Die trotzkistische Bewegung und das Problem der "Volksdemokratien" (aus Lutte de Classe - Klassenkampf- von Oktober 1967)

Die trotzkistische Bewegung und das Problem der Volksdemokratien
Oktober 1967

Die überwiegende Mehrheit der Tendenzen, die aus dem nach dem Kriege geschaffenen Internationalen Sekretariat der Vierten Internationale stammen, glaubt, dass die Staaten des sowjetischen Blocks "entartete" oder "deformierte" Arbeiterstaaten sind, und dass ihre soziale Natur sich in vollem Umfang mit jener der UdSSR identifiziert.

Bis heute war jedoch keine von ihnen fähig, zu erklären, in welchen historischen Bedingungen bürgerliche Staaten mangels bewusster Intervention des Proletariats zu "Arbeiterstaaten" geworden wären.

Erst ab 1949 behauptete das Internationale Sekretariat, nachdem es jahrelang den bürgerlichen Charakter der Staaten des Ostblocks zugegeben hatte, dass diese tatsächlich "Arbeiterstaaten" geworden waren. Diese Position wurde offiziell 1951 vom dritten Kongress angenommen.

Konnte diese 180-Grad-Kehrtwende zu dieser Zeit noch erstaunen, so würde sie heute wohl kaum mehr überraschen, denn das ehemalige Internationale Sekretariat, oder eher seine zerstreuten Reste, haben sich daran gewöhnt, ihre theoretische Positionen ohne Erklärungen zu ändern. Zitieren wir nur zur Erinnerung die "fast-bolschewistische" Algerische nationale Bewegung (MNA), die dem Internationalen Komitee lieb und teuer war, die nach ihrem Anschluss an de Gaulle eine "nationalistisch-bürgerliche" Organisation wurde, oder der algerische "Fast-Arbeiterstaat", der für das Vereinigte Sekretariat, nach dem Sturz von Ben Bella wieder ein klassischer bonapartistischer Staat wurde.

 

Die Position des IS beim II. Kongress

Im Juni 1946 erklärte das Plenum des Internationalen Exekutivausschusses die zum zweiten Kongress des IS (das im Jahre 1948 stattfand) vorbereitende Diskussion über "die UdSSR und ihre Politik" für eröffnet.

In dieser Diskussion wurde die offizielle Meinung des IS von Germain dargestellt. Gegen die Leblanc-Tendenz, die versuchte, die "Arbeiternatur" der Ostblockstaaten zu beweisen, indem sie sich unter anderem auf die beispiellosen, dort durchgeführten Nationalisierungen stützte, erinnerte Germain daran, dass einerseits sogar vor dem Kriege ein breiter Staatssektor (Staatsmonopole, Eisenbahn, Post, Schwerindustrie) in diesen Ländern bestand, was einem schwachen Bürgertum erlaubte, sich mehr oder weniger wirksam gegen den Imperialismus zu verteidigen, und dass andererseits während des Zweiten Weltkrieges der deutsche Imperialismus einen großen Teil der Banken und der Unternehmen auf eigene Rechnung "verstaatlicht" hatte. Außerdem hatten die durch seine Niederlage geschaffene Leere und die Flucht "der mitarbeitenden" Kapitalisten die Regierungen der Nachkriegszeit (wie jene von Benes in der Tschechoslowakei) gezwungen, diese Maßnahme auf einen beträchtlichen Teil des Industrie- und Bankensystems auszudehnen.

"Es ist nicht uninteressant aufzuzeigen, konnte man in der Zeitschrift Quatrième Internationale von Januar-Februar 1948 lesen, dass die Nationalisierungen (in der Tschechoslowakei) von den Sozialdemokraten vorgeschlagen, und einige Tage später von der KP und der provisorischen Regierung angenommen wurden. Sie stellten eine notwendige und unausweichliche Maßnahme dar, in einer Situation, wo der größte Teil der Fabriken, Bergwerke und Banken sich ohne legale Eigentümer befanden... (Angesichts der Nationalisierungen blieb das Proletariat total verwirrt und folgte zahm den Parolen und allen Erklärungen der Stalinisten... Die Nationalisierungen führten zu einer Bürokratisierung der Wirtschaft ohnegleichen in der Geschichte des Landes. Schon unter Hitler waren die verschiedenen, Lenkungsgremien' wie Pilze im Regen gewachsen."

Derselben Tendenz, die den "Arbeitercharakter" des Staatsapparats dieser Länder aus der Tatsache erklärte, dass er von Stalinisten durchsetzt war, erwiderte Germain: "Selbst wenn die Mehrheit der Beamten des bürgerlichen Staates Mitglieder der stalinistischen Partei wäre...,wäre die Natur des Staates nicht qualitativ anders. Die Natur des Staatsapparats wird nicht von der sozialen Herkunft des Personals, aus dem er besteht, bestimmt, sondern diese Natur ergibt sich aus seiner Struktur, welche durch die Produktionsverhältnisse, auf die er sich gründet, bestimmt wird".

Indem er "die neuen und einmaligen Phänomene im Rahmen der kapitalistischen Wirtschaft" unterstrich, deren Ursache "die Lage dieser Länder" war, das heißt der Druck, dem sie durch die sowjetische Bürokratie ausgesetzt waren, widersetzte er sich mit folgenden Worten gegen die Idee einer "vorübergehenden und unbestimmten" Natur der Ostblockstaaten: "Solange der Apparat des bürgerlichen Staates nicht tatsächlich zerstört wird und solange die Werktätigen die Unternehmen nicht tatsächlich durch die Enteignung der Bourgeoisie übernommen haben, bleibt die Natur des Staates und der Gesellschaft grundsätzlich kapitalistisch".

Wenn es richtig war zu behaupten, dass ein Staat bürgerlich ist, solange die Arbeitenden den Staatsapparat nicht zerstört und tatsächlich ihre eigene Diktatur geschaffen haben, und dass es keinen Arbeiterstaat ohne Diktatur des Proletariats gibt, war es weniger richtig, eine mechanistische Verbindung zwischen den Produktionsverhältnissen und der Klassennatur des Staates anzudeuten.

Wenn die Werktätigen die Macht ergreifen und ihren eigenen Staat errichten, ist der Grad der Nationalisierungen oder der Verstaatlichung der Wirtschaft eine taktische Frage, wie es die russische Revolution gezeigt hat, die bis zum Jahre 1918 einen breiten Privatsektor fortbestehen ließ. Umgekehrt sieht man bürgerliche Staaten (Ägypten), die fast die ganze Produktion verstaatlichen. Indem er diesen beiden Elementen dieselbe Bedeutung gab, ebnete Germain der pablistischen Analyse der "Arbeiterstaaten" den Weg, die den ersten Begriff der Analyse (die Klassennatur des Staatsapparats) zugunsten des zweiten (die Struktur der Produktionsverhältnisse) verschwinden lässt, der als entscheidend angesehen wurde.

Diese Position wurde vom zweiten Kongress des IS bestätigt, der in seiner These über "die UdSSR und den Stalinismus" erklärte (siehe Quatrième Internationale von März-Mai 1948):

"17 - Der Kampf gegen die Hindernisse (die kleinbürgerlichen und bürgerlichen Parteien und das Privateigentum), der die Form einer immer totaleren Ausschaltung der kleinbürgerlichen und bürgerlichen Organisationen aus dem politischen Leben, sowie einer immer stärkeren Begrenzung der privaten Bereiche der Industrie annimmt, hat das besonders, dass die bürgerliche Struktur des Staates und die bürgerliche Natur des Eigentums bleiben!" (unterstrichen von uns, Lutte de Classe)

19 - Das Bürgertum von Polen, von der Tschechoslowakei, von Bulgarien - oder eher was von ihm zum Zeitpunkt der russischen Besetzung fortbestehen blieb -... akzeptierte ohne Widerstand eine Reihe von wirtschaftlichen Reformen, die zum Teil den der kapitalistischen Wirtschaft eigenen Bedürfnissen entsprach (Notwendigkeit, die auf die Kapitalarmut zurückzuführen war, die deutschen Eigentümer, usw. zu ersetzen...) und zu einem anderen Teil unter dem Druck der sowjetischen Bürokratie durchgeführt wurden. Diese Akzeptierung nahm die Form eines bewussten Kompromisses (in der Tschechoslowakei) oder eines einfachen Diktats an. 24 - Der Staat der Ostblockländer bleibt ein bürgerlicher Staat: a) Weil seine STRUKTUR bürgerlich bleibt: Nirgends wurde die alte bürokratische Maschine des bürgerlichen Staates zerstört. Die Stalinisten haben nur den Platz bestimmter Schichten des bürgerlichen Staatsapparats eingenommen; b) Weil seine FUNKTION bürgerlich bleibt. Während der Arbeiterstaat das gemeinsame Eigentum der Produktionsmittel, das Ergebnis einer siegreichen sozialistischen Revolution verteidigt, verteidigt der Staat der Ostblockländer ein Eigentum, das trotz seiner unterschiedlichen und hybriden Formen im Grunde bürgerlicher Natur bleibt".

Und der Entschluss stellte fest: "Der Staat der Ostblockländer behält so seine bürgerliche Struktur und Funktion und er stellt gleichzeitig eine EXTREME FORM VON BONAPARTISMUS dar, der stalinisierte Staatsapparat, der nicht nur eine breite Unabhängigkeit gegenüber dem Bürgertum wie gegenüber dem Proletariat..., sondern ebenfalls und besonders... im Namen der internationalen Kräfteverhältnisse erworben hat. Aus dem bürgerlichen Charakter der Staaten der Ostblockländer ergibt sich die Notwendigkeit der gewalttätigen Zerstörung seiner bürokratischen Maschine als wesentliche Bedingung für den Sieg der sozialistischen Revolution in diesen Ländern".

 

... und jene des III. Kongresses

Drei Jahre später, zum dritten Kongress dieser Organisation, wurde die "durch und durch kapitalistische" Natur dieser Staaten zu "Arbeiternatur", ohne dass man die Arbeiter den Staatsapparat tatsächlich zerstören sah.

Man muss bemerken, dass die neue vom IS angenommene Position sich auf keine Hintergrundanalyse stützt, und dass die Mehrzahl der Elemente, die es nach dem IS ermöglichten, diese Staaten als "Arbeiterstaaten" zu charakterisieren, genau dieselben waren wie jene, die von Leblanc fünf Jahre früher verteidigt, und dann von demselben IS bekämpft wurden...

"Selbst wenn die Mehrheit der Beamten des bürgerlichen Staates Mitglieder der stalinistischen Partei wäre..., wäre die Natur des Staates nicht qualitativ anders, behauptete 1946 das IS durch die Feder von Germain. "Auf sozialer Ebene ist der Staatsapparat dieser Länder immer mehr mit jenem der UdSSR vergleichbar, durch die sich immer stärker entwickelnden Einrichtung ,sicherer' Elemente, die das Vertrauen der sowjetischen Bürokratie genießen, die nach und nach die bürgerlichen Elemente ersetzen", verkündete 1951 dasselbe Gremium in dem "Entschluss über den Klassencharakter der europäischen Länder des sowjetischen Blocks".

Man findet denselben Widerspruch bei den Nationalisierungen. "Der Staat der Ostblockländer verteidigt ein Eigentum, das trotz seiner unterschiedlichen und hybriden Formen grundsätzlich bürgerlich bleibt" erklärt der II. Kongress (1948) in seinen Thesen über "die UdSSR und den Stalinismus" (These 24 b).

"Eine verallgemeinerte Nationalisierung kann nur der Existenz eines Arbeiterstaates als Beweis dienen, kein bürgerlicher Staat wird es tun", schrieb jetzt Germain in seinen 'zehn Thesen'".

Um seine neue Position akzeptieren zu können, musste das IS seine eigenen Analysen der früheren Periode völlig beseitigen, aber auch alle Klassenkriterien, die Trotzki dazu veranlasst hatten, die UdSSR als einen entarteten Arbeiterstaat zu charakterisieren.

Die Analyse des IS ging nicht mehr von den wirklichen, zwischen den Klassen herrschenden Kräften aus, wie sie sich weltweit und innerhalb jedes der Staaten des Ostblocks ausdrückten, sondern von den Eigentumsverhältnissen, die von ihrem historischen Ursprung isoliert wurden, und wobei man sich darauf beschränkte, die "Ähnlichkeit" mit jenen, die in der UdSSR bestehen, zu unterstreichen.

Diese oberflächliche Analysemethode wird später das IS dazu führen, jeden Staat als Arbeiterstaat zu bezeichnen, der den größten Teil seiner Produktion verstaatlicht, vor allem, wenn er sich selbst als ein solcher ausgibt, selbst wenn die Arbeiterklasse überhaupt keine Rolle bei seiner Bildung gespielt hat (China, Kuba).

Seinerzeit war die erste Folge der Analyse des IS, dass man die soziale Natur der Territorien, die ganz einfach bei Kriegsende der UdSSR angegliedert worden waren, und der Saaten der so genannten "Volksdemokratien" gleichsetzte, indem man im Übrigen (beim 7. Plenum 1949) behauptete, dass letztere unweigerlich ins Territorium der Sowjetunion integriert, das heißt "strukturell angeglichen" werden würden.

Achtzehn Jahre nachdem sie formuliert wurde, wurde diese Voraussage nicht verwirklicht und man erlebt umgekehrt eine immer deutlichere Lockerung der Verbindungen zwischen der UdSSR und den Volksdemokratien und eine weltweit fortschreitende Wiedereingliederung dieser in die imperialistischen Märkte.

Im Gegenteil dazu konnte keine Region, die durch die russische Bürokratie annektiert wurde (baltische Länder, Unterkarpaten-Ukraine, Bukowina, Bessarabien ein Teil von Ostpreußen oder Finnland, usw.) die geringste Neigung an Polyzentrismus zum Ausdruck bringen.

Dieses Problem hat all diese Genossen nie sehr beunruhigt. Der dritte Kongress regelte die Frage so: Er behauptete kurzerhand, dass die Wirtschaftsintegration dieser Länder ohne "formelle Integration in das Territorium der UdSSR" erfolgen könne.

Weit davon entfernt, formell zu sein, hätte die Integration in das Territorium der UdSSR nicht nur eine Wirtschaftsintegration bedeutet, sondern auch und besonders eine politische und soziale Integration, die die Zerstörung der nationalen Staatsapparate der Volksdemokratien erfordert hätte.

Heute, da die Wirtschaftsintegration dieser Staaten an die UdSSR so utopisch wie ihre territoriale Integration erscheint, erfindet man "konkurrierende" Bürokratien, die dem Nationalrahmen verbunden sind, und die zu keinem Preis eine wirtschaftliche Integration wollen. Selbstverständlich wird mit keinem Wort erklärt, auf welche soziale Kraft diese ehemaligen "sicheren", mit Moskau verbundenen Elemente sich stützen, um dem Einfluss des Kremls zu entgehen.

Das Internationale Komitee auf der Suche nach einer neuen Theorie

Im Bewusstsein, dass die pablistische Analyse eine Anerkennung der progressiven historischen Rolle einer Bürokratie impliziert, die fähig wäre, Arbeiterstaaten einzusetzen (was tatsächlich eine vollständige Revision des Trotzkismus zur Folge hat), versucht das Internationale Komitee, eine andere historische Erklärung der Schaffung der Ostblockstaaten zu geben.

In seinem Text "Défense du trotskysme" (Verteidigung des Trotzkismus) (La Vérité Nummer 530-531) schrieb Stéphane Just, Mitglied der französischen Organisation des IK:

"Die Frage ist sehr kompliziert: Nachdem nämlich die unabhängigen Aktionen der Massen gebrochen wurden, war es tatsächlich die ,militärisch-bürokratische' Aktion des Kremls, die die politische und wirtschaftliche Enteignung des Bürgertums vollendet hat" - und weiter - "Die revolutionären Bewegungen gingen in Osteuropa dem Einmarsch der sowjetischen Armee voraus und begleiteten ihn: Aber tatsächlich waren es diese Bewegungen, die den entscheidenden Schlag gegen die alten besitzenden Klassen und am bürgerlichen Staat führten".

Dieselbe Konzeption wird im vorbereitenden Text für dieselbe Konferenz vom IK entwickelt.

Was Just nämlich beweisen will, ist, dass schon 1945 "die Staaten des Ostblocks eine extreme Art des Bonapartismus darstellten, aber deren soziales Wesen proletarisch war" (die erwähnte Vérité).

Diese Theorie hält nur einer hastigen Lektüre stand. Just und das IK hüten sich davor, auch nur ein konkretes Beispiel von dem zu geben, was sie behaupten. Welche Formen hat die Zerstörung dieser bürgerlichen Staaten angenommen? Durch welche Klassenorganismen drückten sich diese revolutionären Bewegungen aus, die von der russischen Armee enthauptet wurden, die dem Bürgertum den entscheidenden Schlag versetzt haben?

In der Praxis, wenn wir zum Beispiel die Theorie des IK auf Rumänien anwenden, bemerkt man, dass zwischen 1944 und 1949 der größte Teil der prinzipiellen kapitalistischen Vertreter an der Stelle blieb, insbesondere Tatarescu, der Mann der Ölkonzerne, und dass die Rote Armee sich auf Reaktionäre wie Radescu stützte und auf dem einheimischen bürgerlichen Unterdrückungsapparat, um die Ordnung herrschen zu lassen. Zu allem Übel befand sich der von Stalin gekrönten König Michel an der Spitze des Landes. Unter diesen Bedingungen fragt man sich, wie "das proletarische Wesen" eines solchen Staates auftrat. Man fragt sich ebenfalls, ob das IK beabsichtigt, mit einem solchen "theoretischen" Ernst die trotzkistischen Aktivisten zu gewinnen, die sich vom Pablismus abwenden.

 

Die integrierten Regionen und die Volksdemokratien

Der Irrtum der Genossen, die die Klassennatur der Ostblockstaaten mit derjenigen der UdSSR identifizieren, besteht darin, nicht gesehen zu haben, dass unter den "Ähnlichkeiten in den Strukturen" der Staatsapparat der integrierten Regionen und jener der Ostblockländer eine unterschiedliche Sozialnatur hatte.

In einem Teil der Regionen, die an die UdSSR angegliederten wurden, bedeutete die territoriale Integration keineswegs die Erweiterung von neuen sozialen Verhältnissen auf neue Bevölkerungen. Die Finnen (400.000) wurden nach Finnland zurückgedrängt, die Polen (1.500.000) nach Polen, die Rumänen (1.500.000) nach Rumänien und das alte deutsche Territorium von Königsberg wurde von jeder germanischen Bevölkerung "gereinigt" und russifiziert.

In der Unterkarpaten-Ukraine, einem alten tschechischen Territorium, das 1939 von Ungarn annektiert und 1945 der UdSSR gegeben wurde, hatte die russische Bürokratie in einer hauptsächlich landwirtschaftlichen Region keine Mühe, die Reste des alten ungarischen Staatsapparats zu verjagen, das durch die Niederlage zum Zerfall gebracht wurde.

Die einzige wichtige Ausnahme stellten also die baltischen Länder dar, wo die Ausrottung aller politischen Kader dieser Staaten, einschließlich der Stalinisten, im Eiltempo bereits 1939 durchgeführt wurde.

In all diesen Territorien konnte die stalinistische Bürokratie ohne Probleme Anhänge ihres eigenen Staatsapparates einsetzen. In diesen Regionen hatte die Bürokratie tatsächlich die Grundeigentümer und die Kapitalisten "bürokratisch" enteignet. Aber tatsächlich stellte das nur ein Randphänomen im Kräfteverhältnis zwischen der Bürokratie und dem Imperialismus dar.

In der Tat hatte sich Stalin 1943 bei der Konferenz von Jalta gegenüber dem von Churchill und Roosevelt vertretenen Imperialismus verpflichtet, nichts zu machen, um die soziale Natur der von der Roten Armee besetzten Staaten zu ändern. Koalitionsregierungen von bürgerlichen und stalinistischen Parteien mussten mit der Unterstützung der Russen ins Leben gerufen und alle revolutionären Bewegungen unterdrückt werden. Als Gegenleistung durfte die UdSSR Änderungen ihres Grenzverlaufs in Betracht ziehen und ihr wurde eine "Einflusszone" auf die osteuropäischen Länder verliehen, das heißt ein Recht auf Plünderung.

Und Stalin, wie er dies immer bei seinen Abkommen mit dem Imperialismus tat, hielt Wort.

Sobald sie in die zukünftigen Volksdemokratien einmarschierten, brachten die russischen Truppen, die dem Jalta-Abkommen treu waren, die bürgerlichen Staaten auf die Beine und Koalitionsregierungen an die Macht.

In der Tschechoslowakei bestand die Regierung aus drei Katholiken, drei Sozialdemokraten, drei Stalinisten und zwei Parteilosen. Unter diesen Ministern zählte man einen katholischen Bischof und zwei Generäle. Außerdem waren die Parteien der tschechischen (volkschristlichen) und slowakischen (volksdemokratischen) Rechtsextremen erlaubt.

In Ungarn nahmen an der Regierung, unter dem Vorsitz eines horthystischen Generals, der ins Lager der Russen übergewechselt hatte, insbesondere der ehemalige Generalstabschef von Horthy, ein Gendarmerie-General, ein Graf (und großer Landeigentümer) sowie eine Reihe bürgerlicher Politiker an der Seite von drei Stalinisten teil.

Unter diesem Gesichtspunkt stellte Jalta eine wichtige politische Wende in der Politik der russischen Bürokratie dar. Bis dahin hatte ihr politischer Verrat die proletarische Avantgarde verwirrt und es der Bourgeoisie ermöglicht, sowohl in Deutschland als auch in Spanien oder in Frankreich zu gewinnen.

Ab Jalta machte die Bürokratie einen Schritt mehr auf dem Weg des Verrats und verständigte sich mit dem Imperialismus darüber, der Roten Armee in den besetzten Territorien die Rolle einer beliebigen imperialistischen Armee spielen zu lassen, nämlich die, dem bürgerlichen Staat wieder auf die Beine zu helfen und jede revolutionäre Bewegung zu unterdrücken. Dies veranlasste übrigens die Revolutionäre, von 1945 an den sofortigen Rückzug der russischen Truppen von diesen Territorien zu fordern.

So gesehen war in den besetzten Territorien der Kontrast zwischen der sowjetischen Politik von vor und nach 1943 erfassbar.

In den baltischen Ländern zum Beispiel gründete die Bürokratie 1940 die litauische sozialistische und sowjetische Republik, die die litauischen, estnischen und lettischen Territorien umfasste und alle Einwohner in der Roten Armee mobilisierte. In Polen und in Finnland benutzte und kontrollierte sie die revolutionären Bewegungen (insbesondere des Bauerntums), die entstanden waren, als die Rote Armee sich näherte.

Nichts Ähnliches passierte nach dem Kriege in den Volksdemokratien, die den Stalinisten zufolge bürgerliche Demokratien eines neuen Typs waren. Hier wurde jede revolutionäre Bewegung im Keim erstickt und der alte Staatsapparat, der sehr oft verschwunden war, wurde gefestigt und wieder aufgebaut.

 

Schlussfolgerung

Die sowjetische Bürokratie verfolgte also eine ganz andere Politik in den integrierten Regionen und in den Volksdemokratien. In den einen errichtete sie ihren eigenen Staatsapparat, in den anderen restaurierte sie den bürgerlichen Staat.

Ab 1949 zwang die Verschlimmerung der Widersprüche zwischen dem Imperialismus und der Bürokratie letztere, auf die Gefahr hin, dass ihr die bürgerlichen Staaten gänzlich abhandenkamen, denen sie auf die Beine geholfen hatte, immer striktere Kontrollmaßnahmen über ihre Wirtschaften durchzuführen (Gründung des Außenhandelsmonopols, Beschlagnahme der letzten Privatunternehmen und Fast-Monopol der Ausfuhren) und den Staatsapparat von allen Elementen zu säubern, die auf eine Verständigung mit dem Imperialismus drängen.

Aber eine Säuberung, so radikal sie auch sein mag, ändert nicht die Natur eines Organismus.

Durch die Aktion der russischen Bürokratie geplündert, verkümmert und verformt, sind diese Staaten nicht weniger bürgerliche Staaten geblieben, und sie bringen es heute zum Ausdruck, wenn sie sich immer mehr von der UdSSR distanzieren, und sich nach und nach wieder dem kapitalistischen Markt annähern.