängt von der Rolle des Proletariats ab. Es ist also Sache des Proletariats, deren Führung zu übernehmen, ihr seine Methoden aufzuzwingen: die einer städtischen, konzentrierten, leicht mobilisierbaren Klasse; einer Klasse, die fähig zur politischen Kontrolle ist, der einzigen Klasse, die wirklich in der Lage ist, die Gesellschaft grundlegend zu verändern. Denn „die proletarische Bewegung hat eine unflexible Tendenz, sich in einen harten Kampf für alles zu verwandeln“, wie Lenin sagte, während die anderen bürgerlichen und kleinbürgerlichen sozialen Schichten, weil sie Positionen zu bewahren haben, dazu tendieren, irgendwann mit den Befürwortern der nationalen oder imperialistischen Ordnung zu verhandeln.

Aber um diese Führungsrolle zu erobern, muss das Proletariat seine organisatorische, politische und militärische Autonomie erobern und bewahren. Diese proletarische Autonomie ist nicht automatisch. Auch sie erfordert einen spezifischen Kampf, einen harten Kampf gegen alle bürgerlichen politischen Kräfte, unabhängig von ihren Bezeichnungen, die darauf abzielen, sich das Proletariat unterzuordnen.

In seiner Ansprache an den Bund der Kommunisten von 1850 warnte Marx die Arbeiter vor diesem besonderen Problem: „Sobald der Sieg entschieden ist, werden (die Kleinbürger) ihn für sich in Beschlag nehmen, die Arbeiter zur Ruhe und Heimkehr an ihre Arbeit aufzufordern, sogenannte Exzesse zu verhüten und das Proletariat von den Früchten des Sieges auszuschließen. Es liegt nicht in der Macht der Arbeiter, den kleinbürgerlichen Demokraten dies zu verwehren, aber es liegt in ihrer Macht, ihnen das Aufkommen gegenüber dem bewaffneten Proletariat zu erschweren…“

Diese Warnung von Marx an die Arbeitender des noch halbfeudalen alten Deutschlands stammt aus dem Jahr 1850. Aber sie ist zweifellos eine von denen, die heute am aktuellsten sind. Nein, es liegt nicht in der Macht der Arbeiter, die bürgerlichen Nationalisten daran zu hindern, das zu sein, was sie sind, oder erst recht nicht in der Macht trotzkistischer Aktivisten, sie zu beeinflussen und ihnen eine revolutionäre marxistische Erziehung zu geben! Aber in den Ländern, in denen die Arbeiter noch eine sehr kleine Minderheit in der Gesellschaft sind, liegt es in ihrer Macht, den Aufstieg der Nationalisten gegenüber dem Proletariat mit seinen eigenen politischen und militärischen Organisationen zu erschweren, schon vor der entscheidenden Phase der Revolution, in allen Vorkämpfen, die zur Machtergreifung führen.

Es bleibt in der Macht der Arbeiter, sich nicht hinter den kleinbürgerlichen Nationalisten einordnen zu lassen, sondern sich die Mittel zu geben, die anderen armen Klassen der Nation für ihren eigenen revolutionären Kampf und unter ihrer Führung zu gewinnen.

Die Umwege der Geschichte

In einem Artikel der Zeitschrift Critique Communiste der französischen Sektion des Vereinigten Sekretariats mit der Überschrift „Die falschen Selbstverständlichkeiten von LO“ wirft der Redakteur unserer Organisation unter anderem vor, „die permanente Revolution gering zu schätzen“. „Das Lesen der Weltereignisse durch die Brille von LO – so erklärt er – würde dazu führen, der Kleinbourgeoisie die Eigenschaften zuzuschreiben, die der Arbeiterklasse gefehlt hätten“, und als letztes Argument: „so schreitet für LO die Weltgeschichte voran, während die Arbeiterklasse stumm ist.

Ja, es stimmt. Es kommt vor, dass die Geschichte voranschreitet (sicherlich nicht im Sinne des Sozialismus!), während die Arbeiterklasse schweigt. Es sei denn, die Genossen des Vereinigten Sekretariats sind der Meinung, dass das Proletariat, um mit der Theorie der Permanenten Revolution im Einklang zu bleiben, beschlossen hat, sich durch den Mund der verschiedenen nationalistischen (titoistischen, algerischen, castristischen, chinesischen, vietnamesischen ... oder nicaraguanischen) Pythien auszudrücken!

Ja, die Weltgeschichte ist in den letzten vierzig Jahren vielen Mäandern gefolgt, ohne darauf zu warten, dass das Proletariat ihr einen aufregenderen Kurs einschlägt. Marx und Engels hatten uns zwar gelehrt, dass das Proletariat viele historische Fähigkeiten hat, aber nicht gerade die, die Geschichte voranzutreiben, ohne es zu wissen, noch die deren Kurs zu stoppen, wenn es besiegt, demoralisiert oder einfach durch eine momentan erträgliche Situation korrumpiert wird, oder weil es ihm die Organisation fehlt, die ihm ermöglicht, die Führung in revolutionären Situationen zu übernehmen, an denen es seit dreißig Jahren in den armen Ländern tatsächlich nicht gefehlt hat.

Es stimmt also: Die Passivität des Proletariats in den Industrieländern einerseits, sein politisches Fehlen oder seine allzu große Schwäche in den meisten armen Ländern andererseits haben einer gewissen Anzahl von bürgerlich-nationalistischen Führungen ermöglicht, auf der internationalen Bühne aufzutreten und AUF IHRE WEISE, mit IHREN METHODEN, ihrem Klassenterrorismus, ihren mikronationalistischen Scheuklappen, ihren Fantasien von aufgeklärtem (oder offen obskurantistischem) Despotismus, einige der Aufgaben der bürgerlich-nationalen Revolution innerhalb des engen Rahmens zu lösen, den die wirtschaftliche Hegemonie des Imperialismus der Welt auferlegt.

Es ist im Übrigen nicht das erste Mal in der Geschichte des Kapitalismus, dass das Proletariat für lange Zeit von der politischen Szene zurückgewiesen wird und in der Tat der Bourgeoisie überlässt, einige ihrer Widersprüche – auf ihre Weise natürlich – zu lösen, auch wenn dies bedeutet, diese in radikalerer und barbarischerer Form in die Zukunft zurückzudrängen.

Und es waren Marx und Engels, die Erfinder des Begriffs der „permanenten Revolution“, die auch analysierten, wie das Bürgertum aufgrund von der proletarischen Niederlage einen neuen Aufschwung kannte.

So schrieb Engels 1874 in einem Vorwort zu seinem Buch „Der deutsche Bauernkrieg“ (im sechzehnten Jahrhundert), welches 1850 unter dem direkten Eindruck der Konterrevolution in Deutschland 1848-49 geschrieben worden war: „Somit hat also Preußen das sonderbare Schicksal, seine bürgerliche Revolution, die es 1808 bis 1813 begonnen und 1848 ein Stück weitergeführt, Ende dieses Jahrhunderts in der angenehmen Form des Bonapartismus zu vollenden. Und wenn alles gut geht und die Welt fein ruhig bleibt und wir alle alt genug werden, so können wir es vielleicht im Jahr 1900 erleben, dass die Regierung in Preußen wirklich alle feudalen Einrichtungen abgeschafft hat, dass Preußen endlich auf dem Punkt ankommt, wo Frankreich 1792 stand.

Das war im Jahre 1874. Die Welt blieb in Europa schön friedlich, noch länger als Engels es dachte, während sich die europäischen Bourgeoisien bis 1914 die Welt teilten. Während der zwanzig bis dreißig Jahre kolonialer Eroberungen, imperialistischer Expansion und Zähmung des europäischen Proletariats hatte sich das Tempo der revolutionären Geschichte drastisch verlangsamt und die revolutionären Prozesse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren zum Stillstand gekommen. 1905 hatte in Russland die nächste revolutionäre Welle angekündigt. Aber erst im Ersten Weltkrieg führte dies zu einer beispiellosen proletarisch-revolutionären Welle, die in allen europäischen Ländern die Revolution in Permanenz wieder auf die Tagesordnung setzte und zugleich den Kolonialländern neue Perspektiven öffnete. Der proletarische Sieg in Russland blieb jedoch isoliert. Nach dem Scheitern der europäischen Revolutionen der 1920er Jahre und dem Abebben der Arbeiterbewegung schien der Kapitalismus einen neuen Boom zu kennen, er fiel aber schnell in die Krise der 1930er Jahre und stürzte sich in neue unüberwindbare Widersprüche, die er schließlich mit den zig Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs löste.

1928, nach Alma-Ata deportiert, antwortete Trotzki in seinem Buch „Die internationale Revolution und die Kommunistische Internationale“ auf folgende Weise auf den revolutionären Phrasendrescherei Bucharins, der mit der Argumentation der unlösbaren Widersprüche des Kapitalismus die Theorie des Sozialismus in einem einzigen Land rechtfertigte: „Eine solch labile Lage, wo das Proletariat die Macht noch nicht in die Hand nehmen kann und die Bourgeoisie sich nicht mehr als starker Herr im Hause fühlt, muss sich früher oder später jäh entscheiden, entweder nach der einen, oder anderen Seite. Entweder nach der Seite der Diktatur des Proletariats oder nach der Seite einer ernsten langjährigen Befestigung der Bourgeoisie auf dem Rücken der Volksmassen, auf den Knochen der Kolonialvölker und ... wer weiß, ob nicht auch auf unseren Knochen. ‘Es gibt keine absolut ausweglose Lage.‘ (Lenin) Einen dauernden Ausweg aus den schweren Widersprüchen kann die europäische Bourgeoisie nur auf dem Wege der Niederlage des Proletariats und der Fehler der revolutionären Führung finden.

Trotzkis Worte waren leider vorahnend. Vorahnungen natürlich für die Jahre, die zum Krieg führten, über Faschismus, Stalinismus und Gegenrevolution in Spanien, aber auch für die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, der im Gegensatz zum ersten keine proletarisch-revolutionäre Welle auslöste. Mit der Komplizenschaft der UdSSR und der stalinistischen Parteien auf der ganzen Welt war es dieses Verschwinden des Proletariats aus der Weltbühne, das – im Gegensatz zu Trotzkis Prognosen vor dem Zweiten Weltkrieg – den Hoffnungen der bürgerlich-nationalistischen Führungen der Kolonialländer freien Lauf ließ. Aber Trotzki selbst sah voraus, dass im Falle eines längeren Rückzugs der Arbeiterbewegung viele seiner Prognosen ungültig werden würden, gerade weil seine Analysen gültig blieben.

Merkwürdigerweise erkennen die Genossen des Vereinigten Sekretariats als erste diesen tiefen Rückzug der Arbeiterbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg und das darauf folgende anhaltende Erstarken des Imperialismus an, aber nur um es als Argument zur Rechtfertigung des lange anhaltenden Minderheitencharakters der trotzkistischen Bewegung zu benutzen. Und diese objektiven Gründe sind real, auch wenn sie nicht alles rechtfertigen. Aber in einer überraschenden Stimmungsumkehr sind es gerade diese Gründe, welche auf der Weltarbeiterbewegung und insbesondere auf der trotzkistischen Bewegung lasteten, die die Genossen des Vereinigten Sekretariats so optimistisch über den Charakter der nationalen Revolutionen und ihrer Führungsteams gemacht haben.

Die nationalistischen Führungen Chinas, Kubas, Jugoslawiens ... sind immer nur das gewesen, was sie sind. Eine Form der Demoralisierung in Zeiten des revolutionären Rückgangs besteht jedoch darin, weder die Wirklichkeit noch ihre eigenen wirklichen Möglichkeiten sehen zu wollen, sondern darin, diejenigen, die nicht der proletarischen Bewegung angehören, zu verschönern und mit Tugenden zu schmücken. Dies geschah mit einem guten Teil der trotzkistischen Bewegung in den Nachkriegsjahrzehnten. Das hat auch Trotzki in den stalinistischen Reihen während des Rückgangs der Arbeiterklasse in den 1920er Jahren festgestellt (immer noch in seinem 1928 erschienenen Buch „Die internationale Revolution und die Kommunistische Internationale“): „In demselben Maße, in dem innerhalb des Proletariats eine offenbare, wachsende Rechtsschwenkung vor sich ging, begann in der Komintern die Linie der Idealisierung der Bauernschaft, eine ganz unkritische Übertreibung aller Symptome des „Bruches“ desselben mit der bürgerlichen Gesellschaft, eine Schönfärberei aller möglichen bäuerlichen Scheinorganisationen und eine direkte Hochpäppelung von „bäuerlichen“ Demagogen. Die Aufgabe … der proletarischen Avantgarde … wurde immer mehr und mehr durch die Hoffnung auf eine direkte und selbständige revolutionäre Rolle der Bauernschaft sowohl im nationalen wie internationalen Maßstab ersetzt

Und weiter: „Im Laufe des ganzen Jahres 1924 ermüdet die Presse der Komintern nicht, über die allgemeine ‘Linkswendung der Bauernmassen‘ zu erzählen, als ob man irgendetwas Selbstständiges von dieser, in den meisten Fällen nur scheinbaren Linkswendung der Bauern, in einer Periode der offenen Rechtswendung der Arbeiter, der Verstärkung der Sozialdemokratie und der Befestigung der Bourgeoisie erwarten könnte.

In ähnlicher Weise gab es, nach dem Zweiten Weltkrieg, allen Grund, die möglichen Ergebnisse zurückhaltend zu behandeln, zu denen die Radikalisierung der nationalistischen Führungen an der Spitze der Bauernschaft in den Kolonialländern führen konnte, in einer Zeit, in der die Arbeiterklasse dieser Länder sich offensichtlich nicht äußerte, in der die reformistischen und stalinistischen Organisationen ihre Hegemonie über eine sich nach rechts entwickelnde Arbeiterbewegung stärkten, in einer Zeit, in der sich der Imperialismus dauerhaft konsolidierte.

Die Führer der Vierten Internationale ihrerseits verloren jegliche Zurückhaltung und begeisterten sich so sehr für die Radikalisierung der nationalistischen Führungen der Kolonialländer, dass sie diese als proletarisches Hineinwachsen betrachteten, und so den trotzkistischen Minderheitsorganisationen die geduldigen Bemühungen ersparten, selbst „alternative“ Führungen aufzubauen, um die Sprache der Genossen des Vereinigten Sekretariats zu verwenden. Als ob die Schwäche der trotzkistischen Bewegung nicht genug wäre und es notwendig wäre, eine Theoretisierung ihrer Schwäche hinzuzufügen.

Und doch gibt es, ganz gleich, was die Genossen der LCR und des VS sagen, Zeiten, in denen die Geschichte allmählich versinkt, in denen die nicht-proletarischen revolutionären Turbulenzen, ohne proletarische Leitung, nicht richtig scheitern, sondern ausweglose Sackgassen einschlagen, innerhalb des nur von den herrschenden Mächten erlaubten und zugelassenen Rahmens, Bastardwege, die keine echten Zukunftsperspektiven für die Menschheit eröffnen. Und im Zeitalter des hegemonialen Kapitalismus auf dem Planeten sind diese nicht die Revolutionen, die die Lokomotiven der Geschichte sind.

Natürlich hat die trotzkistische revolutionäre Bewegung die Pflicht, solidarisch mit denen gegen den Imperialismus aufzutreten (auch wenn diese Solidarität angesichts ihrer eigenen Schwäche unwirksam bleibt), aber sie verzichtet auf ihre eigenen Ziele, wenn sie sie als Vorbilder nimmt.

Die permanente Revolution ist die Theorie der proletarischen Revolution und ihrer spezifischen Merkmale. Die Kraft des Proletariats als Klasse besteht, wie Marx und Engels schon im 19. Jahrhundert betonten, darin, den revolutionären Prozess bis zum Ende führen zu können, d.h. bis zur Zerstörung der Grundlagen der kapitalistischen Wirtschaft und der bürgerlichen Gesellschaft; und diesen revolutionären Prozess sowohl zeitlich als auch räumlich dauerhaft zu machen und weder vor materiellen oder partiellen Errungenschaften noch vor Grenzen Halt zu machen.

In diesem Sinne erscheint die proletarische Revolution als der neue historische Beschleuniger, mächtiger und schneller als alle früheren Revolutionen.

Diese Merkmale, d.h. genau diesen „permanenten“ Charakter den nationalistischen Revolutionen zuzuschreiben, ist mehr als ein Missbrauch der Sprache, es ist eine Art, sich zu weigern, die spezifischen Aufgaben zu definieren, die sowohl dem Proletariat unserer Zeit als auch den revolutionären Organisationen gehören. Es ist eine Form des Verzichts. Und es ist schwer zu verzeihen, wenn man behauptet, eine Internationale zu sein.

Eine „Sui generis“-Analyse

            Die Genossen der französischen Sektion des Vereinigten Sekretariats in ihrem zuvor zitierten Artikel von Critique Communiste haben von Trotzki folgendes mitgenommen: „In dem Zeitalter des Imperialismus besteht der einzige Weg, um die nationale Frage, die Landreform, zu lösen, und alle demokratischen Forderungen (wie die Alphabetisierung) in den beherrschten Ländern zu befriedigen, darin, dass die Arbeiterklasse die Führung der Kämpfe übernimmt, sich an die Spitze der Nation stellt, indem sie sich mit allen unterdrückten Schichten der Bevölkerung verbündet“. Und sie kommen zu dem Schluss, dass die nationalistischen Bewegungen, die die Initiatoren einiger dieser demokratischen Reformen waren, nicht bürgerlich sein können, dass sie also proletarisch sind!

Da die Theorie der permanenten Revolution, wie sie von diesen Genossen verstanden wird, ihnen verbietet, „der Kleinbourgeoisie die Eigenschaften zuzuweisen, die der Arbeiterklasse gefehlt hätten“, beschlossen sie, die Arbeiterklasse in der Kleinbourgeoisie zu sehen, was die Dinge zweifellos vereinfacht und gleichzeitig erspart, dass sie sich fragen, was der Arbeiterklasse eigentlich fehlte, um wirklich eine Klasse zu werden, die sich um die Macht bewirbt.

Bei den Genossen der Vierten Internationale haben wir oft den Eindruck, dass sie von der Theorie der permanenten Revolution nur eine Diagnose über die politische Ohnmacht der Bourgeoisien der vom Imperialismus beherrschten Länder behalten haben, eine Diagnose, die sie außerhalb der Zeit und der Umstände in logische Argumente verwandelt haben, und schlimmer noch, in logische Argumente, die dazu bestimmt sind, das Fehlen des Proletariats von der historischen Szene zu rechtfertigen, seine Rolle in Situationen zu leugnen, die gerade durch dieses Fehlen entstanden sind.

Sie scheinen zu vergessen, dass Trotzkis Analysen in dieser Hinsicht (wie die von Marx und Engels über die deutsche Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts) nur im Hinblick auf die effektive Bedrohung, die das Proletariat gegen die Bourgeoisie bildet, gültig sind.

Entfernen Sie die proletarische Bedrohung, da kommt teilweise den nationalistischen Jakobinern des 20. Jahrhunderts die Kühnheit zurück. Was im Übrigen in keiner Weise die Analysen von Marx oder Trotzki in Frage stellt, denn es stimmt, dass die Hauptsorge dieser nationalistischen Führungen gerade darin besteht, mit allen Mitteln, sowohl vor als auch nach der Machtergreifung, das Erscheinen, das Entstehen von autonomen und unabhängigen Organisationen der Arbeiterklasse zu verhindern, wie die Genossen des Vereinigten Sekretariats sagen würden.

In Wirklichkeit ist die permanente Revolution weniger eine Theorie der bürgerlichen Machtlosigkeit (die sich immer auf die Fähigkeiten des Proletariats bezieht) als vielmehr eine positive Theorie der revolutionären MÖGLICHKEITEN des Proletariats, seiner spezifischen Aufgaben, selbst wenn es sich um eine Minderheit in einem rückständigen Land handelt. Es ist dieser Aspekt der Theorie der permanenten Revolution, der 1928 von Trotzki verallgemeinert wurde.

Nun stellt sich heraus, dass die Genossen der Vierten Internationale, als sie dazu gebracht wurden, selbst eine Diagnose über die Fähigkeiten des Proletariats in bestimmten unterentwickelten Ländern der Nachkriegszeit zu stellen, eben nicht zu den gleichen Schlussfolgerungen wie Trotzki gelangten.

Hier ist, was Mandel in seiner „Verteidigung der permanenten Revolution“ schreibt: „Es muss verstanden werden, dass, wenn die siegreichen sozialistischen Revolutionen nach dem Zweiten Weltkrieg eine besondere Form angenommen haben, die sich von der der Oktoberrevolution unterschied, dies vor allem abgesehen von subjektiven und geschichtlichen Faktoren auf die grundlegende Tatsache zurückzuführen ist, dass in den Ländern, in denen sie triumphierten, das städtische Proletariat nicht die Mehrheit war, und nicht das ausreichende Gewicht hatte, um spezifische und hegemoniale Aktions- und Selbstorganisationsformen innerhalb des revolutionären Prozesses durchzusetzen“ (S.123).

Das städtische Proletariat war nicht die Mehrheitsklasse? Na und? Dies ist wohl nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel für die überwiegende Mehrheit der Länder der Welt. Das städtische Proletariat war zurzeit von Marx weder in Deutschland oder Frankreich in der Mehrheit (und im heutigen Frankreich nicht einmal!), noch natürlich in dem Zarenrussland zur Zeit Lenins und Trotzkis...

Was 1905 wie 1907 die Menschewiki von den Bolschewiki trennte, war es nicht genau so, dass die ersteren ihre Argumentation aus dem geringen soziologischen Gewicht des Proletariats zogen, um ihm die Fähigkeit zur politischen Hegemonie zu verweigern? Wenn Mandel nun versucht, den ganz besonderen Charakter der „siegreichen sozialistischen Revolutionen“ nach dem Zweiten Weltkrieg (oder vielmehr den ganz besonderen Charakter der Analysen des Vereinigten Sekretariats) zu rechtfertigen, gelingt es ihm nur, zu einem Ansatz zurückzukehren, der derjenige der russischen Menschewiki zu ihrer Zeit war, und er fügt nur die logische Sui generis-Pirouette hinzu, die das Vorgehen des Vereinigten Sekretariats so originell macht: Erstens kann das Proletariat, da es zu sehr in der Minderheit ist, die Führung des „revolutionären Prozesses“ nicht übernehmen; zweitens, gerade weil es nicht in der Lage ist, seine spezifischen Aktions- und Selbstorganisationsformen durchzusetzen, muss man die nationalistische bürgerliche Intelligenz das proletarische Kostüm tragen lassen (aber hat sie selbst das ausreichende soziologische Gewicht?).

Und diese Pseudo-Analyse ist bei den Genossen des Vereinigten Sekretariats keineswegs zufällig, da sie in einer anderen Form in den Resolutionen des Internationalen Exekutivkomitees der Vierten Internationale wiederkehrt (veröffentlicht in Inprecor 105, Juli 1981).

Die Stärkung der Bourgeoisie und der zentrale Platz, den das Proletariat in allen fortschrittlichsten halbkolonialen Ländern erobert hat, erfordern daher, um einen Sieg zu erringen, eine ANDERE, MEHR ENTWICKELTE Strategie (von uns betont ), als die, die im Rahmen der chinesischen, vietnamesischen, kubanischen oder nicaraguanischen Revolutionen angewandt wurde, und damit eine Führung, die auf einem revolutionär-marxistischen Programm beruht.

Kurz gesagt, dort, wo das Proletariat am schwächsten war, am wenigsten in der Lage war, die Führung des revolutionären Kampfs zu übernehmen, wo daher alles erschwert wurde, war es ausreichend, eine weniger ausgearbeitete, ungefähr oder gar nicht marxistische Strategie zu entwickeln, um einen proletarischen Sieg zu erringen, d.h. das gleiche Ergebnis zu erzielen wie in Ländern, in denen das Proletariat mächtiger ist und in denen es weniger schwierig ist.

Danach bleibt von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution nicht mehr viel übrig...

Welche Politik verfolgt das Vereinigte Sekretariat in Bezug auf die Permanente Revolution?

Dennoch haben die Genossen des Vereinigten Sekretariats natürlich trotz allem Recht, die trotzkistische Orthodoxie gegen die SWP zu verteidigen, auch wenn ihr Verständnis dieser Orthodoxie ziemlich weit von unserem entfernt ist. Aber inwiefern setzen sie sich für die Theorie der permanenten Revolution wirklich ein, auf die sie sich berufen?

Die Vierte Internationale hat eine bedeutende Anzahl von Sektionen in Ländern, die unter dem Imperialismus leiden, und man könnte daher vernünftigerweise erwarten, dass ihre Führung über ein Minimum an politischen Mitteln verfügt, um für diese Länder eine revolutionäre Politik festzulegen.

Es ist in der Tat sehr schwierig, in den öffentlichen Texten des Vereinigten Sekretariats die Formulierung einer solchen Politik zu finden. Es gibt jedoch sehr oft Formulierungen wie folgende: „Die Vierte Internationale war in der Lage, ohne Zugeständnisse an die Führungen und ohne jemals eine ‚neue Heimat des Sozialismus‘ zu suchen, ihre völlige Unterstützung für die Verteidigung der Revolutionen zu geben, die vom Imperialismus oder der Bürokratie bedroht waren, der jugoslawischen sowie der chinesischen, der kubanischen sowie der vietnamesischen Revolution. Sie war auch in der Lage, die Bedeutung und den Verlauf der nicaraguanischen Revolution zu verstehen und mit all ihren Kräften eine internationale Kampagne für derer Verteidigung zu starten.“ (Beschluss des Exekutivkomitees der Vierten Internationale von Mai 1981, Absatz 28, veröffentlicht in Inprecor Nummer 105, Juli 1981).

Die Internationale und ihre Sektionen müssen ihre Kräfte für drei vorrangige zentrale politische Kampagnen einsetzen. Die eine zur Unterstützung des revolutionären Aufstiegs in Mittelamerika; die andere für die maximale Unterstützung des gewaltigen antibürokratischen Kampfs der polnischen Arbeiter; die dritte gegen die internationale Offensive des Kapitals, mit Sparpolitik und Remilitarisierung.“ (Abschluss der Resolution „Die aktuelle Etappe des Aufbaus der Vierten Internationale“, Mai 1981, in der gleichen Ausgabe von Inprecor).

Es gibt kein anderes Mittel, für die Weltrevolution zu arbeiten, als alle derzeitigen Revolutionen entschlossen zu unterstützen, ganz unabhängig von ihren Führungen.“ (Zeitschrift Quatrième Internationale, Oktober 1981, Leitartikel).

Völlige Unterstützung zu geben“, „die Bedeutung und den Verlauf“ der von anderen geführten Revolutionen zu verstehen, „vorrangige Unterstützungskampagnen durchzuführen“, „alle laufenden Revolutionen zu unterstützen“: Dies scheint die Politik der Vierten Internationale für Länder zu sein, in denen es revolutionäre nationalistische Bewegungen gibt. So viele verdienstvolle Ziele für eine internationale revolutionäre Wohltätigkeitsorganisation, aber reichen sie aus, wenn es darum geht, die revolutionäre Tätigkeit der Trotzkisten zu leiten, die in diesen Ländern aktiv sind?

Und vergessen wir die Tatsache, dass diese Kämpfe, die als großartig gelten, wie auch jene Revolutionen, die als im Aufschwung geschätzt werden, wahrscheinlich besser in der Lage sind, den Unterstützungskampagnen von Organisationen, die nicht sehr einflussreich sind, zu helfen … als umgekehrt!

Die Entdeckung pragmatischer revolutionärer Leitungen

In Wirklichkeit hat das Vereinigte Sekretariat kaum das Bedürfnis, eine für trotzkistische Revolutionäre in diesen Ländern spezifische Politik zu definieren, da es glaubt, vor Ort bereits bestehende revolutionäre Führungen gefunden zu haben, die zwar der trotzkistischen Bewegung fremd sind, die aber „empirisch den Weg der permanenten Revolution entdeckt haben“, um eine Formulierung zu verwenden, die zu einem der Hauptleitmotive der Analysen des Vereinigten Sekretariats geworden ist.

Diesen Genossen zufolge weigern sich nur unheilbare Sektierer anzuerkennen, dass diese „pragmatischen Führungen“ (der Ausdruck ist jetzt im Vereinigten Sekretariat tief verankert) sich „objektiv“ für den Aufbau der Diktatur des Proletariats, wie in Nicaragua, eingesetzt haben.

Es muss betont werden, dass der revolutionäre Prozess in Mittelamerika neue Arten von Organisationen hervorbringt, politisch-militärischen Organisationen mit ihren Massenfronten. (...) Sie verstehen immer mehr, wenn auch empirisch, die wichtigsten Lehren der Theorie der permanenten Revolution ...“. (Vierte Internationale, Oktober 1981, Leitartikel).

Wenn wir richtig verstehen, hätte die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts für die verzweifelten trotzkistischen Minderheitsorganisationen eine göttliche Überraschung bereitet: mit der Hilfe der Selektionstheorie (alles wird im Zeitalter der imperialistischen Dekadenz möglich) wäre eine neue Art von bürgerlichen politisch-militärischen Apparaten aus den Randgebieten der imperialistischen Herrschaft hervorgegangen. Eine radikale Mutation hätte ihnen die Fähigkeit gegeben, sich die proletarische revolutionäre Strategie, die als „permanente Revolution“ bekannt ist, „empirisch“ anzueignen, eine Strategie, die das Proletariat selbst dazu verurteilt war, sich nur bewusst anzueignen.

Aber wozu nützen also jetzt die trotzkistischen Organisationen, wozu nützen die strategischen Hinweise der permanenten Revolution für das Proletariat in der Minderheit in den unterentwickelten Ländern, wenn ihre Hauptlehren von anderen empirisch unter dem alleinigen Druck der Ereignisse übernommen werden können?

Was die neuen Wunderkinder der permanenten Revolution selbst betrifft, brauchen sie noch ihre trotzkistischen Lehrer, auf welche sie übrigens immer verzichtet hatten?

Es wäre sinnlos, in den Positionen des Vereinigten Sekretariats nach Logik zu suchen.

Natürlich sind die trotzkistischen Organisationen schwach, wenn es sie in diesen Ländern überhaupt gibt.

Einen Einfluss unter den Volksmassen zu gewinnen, ist für sie wahrscheinlich genauso schwierig wie für die Trotzkisten in reichen Ländern.

Aber gerade haben wir keine Chance, einen Einfluss bei den Massen zu erobern, indem wir uns an die nationalistischen Führungen anpassen und es diesen letzteren überlassen, die Bestrebungen der Massen zu verwirklichen, genau wenn diese Massen sich darauf vorbereiten, ihre Bestrebungen mit revolutionären Mitteln auszudrücken … auch wenn wir weiterhin treu trotzkistische Propaganda machen ... aber eben nur Propaganda.

Und die Tragödie vieler Sektionen des Vereinigten Sekretariats in unterentwickelten Ländern überall auf der Welt war, dass sie zwar in der Propaganda dem Trotzkismus treu blieben, dass sie aber nie in der Lage waren, die Führung der Massen zu erobern, als diese endlich in Bewegung kamen. Und dann mussten sie sich darauf beschränken, ihre „Solidarität“ oder sogar ihre Loyalität gegenüber den Nationalisten zum Ausdruck zu bringen, welche selbst in der Lage waren, die Führung der Massen zu erobern.

Die Rolle einer internationalen Führung, für die sich das Vereinigte Sekretariat ausgibt, besteht also nicht darin, dieses Scheitern zu bestätigen und dann es theoretisch zu bekräftigen!

Wenn in diesen armen Ländern die kleinbürgerlichen nationalistischen Leitungen einen hegemonialen Einfluss auf die Massen zu haben scheinen, so liegt es nicht immer daran, dass am Anfang die wenigen Juristen, Ärzte und anderen Intellektuellen, die diese zukünftigen „pragmatischen“ Leitungen bildeten, zahlreicher als die Trotzkisten waren, sondern daran, dass sie niemanden trafen, der eine andere Politik direkt bei den Massen verteidigte, niemanden, um ihre Hegemonie zu bestreiten; kurz gesagt, niemanden, um sie zu bekämpfen, und in diesem Kampf, den Kampf der Massen konkret ihrem Einfluss und ihrer Leitung zu entreißen.

Die permanente Revolution zu verteidigen, bedeutet zuerst zu verstehen, dass alles uns von den Nationalisten trennt, so radikal sie auch sein mögen: die sozialen Grundlagen, die politischen Ziele, die Organisations- sowie die Kampfmethoden. Und das nicht erst nach der Revolution, auch nicht erst während des revolutionären Prozesses, sondern von Anfang an, sogar seit der Keimzelle dieser Organisationen.

Die Prinzipien der permanenten Revolution zu verstehen, bedeutet, die nationalen und demokratischen Bestrebungen der Massen auf unsere Art und Weise übernehmen zu können, aber AUF UNSERE ART UND WEISE, nicht auf die Art und Weise der bürgerlichen Nationalisten. Das heißt, indem wir immer die eigenen Interessen der Arbeiterklasse, die eigenen Perspektiven der Arbeiterklasse vertreten.

Die nationalen Bestrebungen unterdrückter Völker sind eine Sache, der Nationalismus ihrer kleinbürgerlichen Führer eine andere.

Also ja, die revolutionären Organisationen müssen die nationalen Gefühle der Massen berücksichtigen, aber nur so, damit diese sich im Laufe ihrer Mobilisierung von den kleinbürgerlichen Organisationen abwenden und ihre eigenen politischen, organisatorischen und militärischen Organe schaffen, damit sie ihre Autonomie erobern können und eine Chance haben, in dem Kampf zu siegen, der sie irgendwann notwendigerweise gegen nationalistische Organisationen stellen wird.

Wie kann die Autonomie der Arbeiterklasse bewahrt werden?

Im Prinzip sind die Genossen des Vereinigten Sekretariats bereit, die Notwendigkeit anzuerkennen, dass das Proletariat dieser Länder seine organisatorische, politische und militärische Autonomie bewahren muss.

Aber wie wenig sie sich um ihre effektive Verwirklichung kümmern, sie, die das Schicksal des Proletariats in die Hände dieser berühmten „pragmatischen Leitungen“ übergeben, deren ideologische Fortschritte sie genau verfolgen!

Natürlich bedauern sie manchmal, dass der Grad der „Selbstorganisation“ der Massen in Kuba oder Nicaragua nicht ausreicht.

Sie geben sich aber dann damit zufrieden zu behaupten, dass die arbeitenden Massen im Geiste ihrer politischen und organisatorischen Unabhängigkeit „gebildet“ werden müssen (was sie nicht daran hindert, sich über die „spontane Neigung der Arbeiter zur Selbstorganisation“ zu freuen), wobei sie das Wesentliche vergessen, nämlich dass diese „ Bildung“ nur GEGEN die gleichen Leitungen erfolgen kann, die sie sonst loben.

Denn die Arbeitenden bilden sich, indem sie täglich konkret erleben, wer von den kleinsten und minimalsten Aktionen bis hin zu den entschiedensten Kämpfen wirklich ihre Todfeinde sind.

Und was die proletarische Selbstorganisation betrifft, sie ist nur in Ausnahmefällen ein Faktum (und sie muss dann bewahrt werden), meistens aber nur eine Möglichkeit, und sie ist nie automatisch: Man muss sie hart und heftig gegen all jene erobern, die ein Interesse daran haben, dass sie nicht existiert, dass sie nicht einmal auftaucht.

Die bürgerlichen Nationalisten in den unterentwickelten Ländern können, wenn sie sich in den Machtkampf einreihen, zwar oft schwach sein (manchmal zu Beginn so schwach wie die Trotzkisten), aber sie wissen im Voraus, aus Klassenreflex, dass die Arbeiterklasse, selbst wenn sie sehr schwach ist, immer eine potenzielle Gefahr darstellt.

Und sie wissen sofort, wie sie diese Drohung beschwören können, indem sie den politischen und militärischen Apparat im Voraus aufbauen, der ihnen im Laufe des Kampfes zur Macht dienen wird, um freiwillig oder gewaltsam alle hinter sich zu bringen.

Die Bildung verschiedener „nationalen Fronten“ dient nur dazu, die Massen mit der Unterstützung ihrer politischen Organisationen hinter sich einzuziehen.

Das war von Anfang an schon lange vor den entscheidenden Kämpfen der Fall mit den vietnamesischen und algerischen Nationalisten und vielen anderen wie den Palästinensern, die sich an ihnen orientierten. Und auch mit allen nationalistischen Organisationen auf der ganzen Welt, die in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren nationalistischer Revolutionen in der Dritten Welt ein gewisses Know-how auf diesem Gebiet erworben haben. Und die Nationalisten von Nicaragua oder El Salvador bildeten keine Ausnahme von der allgemeinen Regel.

Es reicht also nicht aus, dass die trotzkistischen Revolutionäre den Embryonen von bürgerlichen Staaten, die von den politisch-militärischen Apparaten der radikalen Nationalisten gebildet werden, die Perspektive des proletarischen Staates entgegenstellen (besonders, wenn sie nach dem Sieg des nationalen Kampfes leider dazu neigen, bürgerliche Staaten als Arbeiterstaaten zu bezeichnen).

Vor Kampfapparaten geht es nicht darum, propagandistische Zukunftsformeln entgegenzusetzen, die den Arbeitern für die Gegenwart nur die Möglichkeit lassen, hinter das Banner des bestehenden bürgerlichen Apparates zu fallen.

Den bürgerlichen Apparaten müssen von Anfang an proletarische Apparate entgegensetzt werden, auch wenn sie nur Embryonen sind.

Den bürgerlich-nationalistischen Organisationen muss die revolutionäre Organisation entgegengesetzt werden. Denn trotzkistische Revolutionäre können auf keiner gemeinsamen Basis mit nationalistischen Führungen zusammen sein, die über Apparate verfügen, um den Massen ihre Diktatur vor und nach dem möglichen Sieg aufzuzwingen.

In den unterentwickelten Ländern, in denen die Situation oft explosiv ist, gibt es viele Einigungsfaktoren der Bevölkerung, aller Klassen zusammen, die sicherlich für den Ausbruch einer revolutionären Situation sind, welche aber auch gewaltige Faktoren sind, die dazu geeignet sind, die eigenen Interessen der Arbeiterklasse und der ärmsten Bevölkerungsschichten unter denen der kleinbürgerlichen Eliten zu ersticken.

Und das ist ein weiterer Grund, wenn es notwendig wäre, warum die Revolutionäre alles dafür tun müssen, damit sich die Arbeitenden die Mittel geben, ihre wahren Gegner zu entdecken.

Nur, das ist genau das Gegenteil, was das Vereinigte Sekretariat mit seiner Politik und seiner entarteten Vorstellung von der permanenten Revolution vorschlägt: Es rechtfertigt mit revolutionären Worten die Tatsache, dass sich das Proletariat nicht von den radikalen Nationalisten zu unterscheiden hätte, indem es zu verstehen gibt, dass alle diese pragmatischen Nationalisten auf ihren eigenen nationalen Wegen dazu gebracht werden, so gut wie eine proletarische Führung zu tun.

Nun, es stimmt eben nicht.

Die Arbeiterklasse kann die spezifischen Probleme dieser Länder (Unterentwicklung, Agrarreform, demokratische Rechte ...) mit einer völlig anderen Perspektive lösen als die des jämmerlichen nationalen Horizonts: die Perspektive der Weltrevolution, die dauerhaft und bewusst ansteckend wird.

Doch gerade dieser Internationalismus, dieser Wille, die Revolution um jeden Preis zu exportieren, macht viele Forderungen der nationalistischen Eliten hinfällig, die eifersüchtig auf die Möglichkeiten befestigt sind, die ihnen die Führung eines Staatsapparates bietet, so arm und unbedeutend er auch sein mag, und die deshalb Todfeinde des Proletariats sind.

Also, die proletarischen Revolutionäre sind natürlich solidarisch mit den Revolutionen der unterdrückten Völker gegenüber dem Imperialismus, und sie müssen es sein, selbst wenn diese Revolutionen unter einer bürgerlich-nationalistischen Führung stehen.

Die Genossen des Vereinigten Sekretariats ersetzen jedoch die Durchsetzung einer in jeder Hinsicht autonomen Politik des Proletariats mit den von ihnen genannten Aufgaben der Unterstützung von diesen Regimes.

Es ist keine elementare Pflicht der revolutionären Solidarität mehr gegenüber Völkern, die dem Imperialismus ausgesetzt sind; es ist eine politische Kapitulation und ein Verzicht auf die für diese Länder spezifischen revolutionären Aufgaben.