Für die Rechte und die Freiheit der Frauen, gegen den Schleier in der Schule (aus Lutte Ouvrière vom 24. Oktober 2003)

Für die Rechte und die Freiheit der Frauen, gegen den Schleier in der Schule
Oktober 2003

Am 16. Oktober 2003 haben Lehrer des Gymnasiums Henri-Wallon in Aubervilliers bei Paris eine Pressekonferenz einberufen: "für die Rechte und die Freiheit der Frauen, gegen den Schleier in der Schule". In dieser Lehranstalt waren zwei Schülerinnen, Lila und Alma Lévy, nach einem Disziplinarverfahren ausgeschlossen worden: nach monatelangen Diskussionen mit dem Lehrkörper beharrten sie darauf, ihren Schleier in der Klasse zu behalten.

Chahdortt Djavann, Schriftstellerin und Autorin von "Nieder mit den Schleiern", Bernard Tepper, Präsident des UFAL (Vereinigung der Laizistischen Familien), Mimouna Hadjam, Sprecherin des Vereines Africa von La Courneuve (einem Pariser Vorort), und Josiane Balasko, Schauspielerin, hatten sich eingefunden, um ihre Unterstützung zum Ausdruck zu bringen und ihre Solidarität mit der bezüglich der beiden jungen Mädchen getroffenen Entscheidung kundzutun. Gisèle Halimi (eine Kämpferin für das Abtreibungsrecht in den 70. Jahren) hat eine Solidaritätsmitteilung veröffentlicht, in dem sie daran erinnert, dass "der Schleier eine gegen diese Prinzipien (Laizismus und Gleichheit zwischen den Geschlechtern) gerichtete Waffe ist. Er ist nicht nur ein Zeichen der Meinungsfreiheit, sondern zeugt von dem Willen, eine Religion und gleichzeitig oft eine politische Einstellung öffentlich zur Schau zu stellen. Und vor allem erniedrigt er die Frauen, indem er sie in einer wahrhaften sexuellen Apartheid gefangen hält".

Und eben darum handelt es sich: um die Unterdrückung der Frauen durch die Männer, um ihre Freiheiten und ihrer Rechte. Der Schleier ist kein einfaches Stück Stoff: Er ist nicht nur ein Symbol, sondern auch ein ganz konkretes Zeichen der untergeordneten Stellung, in der manche die Frauen im Namen der Religionsfreiheit festhalten wollen.

Chahdortt Djavann weiß, wovon sie spricht: dreizehn Jahre hat sie im Iran unter dem Gewicht des Schleiers gelebt. Sie erinnert daran, dass der Schleier, der das Haar und den gesamten Körper der Frauen vor den Blicken der Männer versteckt, ein wahrhaftiges wandelndes Grab ist. "Nachdem sie (die muslimischen Fundamentalisten) die Frauen nicht einfach vernichten können, weil sie trotz alledem dazu dienen, ihre Wünsche zu befriedigen und die Fortpflanzung zu ermöglichen, begraben sie sie unter dem Schleier", erklärt sie.

Lila und Alma Lévy versichern, den Schleier freiwillig zu tragen und dass es ihre eigene Entscheidung ist. Sie behaupten, dass er nur ein einfaches Kleidungsstück ist, das ihre Sittsamkeit schützen soll, indem es ihre Haare, ihren Hals und ihre Ohren versteckt. Sicherlich, so fügen sie hinzu, sei es nicht ihr Vater, ein Rechtsanwalt des MRAP (Bewegung gegen den Rassismus und für die Freundschaft zwischen den Völkern), der sich einen "Jude ohne Gott" nennt, der ihnen den Schleier vorschreibt. Wenn sie es beschließen, so die beiden, werden sie morgen ihren Schleier in den Mülleimer werfen. Wenn es ihnen gefällt, werden sie irgendeinen anderen Glauben oder vielleicht sogar gar keinen annehmen, sie werden den Jungen ihrer Wahl heiraten oder in wilder Ehe leben. Aber es handelt sich nicht um ihre persönliche Entscheidung! Es handelt sich um die Freiheiten Hunderttausender junger Mädchen muslimischen Ursprunges, die nicht in solch einem Umfeld und der dazugehörigen Freiheit aufwachsen. Es handelt sich um die Hunderttausenden Mädchen, die von männlichen Familienmitgliedern oder Nachbarn aus dem Wohnblock zum Tragen des Schleiers gezwungen sein werden, wenn es möglich wird, verschleiert den Unterricht zu besuchen.

Eben an diese jungen Mädchen haben die Lehrer des Gymnasiums Henri-Wallon gedacht, als sie ihre Entscheidung getroffen haben, und an genau sie denken wir jetzt. Wenigstens in der Schule muss man diese Mädchen vor dem Druck jener schützen, die von den Vorurteilen eines anderen Zeitalters geprägt sind und unter dem Vorwand, dass sie keine Männer sind, die Frauen in einer untergeordneten und minderwertigen Stellung festhalten wollen.

Und schließlich - sind diese beiden jungen Mädchen wirklich nur Jugendliche mit Identitätsproblemen? Chahdortt Djavann erinnert: "Man beobachtet heute in Frankreich das Auftauchen junger fundamentalistischer Aktivistinnen. Und man muss sie bekämpfen". Genauso wie man alle fundamentalistischen Aktivisten bekämpfen muss, ob sie nun muslimisch, jüdisch oder christlich sind. Nicht weil sie religiöse Überzeugungen haben - es steht ihnen frei, an diese von den Menschern, erfundenen Götter zu glauben - sondern, weil sie für eine Rückkehr zu reaktionären Ideologien kämpfen, die den Menschen die Rechte und die Freiheiten abstreiten, die Frauen und Männer erobert haben.