USA/Iran: Es droht ein imperialistischer Krieg (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von September 2019)

USA/Iran: Es droht ein imperialistischer Krieg
September 2019

Am 3. September kündigten die USA neue Sanktionen gegen den Iran an. Diesmal nannten sie als Grund das iranische Raumfahrtprogramm, dem sie vorwerfen, nur eine "Fassade" für ein militärisches Raketenprogramm zu sein. "Irans Versuch vom 29. August, eine Trägerrakete zu starten, macht deutlich, wie konkret diese Bedrohung ist", erklärte US-Außenminister Mike Pompeo. Am nächsten Tag prangerte die US-Regierung ein angebliches iranisches Handelsnetz an, das per Schiff illegal Öl an die libanesische Hisbollah-Miliz verkauft haben soll, "zugunsten des brutalen Assad-Regimes" [dem syrischen Präsidenten]. Als Reaktion darauf kündigte der iranische Präsident Hassan Rohani, der bereits jedes bilaterale Gespräch mit den USA abgelehnt hatte, an, sich an keine der im Rahmen des Abkommens von 2015 eingegangenen Verpflichtungen mehr zu halten. Diese Erklärung war eine reine Formsache angesichts der Tatsache, wie das iranische Regime vom amerikanischen Imperialismus in die Ecke gedrängt wird.

Das Kräftemessen mit dem Iran geht also weiter und gewinnt an Schärfe - ein Kräftemessen, das Trump begonnen hat, seit er sich im Mai 2018 aus dem drei Jahre zuvor unterzeichneten iranischen Atomabkommen zurückgezogen hat. Dazu zählt, dass die USA die alten Sanktionen erneuert, eine Blockade angeordnet und ein umfassendes Kaufverbot für iranisches Öl erlassen haben, wodurch dem Regime seine Haupteinnahmequelle entzogen wurde. In den Monaten Juni und Juli stiegen die Spannungen in der Straße von Hormus, einem strategischen Handelsweg zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, der nur 21 Seemeilen breit ist und durch den ein Fünftel des weltweiten Öls transportiert wird. Hier gab es vermehrt Angriffe auf Öltanker, für die die USA den Iran verantwortlich machten. Diese Spannungen spitzten sich zu, als das iranische Militär am 20. Juni eine amerikanische Drohne abschoss, die über ihren Luftraum flog. Trump behauptete daraufhin, er habe sich für einen Vergeltungsangriff entschieden, den er nur zehn Minuten vor dem Start der Flugzeuge abgesagt habe.

Der Iran soll laut den USA das Atomabkommen gebrochen haben und eine Bedrohung sein, die Trump bekämpfen will - während er gleichzeitig erklärt, dass er gegen einen Krieg sei. Dabei kommt die Bedrohung eher vom US-Imperialismus selbst, der beweisen will, dass er immer noch der einflussreichste Staat im Nahen Osten ist und der die Interessen seiner Ölmultis verteidigt.

Hinter dem Konflikt um das Atomabkommen

Durch das Atomabkommen mit dem Iran, das im Juli 2015 von den Außenministern der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Russlands und Chinas sowie ihres iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif unterzeichnet wurde, wurden die meisten internationalen Sanktionen gegen den Iran aufgehoben. Es beendete einen fast vierzigjährigen offiziellen Bruch zwischen den USA und dem Iran. Und es war ein Zeichen, dass der US-Imperialismus erwägt, den Iran politisch und wirtschaftlich wieder auf internationaler Bühne zu zulassen. Die imperialistischen Staaten sind bereit, die Beziehungen zu Staaten wieder aufzunehmen, die ihnen vielleicht helfen können, ihre Vorherrschaft in der Welt zu sichern, insbesondere im Nahen Osten, der zunehmend instabil wird. Aber sie brechen ihre Beziehungen zu eben diesen Staaten auch ebenso schnell wieder ab, wenn diese sich als zu widerspenstig erweisen.

Alle Drohungen, dass der Iran sein Atomprogramm zurückfahren müsse, sind lediglich Vorwände, um ihn zur vollständigen Unterwerfung zu zwingen.

1957 wurde das iranische Atomprogramm gestartet - und zwar mit Hilfe der USA. Denn das Land war damals ein zuverlässiger Hilfspolizist des Imperialismus. Der Diktator Schah Mohammad Reza, der dem Imperialismus vollständig ergeben und unterworfen war, regierte es mit eiserner Hand. Der mit hoch angereichertem Uran betriebene Kernforschungsreaktor am Teheraner Zentrum für Kernforschung wurde einige Jahre später gebaut und von den USA geliefert. 1974 begann der Schah mit dem Bau von 23 Kernkraftwerken, immer noch mit Unterstützung der USA, auch weil damals amerikanische und europäische Unternehmen um den Bau der Reaktoren konkurrierten. Der Grund für die spätere Unterbrechung dieser Programme war nicht die Angst vor der Atombombe in den Händen des iranischen Regimes, sondern die tiefe Angst vor etwas, das die imperialistischen Führer sehr viel mehr fürchten als die Explosion einer Atombombe: nämlich die soziale Explosion, die massive und weitgehende Mobilmachung der Bevölkerung und insbesondere der Arbeiterklasse gegen das Schah-Regime. Am 12. Februar 1979 wurde die Monarchie nach monatelangen Zusammenstößen mit der Armee durch den Druck der Straße gestürzt. Als dann die Islamische Republik unter dem Ayatollah Chomeini gegründet wurde, war ihr erstes und wichtigstes Anliegen, so schnell wie möglich die Ordnung wiederherzustellen. In dieser Hinsicht waren das neue Regime und die USA einer Meinung. Tatsächlich halfen die USA hinter den Kulissen in Absprache mit Chomeini dabei, den Zusammenbruch der Armee (die Hauptstütze des Regimes) zu verhindern - zu einer Zeit, als die Massen im Iran demonstrierten und sich zu organisieren begannen.

Was die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern aber letztlich und endgültig beendete, war die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran am 4. November 1979 durch Studenten, die Anhänger des islamischen Regimes waren und die 52 amerikanische Zivilisten und Soldaten als Geiseln nahmen. Dieser Aktion erschien als spektakuläre Provokation. Am 7. April 1980 brachen die USA alle diplomatischen Beziehungen zum Iran ab und verhängten Wirtschaftssanktionen.

Ab da galt das Regime als geächtet. Das lag jedoch nicht daran, dass es von Ayatollahs regiert wurde. Der Imperialismus stützt sich auf die reaktionärsten Kräfte, wenn dies für den Schutz seiner Interessen notwendig erscheint. Die engen Beziehungen zu Saudi-Arabien zeugen davon. Was die US-Führung nicht akzeptieren konnte, war der von den religiösen Führern des Iran verkündete Unabhängigkeitswille. Um die Interessen der multinationalen Konzerne in einer derart ölreichen Region der Welt zu wahren, braucht der Imperialismus Regime, die ihm treu und bereit sind, sich ganz seinem Diktat zu unterwerfen.

Nach dem Krieg der USA gegen den Irak im Jahr 2003 wurde die Lage im Nahen Osten zunehmend chaotisch. Deshalb versuchte die US-Führung irgendwann, wieder Beziehungen zum iranischen Staat herzustellen. Das Chaos im Irak wurde durch den Vormarsch unkontrollierbarer Milizen, die sich zum Islamischen Staat (IS) zusammenschlossen, noch erheblich schlimmer. Hinzu kam dann noch ab 2011 der Krieg in Syrien zwischen den bewaffneten Gruppen Baschar al-Assads und verschiedenen dschihadistischen Gruppen (einschließlich des IS). In dieser Lage sahen die USA im Iran eine zentrale Säule zur Stabilisierung der Region. Das iranische Regime finanzierte zahlreiche schiitische islamistische Milizen, die gegen die sunnitischen IS-Banden im Irak kämpften. Ganz zu schweigen davon, dass der Iran mit seiner Armee der "Revolutionswächter" selber in Syrien intervenierte und außerdem die libanesische Hisbollah finanziell unterstützt, deren Milizen ebenfalls in Syrien präsent sind.

Das Abkommen, das monatelang ausgehandelt und 2015 unterzeichnet wurde, war ein unbestreitbarer Beweis des guten Willens der iranischen Führung, die in Bezug auf die USA gemäßigter geworden war. Daher hoffte die US-Regierung, dass sie den Iran nun endlich wieder auf seinen Platz verweisen könne. Die Aufhebung der Sanktionen war für die in der Krise steckende iranische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Das iranische Regime war bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Die Liste der Bedingungen spricht Bände:

Doch kaum war Trump gewählt worden, nahm er einen radikalen Politikwechsel vor. Er erklärte, das Abkommen von 2015 sei eine Katastrophe gewesen und begann mit seiner Politik des "maximalen Drucks" gegen den Iran.

Der US-Imperialismus setzt seinen Willen durch

Dieser Politikwechsel lässt sich nicht mit der Persönlichkeit des Präsidenten oder seinen Wahlversprechen erklären, selbst wenn diese Faktoren eine Rolle spielen. Auch nicht mit der Haltung der republikanischen Partei, die Trump gewählt hat und die angeblich aggressiver wäre als Obama und die Demokratische Partei. Es stimmt, dass es in Trumps Gefolgschaft Befürworter eines Krieges gegen den Iran gibt mit dem Ziel, das Regime zu stürzen. Außenminister Mike Pompeo oder der ehemalige Nationale Sicherheitsberater John Bolton - der kürzlich von Trump entlassen wurde - sind die bekanntesten Vertreter dieser "Falken". Um nur ein Beispiel zu nennen: Als er 2016 noch Kongressabgeordneter war, hat Mike Pompeo eine Aktion gefordert, die "die Haltung des Iran ändern und letztlich sein Regime stürzen" sollte. Im Moment wird diese Ansicht jedoch nicht von der gesamten US-Bourgeoisie geteilt.

Was es aus US-Sicht notwendig macht, den Iran heute wieder von der diplomatischen Bühne zu verdrängen, ist genau das, was die USA kurzzeitig veranlasst hatte, den Iran mitspielen zu lassen: Die Lage im Nahen Osten hat sich weiter verändert. Der IS ist praktisch besiegt, und der syrische Diktator Assad hat die Lage mehr oder weniger wieder in den Griff bekommen. Daher ist es nach Einschätzung der US-Führung nun an der Zeit, den Einfluss des Iran in der Region unter Kontrolle zu bekommen. Umso mehr, als die Regionalmacht Saudi-Arabien, einer ihrer zuverlässigsten Verbündeten, in direkter Konkurrenz zum Iran steht. Saudi-Arabien ist nicht nur ein verlässlicher Bündnispartner, sondern auch einer der größten Abnehmer amerikanischer Rüstungsgüter. Im März 2018 hatte Trump damit geprahlt, für 12,5 Milliarden Dollar Waffen aller Art an Saudi-Arabien verkauft zu haben.

Auch wenn er unberechenbar erscheinen mag, handelt Trump letztlich nicht anders als viele andere imperialistische Staatsoberhäupter vor ihm. Er macht fährt bei seinen politischen Entscheidungen "auf Sicht", stützt sich mal auf die einen Verbündeten, dann auf andere, heizt ein Feuer an bei dem Versuch, ein anderes zu löschen... Das Ziel ist immer das gleiche: Die imperialistische Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, damit die US-Konzerne weiterhin den Planeten plündern können.

Das Kräftemessen zwischen den USA und dem Iran hat alle Großmächte gezwungen, Stellung zu beziehen und sich letztlich der amerikanischen Position anzuschließen. Dies gilt für die imperialistischen Staaten der EU ebenso wie für Japan oder Russland. Die Mitglieder des Clubs der Großmächte haben bei ihrem G7-Gipfel Ende August in Biarritz immer und immer wieder erklärt, dass sie die gleichen Ziele wie Trump verfolgen würden. Macron zeigte seine Ergebenheit gegenüber Trump, indem er erklärte, dass "kein Mitglied der G7 will, dass der Iran über Atomwaffen verfügen könne". Nichtsdestotrotz hätten zweitrangige imperialistische Mächte wie Frankreich und Deutschland gerne weiterhin Geschäfte mit dem Iran und seiner 82 Millionen starken Bevölkerung gemacht (das ist mehr als die Bevölkerung seiner sieben Nachbarländer am Persischen Golf zusammen) - einem Land, das außerdem über eine nicht unbeachtliche Mittelschicht verfügt und enorme Investitionen benötigt. Sobald das Abkommen 2015 geschlossen worden war, reisten Handelsdelegationen vieler Länder und insbesondere europäischer Länder in den Iran. Doch sobald die US-Regierung 2018 das Atomabkommen aufgekündigt hatte, untersagte sie nicht nur den Kauf iranischen Öls, sondern auch die Aufrechterhaltung der Handelsbeziehungen mit Teheran. Wer sich an diese Verbote nicht halten sollte, dem drohen Sanktionen, die ihm insbesondere den Zugang zum amerikanischen Markt verschließen. Ganz zu schweigen von der zentralen Rolle des Dollars im Welthandel, die eine entscheidende politische Waffe der USA ist.

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire protestierte angesichts der Tatsache, dass "Frankreich innerhalb von zwei Jahren seinen Handelsüberschuss gegenüber dem Iran verdreifacht" habe, und jammerte über die unheilvollen Folgen für französische Großunternehmen wie Total, Sanofi, Renault, Peugeot oder Airbus. Aber er musste nachgeben. So zog sich Total im August 2018 aus dem Land zurück und beendete seine Beteiligung am Gasprojekt South Pars, einer riesigen Offshore-Erdgaslagerstätte, die genau an der Grenze zwischen den Hoheitsgewässern des Iran und Katars im Persischen Golf liegt.

Die europäischen Staaten suchen weiterhin nach Wegen, um mittels "Verhandlungen" das Abkommen von 2015 wieder in Kraft zu setzen und so erneut Zugang zu den iranischen Märkten und dem iranischen Öl zu bekommen. Aber da sie es sich nicht leisten können, die USA zu übergehen, ist bisher nichts daraus geworden. Trumps Politik des "maximalen Drucks" gegen den Iran zielt auch darauf ab zu verhindern, dass die europäischen und asiatischen Mächte den von den USA verhängten Boykott nutzen könnten, um auf dem iranischen Markt Fuß zu fassen. Trumps Krieg ist also auch ökonomisch: Es geht darum, jeden ernsthaften Konkurrenten auszuschalten. Es ist eine Machtdemonstration des US-Imperialismus auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet.

Verheerende Folgen für die iranische Bevölkerung

Der Imperialismus ist zu allem bereit, um seine Vorherrschaft zu sichern, egal welche Folgenden dies für die Menschen und den Planeten hat. Die USA, aber auch Frankreich oder Großbritannien, haben dies oft genug bewiesen. 2003 zögerte Bush nicht, den Krieg gegen Saddam Hussein im Irak zu beginnen. Er warf ihm vor, Massenvernichtungswaffen zu besitzen, was eine bewusste Lüge war.

Für die iranische Bevölkerung haben die von der US-Regierung ergriffenen Maßnahmen katastrophale Folgen. Trump zerstört gezielt die Wirtschaft des Landes. Die Rohölexporte sind von 2,6 Millionen auf 400.000 Barrel pro Tag gesunken. Öl macht etwa 80% der iranischen Staatseinnahmen aus, und der Iran besitzt die viertgrößten Ölreserven der Welt. Aufgrund des daraus resultierenden Defizits kann Rohanis Regierung die zahlreichen öffentlichen Unternehmen und staatlichen Einrichtungen nicht mehr finanzieren, die über 60% der Staatsausgaben ausmachen. Viele Wirtschaftssektoren - wie der Wohnungsbau und allgemein der Bausektor, die zweitwichtigste Industriesparte nach dem Öl - sind gelähmt, und das Bankensystem liegt in Trümmern. Diese Rezession führt zu massiver Arbeitslosigkeit, auch für Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen. Ein Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen unter 30 Jahren mit Hochschulabschluss sind arbeitslos.

Die Inflation beträgt aufs Jahr gerechnet beinahe 40%. Die Preise vieler Lebensmittel haben sich in diesem Jahr verdoppelt und sogar verdreifacht! Iraner berichten davon, dass allein in diesem Jahr die Preise für Obst und Gemüse um 50% und die für Fleisch um mehr als 100% gestiegen sind. Viele Medikamente sind nirgendwo mehr zu finden. Zwei offizielle Verbraucherpreisindizes im Iran, die des Statistical Centre of Iran (SCI) und die der iranischen Zentralbank, gehen davon aus, dass die Preise allein im September 2018 um 5,4% bzw. 6,1% gestiegen sind. Und im ersten Vierteljahr des behördlichen Jahres 2019, das im Iran am 21. März 2019 begonnen hat, ist sie auf 37,6% geklettert.

Zahlreiche Reportagen haben die Verschlechterung des Lebensstandards des Kleinbürgertums beleuchtet. Was man dort sieht, lässt erahnen, was erst die Arbeiter und Arbeitslosen ertragen müssen, die von den Medien unbeachtet in den Slums rund um die Großstädte hausen. Laut Statistiken aus dem Jahr 2015 sind 33.000 iranische Dörfer seit einigen Jahren verlassen. Ihre Bevölkerung versuchte dem Elend zu entfliehen und ließ sich nach und nach am Rande der großen Städte nieder. Die Zahl ist bezeichnend, wenn man bedenkt, dass sie etwas mehr als 50% der gesamten Dorfbevölkerung im Iran ausmacht. In den iranischen Slums leben mittlerweile über 11 Millionen Menschen.

Für die Ärmsten wird das Elend mit den erneuten Sanktionen noch schlimmer. Laut einem aktuellen Bericht des Statistical Centre of Iran (SCI) ist der Armutsindex - ein inoffizielles Maß für den Zustand der Wirtschaft, das Arbeitslosenquote und Inflation kombiniert - in die Höhe geschnellt. Im vergangenen Winter erreichte er 39%, ein Jahr zuvor lag er noch bei 19,4%. Unabhängige Ökonomen gehen sogar davon aus, dass Arbeitslosigkeit und Inflation viel höher sind, da im Iran schon eine Stunde bezahlte Beschäftigung pro Woche als volle Arbeitsstelle gilt. Das monatliche Einkommen von Millionen von Arbeitern liegt den Berichten zufolge bei knapp 100 Dollar und damit deutlich unter der geschätzten Armutsgrenze des Landes. (Laut Menschenrechtsorganisationen liegt die Armutsgrenze in Teheran bei ca. 500 Dollar, im Rest des Iran bei ca. 400 Dollar im Monat. Der von der Regierung gebildete "Rat für Arbeit im Iran" legte 2019 die Armutsgrenze offiziell bei 180 Dollar fest.) 2018 verlor zudem die iranische Währung zwei Drittel ihres Wertes.

Ein Straßenhändler für Obst berichtet: "Alles ist teuer und überall herrscht Elend (...). Wir können nicht leben. Fleisch ist teuer, Reis ist teuer. Wir haben schon ein Jahr lang kein Fleisch gekauft. Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Ich denke (...) es wird Krieg geben."

Wie weit wird Trump gehen?

Bereitet Trump mehr als fünfzehn Jahre nach der Invasion des Irak einen neuen Golfkrieg vor, diesmal gegen den Iran, wie ein großer Teil der iranischen Bevölkerung zweifellos befürchtet? Die Propaganda, die in den USA, aber auch in Frankreich und Deutschland verbreitet wird, stellt den iranischen Staat immer als die aggressive, kriegstreibende Kraft dar. Aber die iranische Führung hat wiederholt erklärt, dass sie sogar noch drakonischere Atomauflagen akzeptieren würde, wenn dafür im Gegenzug die internationalen Sanktionen aufgehoben würden. Sie stecken jedoch in einer Sackgasse. Obwohl sie keinen Krieg wollen, können sie es sich auch nicht leisten, einfach vollkommen vor den USA zurückzuweichen, die sie herausfordern. Präsident Rohani ist gezwungen zu zeigen, dass er zumindest ein wenig Widerstand leistet. Umso mehr, da er mit diversen Cliquen des Regimes in Konkurrenz steht, insbesondere mit den Führern der Revolutionsgarden, die sofort bereit sind, seine geschwächte Position zu ihrem Vorteil auszunutzen.

Unabhängig davon, ob Trump und sein Gefolge wirklich einen neuen Krieg vom Zaun brechen wollen oder nicht, könnte die derzeitige Eskalationsspirale von selbst dazu führen. Die US-Führung scheint jedenfalls bereit zu sein, dieses Risiko einzugehen. Vergangenen Mai schickte die US-Regierung mit vagen Erklärungen, der Iran würde US-Interessen bedrohen, den Flugzeugträger Lincoln und die dazugehörige Flotte in den Persischen Golf. Als nächstes beschuldigten die treuen Verbündeten der USA, Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate, den Iran, dass er für den Angriff auf vier Öltanker im Persischen Golf verantwortlich sei - was Trump als Vorwand diente, ein weiteres Kriegsschiff und eine Batterie an Kurzstrecken-Flugabwehrraketen in die Region zu schicken und zu erklären, er könne jederzeit mit 120.000 einsatzbereiten Soldaten in die Region einmarschieren. Am Persischen Golf haben die USA seit langem Militärstützpunkte, in Kuwait, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die ihnen ab 2003 die militärischen Interventionen im Irak ermöglicht haben. 35.000 Soldaten sind dauerhaft auf den US-Stützpunkten der Golfstaaten stationiert. Andere Großmächte, darunter Frankreich, haben ebenfalls Militärstützpunkte am Persischen Golf. Die ganze Region ist voll von Waffen aller Art und voll von Soldaten, die in Afghanistan, dem Irak und Syrien - und damit überall an den Grenzen des Iran stationiert sind.

Die Welt steht bereits mit einem Bein im Krieg. Während man in den imperialistischen Hochburgen den Frieden genießt, der hier seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herrscht, ist die heutige Zeit für viele Völker von ständigem Krieg geprägt. Das syrische Volk lebt seit fast acht Jahren unter Bomben. Und was ist mit der Situation im Irak, Afghanistan oder dem Jemen, der seit 2015 von Saudi-Arabien mit Unterstützung der USA, Großbritanniens und Frankreichs bombardiert wird?

Wenn sich so viel explosives Material ansammelt, reicht ein Funken, um es in die Luft zu jagen. Wenn ein Krieg gegen den Iran begonnen würde, könnte sich der Kriegsschauplatz ausweiten und die Zahl der Kriegsgebiete sich vervielfachen, mit katastrophalen Folgen für die Völker auf der ganzen Welt. Der einzige Weg für die Menschheit, diesem Schicksal zu entkommen, besteht darin, das kapitalistische System zu stürzen.

"Unter dem wachsenden Druck des kapitalistischen Niedergangs haben die imperialistischen Widersprüche die Grenze erreicht, jenseits derer die einzelnen Konflikte und blutigen Explosionen (Äthiopien, Spanien, Ferner Osten, Mitteleuropa) unausweichlich in einem Weltbrand münden. (...) Ohne sozialistische Revolution, und zwar in der nächsten geschichtlichen Periode, droht die ganze menschliche Kultur in einer Katastrophe unterzugehen. Alles hängt ab vom Proletariat, das heißt in erster Linie von seiner revolutionären Vorhut", schrieb Leo Trotzki 1938 im Übergangsprogramm am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Diese Analyse ist noch immer aktuell.

11. September 2019